Mittwoch, 24. Juni 2015

Rezension Augustinus - Genie und Heiliger

Augustinus Biographie

Rezension

KLAUS  ROSEN

AUGUSTINUS  -  GENIE  UND  HEILIGER          
Eine historische Biographie

Wer heute im lauschigen Biergarten ein Augustiner-Weizen genießt, oder eines der vielen Augustinerklöster oder Augustinerkirchen besucht, denkt schon daran, dass der Namensgeber, der heilige Augustinus, einer der einflussreichsten Kirchenväter und Bischof von Hippo Regius, dem heutigen Annaba in Nordalgerien war.

Aurelius Augustinus lebte von 354 bis 430 n. Chr. als Nordafrika als Africa proconsularis zum Römischen Imperium gehörte. Die Christenverfolgungen, die unter seinem Vorgänger Diokletian brutal durchgesetzt wurden, hörten unter Kaiser Konstantin (313/324 n.Chr.) auf und dieser bekannte sich immer mehr zum Monotheismus. In der Zeit stritten die verschiedenen christlichen Gruppen wie Donatisten, Arianer und Orthodoxe untereinander. Als Augustinus am 13. November 354 in Thagaste, dem heutigen Souk Ahras in Ostalgerien, geboren wurde, war die katholische Kirche dabei, sich zu etablieren und später trug er als Bischof von Hippo wesentlich dazu bei.

Seine Eltern erhofften sich für ihren Sohn eine gute Ausbildung und so ging Augustinus nach der Schule und Ausbildung in Grammatik und Rhetorik zum Universitätsstudium nach Karthago. Dort lernte er als junger Mann nicht nur die Unterrichtssäle sondern auch das ungezwungene Leben der „Großstadt“ kennen. Karthago war die Hauptstadt des africanischen römischen Reiches zu dem Numidien, die Heimat des Augustinus gehörte. Diese damals quirlige Metropole bot mit Theatern, Bädern und anderen Vergnügen eine willkommene Abwechslung. In die Kirchen ging Augustinus „um sich nach Mädchen umzusehen“, vom Gebet zum Einen christlichen Gott hielt er damals nicht mehr viel, nachdem er als 7jähriger eher schlechte Erfahrungen machte, als er Gott um Hilfe anflehte, er „möchte in der Schule keine Schläge mehr bekommen“, diese Hilfe ausblieb und die Eltern ihn überdies noch auslachten.
  
Augustinus selbst war nicht von Beginn an Christ katholischen Glaubens, wie es seine Mutter Monnica für ihn erhofft hatte. Sie selbst bekannte sich sehr früh zum Katholizismus, doch ihr Glück erfüllte sich erst kurz vor ihrem Tod in Italien. Hier bekehrte sich ihr Sohn Augustinus nach langem Zweifeln, Unsicherheit, Unwohlsein und innerer Unzufriedenheit zum katholischen Glauben.
Vorher war er vom Manichäertum überzeugt und überzeugte viele seiner Freunde, sehr zu seinem späteren Bedauern, als er sie wieder zum Katholizismus bekehren wollte und dies nur teilweise vermochte.
Augustinus Sohn Adeodatus (d.h. von Gott geschenkt), den er sehr schätzte und Alypius, sein Freund und späterer Bischof von Thagaste bekehrten sich  mit ihm 387 in der Nähe von Mailand.
Bevor Augustinus in seine Heimat Africa zurückkehrte und dort ab 395 als Bischof in Hippo wirkte,  fanden seine Mutter, die spätere heilige Monnica, und sein Sohn Adeodatus den Tod.

In dieser Zeit gab es viel mehr christliche Glaubensgemeinschaften in Nordafrika, wie z.B. die Donatisten, deren Mitgliederzahlen, zeitweise die der Katholiken überstiegen. Mit ihnen schrieb und stritt sich Augustinus um Auslegungsfragen. Dazu kamen die Pelagonier und mit den Goten  und Vandalen die arianische Glaubensvorstellung.
Er schrieb unzählige Bücher und Briefe um Zweifler zu mahnen und zur wahren Kirche zurückzukehren, Freunden Trost auszusprechen, Bittstellern zu Glaubensfragen zu helfen. Er diskutierte mit seinen Bischofkollegen in Jerusalem und Bethlehem genauso wie mit jenen in den 208 Diözesen im heutigen Tunesien, Algerien und Libyen.

