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Dienstag, 14. Juli 2020

Rezension: Afrika, in Ketten

Die andere Bibliothek
Rezension

ALBERT  LONDRES

AFRIKA,  IN  KETTEN


Albert Londres (1884 - 1032) sieht sich als „Reporter und nichts als das“.
Umso erschütterter ist er über die Reaktionen, die seine Reportagen über Westafrika in der Zeitung „Le Petit Parisien“ und sein Buch auslösten. 1928 war er vier Monate in den französischen Kolonien unterwegs und jeden Tag wurden seine Berichte auf der Titelseite veröffentlicht.
Er wurde beschimpft als gemeiner Journalist, Verächter Frankreichs, Lügner, Verräter, Zuhälter, Mestize u.a.
Und dies, obwohl er seinen Beruf als investigativer Journalist auf der „Suche nach der Wahrheit“ sieht und nicht „darin, jemanden nach dem Munde zu reden“.

Das Buch ist in zwei Teile gegliedert. Schwarz und weiß. Die Wahrheit über Afrika besteht aus der Einleitung, 28 Kapitel und einem Epilog, in dem er seine Erkenntnisse zusammenfasst. Der zweite Teil, Hätte Dante das gesehen, beschreibt die Situation in den nordafrikanischen Straflagern.

Die Suche nach der Wahrheit führte Albert Londres 1928 nach Französisch-Westafrika. In Dakar (Senegal) ging er an Land und reiste mit dem Zug nach Bamako. Von dort nach Timbuktu, mit dem Schiff auf dem Niger nach Mopti (alle Mali), nach Ouagadougou, Bobo Diolassu (beide heute Burkina Faso), weiter auf neuen, von Westafrikanern gebauten Straßen zur Elfenbeinküste (Côte d’Ivoire) und Dahomey (heute Benin). Mit dem Schiff ging es weiter nach Gabun und Kongo, das später Zaire und heute Republik Kongo heißt.

Im Kongo wollte sich Londres über den Fortschritt des Baus der „Kongo-Ozean-Bahn“ informieren und erlebte eine Tragödie. Die Bahn sollte den Hafen Pointe-Noire mit der Hauptstadt Brazzaville (502 km) verbinden. Bislang mussten Reisende über das belgische Kongo einreisen, (eine „Zumutung“ für Franzosen!) um in den französischen Kongo zu gelangen.

Auf dieser viermonatigen Reise erfuhr er den tatsächlichen Zustand der Kolonie, der in offiziellen Berichten des Kolonialministeriums als „auf das Beste bestellt“ zu optimistisch dargestellt wurde. Obwohl er nicht gegen den Kolonialismus an sich war, deckte Londres die Tatsachen vor Ort auf und bemerkte, dass „wir nur versuchsweise zivilisieren“ und dass die „Schuldigen im Mutterland und nicht in den Kolonien zu suchen seien“.

Auf seinem Weg vom Senegal zum Kongo erlebte und sah Albert Londres die Wirklichkeit des Zustandes der Kolonien und war entsetzt, aufgebracht, erschüttert, entrüstet, wütend.
Bei einer früheren Reise wurde ihm der Ausstieg in Dakar verwehrt, weil dort das Gelbfieber ausgebrochen war. Da diese Nachricht gar nicht in Frankreich ankam, wusste niemand von den vielen Opfern der Krankheit und es wurden keine Medikamente geschickt.
1928 wurde er gleich belehrt als er einen Träger anmieten wollte: „Träger ? … Sie haben wohl den Größenwahn ? Im Senegal sind die Schwarzen keine Träger, sondern Wähler“ !! (Ein Fortschritt)
Das neue Postgebäude war fertig gebaut, aber wo sind die Leute in den Cafés, die alten Terrassen vor den Cafés waren leer oder verschwunden - eine Vorsichtsmaßnahme, man hatte noch Angst vor dem Gelbfieber.

Offiziell war die Sklaverei abgeschafft, aber noch 1928 stand in den Zeitungen, dass England in Sierra Leone 230.000 Sklaven freigelassen hat. Diese Engländer! - doch auch Spanien, Portugal und Belgien hatten noch Sklaven und überhaupt „gab es nichts anderes als Sklaven in den Kolonien“, stellte Londres erschüttert fest. Nur jetzt zahlten sie Steuern, ohne die Frankreich nicht überleben würde (so ähnlich bis heute). Jetzt wurden die Afrikaner als Arbeiter eingesetzt und ausgebeutet für den Straßen-, Kanal- und Eisenbahnbau. Anstatt Maschinen für den Bau einzusetzen (wie es die Engländer machten), die Geld kosteten, wurden lieber Afrikaner geschunden, bis sie tot umfielen - Bananenmotor statt Dieselmotor! Das war billiger, denn an Menschen fehlte es nicht. Wer konnte, rettete sich in die englischen Kolonien, wo es angeblich besser war. („In Afrika dienen alle.“)
Immer wieder zeichnete der Reporter dieses Bild, egal wo er hinkam, die Opfer waren gewaltig.

Das aktuelle Projekt, das Londres selbst sehen wollte und nicht, wie sein Landsmann André Gide nur darüber schrieb, ohne es gesehen zu haben, war der Bau der „Kongo-Ozean-Bahn“, der Tragödie, die den französischen Zeitungsleser die Realität der Kolonien vor Augen führte. „Das große Sterben“ für 502 Kilometer! Aus den kolonisierten Ländereien wurden die Männer zusammengezogen. Sie wurden nicht per Bahn, Lastwagen oder Schiff nach Kongo gebracht, sondern mussten zu Fuß durch die afrikanische Hitze gehen. Von 8000 geforderten Männern kamen nur 1700 an. Um den Verlust zu ersetzen, wurden wieder Leute in den Dörfern rekrutiert, aber die Männer flohen vorher schon. Von den 500 km waren erst 200 km fertig und schon 17.000 Menschen gestorben !!!
Kein Wunder, dass rund 3 Millionen Afrikaner vor den desaströsen Arbeitsmethoden aus den französischen Kolonien flohen.

Ein, bis heute aktuelles Thema, ist das (illegale) Holzfällen in den afrikanischen Regenwäldern. Die Tropenhölzer wurden 1928 von Hand aus dem dichten Wald herausgezogen. “Ich folgte den Schreien und sehe Entsetzliches: Hundert nackte, an einen Baumstamm angeseilte Schwarze versuchen diese fortzuziehen. …. Der Aufseher schlägt den Takt dazu mit seiner Pfeife.“

„Trotzdem wird in der ganzen Welt behauptet, dass es keine Sklavenhändler mehr gibt.“

Albert Londres traf viele Franzosen, die in die Kolonien versetzt wurden und so schnell wie möglich wieder zurück wollten, andere, die Geschäfte aller Art abwickelten und sogar welche, die Westafrika gar nicht mehr verlassen wollten. Auch über sie berichtet er in diesem Buch.

Im Epilog des ersten Teils fasst Albert Londres anschaulich die Methoden Frankreichs zusammen und lässt eine überraschte Leserschaft zurück, die von den kolonialen Machenschaften nichts wusste (oder wissen wollte), denn offiziell wurden die entsetzlichen Dinge, die der Journalist aufdeckte und den rund 2 Millionen Lesern des Petit Parisien täglich auf der ersten Seite präsentierte, unter den Teppich gekehrt und bei offiziellen Besuchen von „Politikern oder bedeutenden Reisenden gutes Essen serviert“  und nichts vom eigentlichen Zustand der Kolonien gezeigt, dessen Verantwortung allein das französische Mutterland trägt.


Der zweite Teil des Buches beschäftigt sich mit dem Zustand der Straflager des Militärs in Marokko, Algerien und Tunesien, genannt Biribi.
In diesen Straflagern waren rund 3500 Verurteilte, manche unschuldig, die meisten schuldig. Sie kamen aus dem  afrikanischen Bataillonen, dem französischen Korps, der Rheinarmee, der syrischen Armee und dem chinesischen Regiment. Ihre Vergehen: „Desertion, Waffenverweigerung, mutwillige Beschädigung von Kleidung, Diebstahl, Übergriffe auf Personen, Ungehorsam, Beleidigung von Vorgesetzten.“ Die größte Macht über diese Gefangenen hatten die Unteroffiziere, Feldwebel oder Hauptfeldwebel, die ihre Launen an den Gefangenen ausließen. Albert Londres lässt die Insassen zu Wort kommen und zeigt die Verwahrlosung in den Lagern.