Man kann sich heute kaum vorstellen, welches Arbeitspensum Augustinus absolvierte. Täglich, manchmal Tag und Nacht, schrieb er an seinen Büchern, beantwortete Briefe, antwortete auf Bücher seiner Gegner mit Kommentaren aus denen oft ebenfalls Bücher wurden. Gleichzeitig war er als Bischof von Hippo Vorstand einer der größten katholischen Gemeinden, die neben Karthago in Tunesien und dem heutigen Cherchell auch in Algerien die einflussreichsten des römischen Reiches waren. Er erhielt Briefe von Päpsten und Kaisern, gab Bibelerklärungen, gute Ratschläge für friedliche Auseinandersetzungen anstatt Kriege.
Er legte eine umfangreiche Bibliothek seiner und anderer Werke an, reiste zu Konzilen oder zum Kaiser nach  Ravenna, um Einfluss zur Begnadigung oder zumindest Abkehr von der Todesstrafe zu erwirken.

In seinem letzten Lebensabschnitt hatte er es mit Veränderungen zu tun, die kriegerischer Art waren, wie 410 die Überfälle der Goten in Rom, die er als Strafe Gottes über die römische Götterverehrung ansah. Tausende Römer flohen nach Nordafrika.
Die Einwanderung der Vandalen und Sueben, die 429 auf afrikanischen Boden im heutigen Marokko ankamen, erlebte er direkt mit. Seine Bitte, Gott möge ihn zu sich holen, bevor die Vandalen nach Hippo kamen, wurde 430 erhört und so lebte der große Bischof nicht mehr als Hippo 431 und Karthago 439 eingenommen wurden.

Augustinus beeindruckendes Erbe
Das Buch besteht aus einem Vorwort des Herausgebers über das Interesse an Biographien und einem des Autors mit beeindruckenden Zahlen. Demnach hielt Augustinus 8000 Predigten, von denen heute noch 559 erhalten sind. Er hinterließ ein „Bergwerk“ von Schriften mit etwa 5,2 Millionen Wörtern, zum Vergleich werden Platon mit 600000 und Aristoteles mit 875000 Wörtern angeführt, die von Augustinus bei weitem übertroffen werden. Der Philosoph Karl Jaspers meinte dazu: „Es ist, als ob Augustinus jeden Tag geschrieben hätte und nun der Leser ein ebenso langes Leben zum Lesen wie Augustinus zum Schreiben brauche“.
Im Nachwort informiert der Autor über den heutigen Stand der Literatur über Augustinus, die Erweiterung der Forschung und die Augustinerklöster, von denen es Frauen- und Männerorden gibt.
Interessant ist auch, dass es heute weltweite Augustinerorden und wissenschaftliche Augustinus-Institute gibt, die sich mit den rund 15000 mittelalterlichen Handschriften, die sich bis heute erhalten haben, beschäftigen. Die Mönchsregeln, die der hl. Augustinus seinen Nachfolgern auferlegte, haben über hundert Orden beeinflusst, dazu gehören unter anderen auch die Augustiner-Barfüßer oder der Birgittinnenorden. Das Zentrum für Augustinus-Forschung ist in Würzburg.

In 17 Kapiteln wird das Leben von der Kindheit bis zum Tod des Kirchenvaters erzählt. Es folgen Anmerkungen, Bibliographie, Register und eine Zeittafel.

Autor:
Professor Dr. Dr. Klaus Rosen lehrte Alte Geschichte an den Universitäten in Pretoria, Freiburg, Eichstätt und Bonn, bevor er 2002 emeritierte. Er ist Mitglied der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und Künste.
Bei der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft sind von Professor Rosen weitere Bücher erschienen: „Ammianus Marcellinus. Erträge der Forschung“ (1982) und „Griechische Geschichte erzählt. Von den Anfängen bis 338 v. Chr.“ (2006)


Fazit:
Ein beeindruckendes Buch über einen der größten und einflussreichsten Kirchenväter, der die katholische Kirche entschieden mitgeprägt hat. Der Autor Professor Dr. Dr. Klaus Rosen beschreibt das Leben und Wirken anschaulich und man erhält interessante Erkenntnisse über die katholischen Kirche in Nordafrika und Rom, religiöse christliche Gruppen, römische Göttervorstellungen und Manichäer, mit denen sich Augustinus auseinandersetzte. Immer wieder kommt der Bischof selbst zu Wort, wenn aus den großen Werken „Bekenntnisse“, „Gottesstaat“ und anderen zitiert wird und es wird klar, warum Rosen den Untertitel „Genie und Heiliger“ beifügte.
„Nimm und Lies“ - so lautet die Bitte im Umschlagtext, die dem heiligen Augustinus den entscheidenden Anstoß zur großen Wende seines Lebens gab. Auch der Autor wünscht sich für seine Augustinus-Biographie dieses Motto.