Ein Nachwort haben Irene Albers und Wolfgang Struck geschrieben. Am Ende ist eine Titelseite der Zeitung „Le Petit Parisien“ abgedruckt.

Autor
Albert Londres (1884–1932) war ein französischer Journalist. Im ersten Weltkrieg berichtete er für die Zeitschrift „Le Matin“ als Kriegsberichterstatter, für andere Tageszeitungen und das vielgelesene „Le Petit Journal“, womit seine Bekanntheit zunahm. Bereits 1923 berichtete Londres über den Rassismus in Guyana.  
Von Albert Londres’ Ruhm zeugt in Frankreich bis heute der nach ihm benannte Journalismuspreis, der renommierteste des Landes, der alljährlich für die beste Reportage vergeben wird. In der Anderen Bibliothek erschien von ihm: Ein Reporter und nichts als das (Band 348).

Fazit:
Ein überaus interessantes Buch, das Tatsachen aufdeckt, die wohl in jeder Kolonie üblich waren. Gerade jetzt, wo die Diskussionen über Rassismus und Kolonialismus zunehmen, trägt es zur Information und Aufklärung bei.
Das Thema des Kolonialismus ist so brisant, dass 2005 der damalige Präsident Nicolas Sarkozy versuchte „per Gesetz eine positive Darstellung des französischen Kolonialismus in  Schulbüchern [zu] verordnen.“ Absolut lesenswert.


Mittwoch, 5. September 2018

Rezension: Der vierte Spiegel

HWS
Rezension

Cluse Krings

Der vierte Spiegel                   

Der letzte Emir der Omayyaden, Abderrahmane ist nach einer abenteuerlichen Flucht aus Damaskus, die im ersten Band ausführlich beschrieben wird, in Ifriqiya (dem heutigen Tunesien) angekommen.
Die Familie seiner Mutter, die als Sklavin nach Syrien an den Hof gebracht wurde, hat ihn und seine Begleiter aufgenommen. Nun lebt er mit ihnen einige Jahre und lernt die Sitten und Gebräuche der Nafsa-Berber kennen.

In Syrien hatten die Abbasiden die Omayyaden vom Kalifenamt und der Macht vertrieben, in dem sie alle Mitglieder der Familie ermordeten, außer Abderrahmane und zwei Brüder, die nicht an dem letzten Bankett teilnahmen, bei dem das Gemetzel stattfand.

Nun erfährt Abderrahmane, dass der Führer der Abbasiden nicht mehr lebt. Er muss sich nicht mehr verstecken. Mit den Amazigh seiner Familie kann er sich nicht recht anfreunden, zu fremd ist ihm die Kultur der Berber in der Nordsahara. Er sendet seinen Diener in das heutige Andalusien, wo dieser die Ankunft des letzten Omayyaden-Emirs vorbereitet.

In Andalusien haben sich schon früher einige Omayyaden niedergelassen und Abderrahmane hofft auf deren Unterstützung bei seiner Ankunft. Die Situation vor Ort ist verwirrend, denn die vielen Gruppen - Goten, Amazigh, Araber, Juden, Christen und Muslime, Sunniten, Schiiten - wollen sich nicht einigen.
Abderrahmane wird von seinem Diener als künftiger Emir von Al Andalus, Befehlshaber der Gläubigen von Al Andalus angekündigt, aber seine Ankunft auf der iberischen Halbinsel verläuft eher ruhig als mit Prunk. Nachts landet das Schiff an der Küste, mit dem er das Mittelmeer überquert und die kleine Karawane mit den Neuankömmlingen und Begleitern macht sich eher heimlich und vorsichtig auf den Weg in das Landesinnere.

Zu verworren ist die Lage und ob alle Gruppen sich zu Abderrahmane hinwenden ist fraglich. Er muss sich auf viele neue Ratgeber verlassen, aber ist sich nicht sicher, ob er auch allen vertrauen kann.
Zwischen dem aktuellen Herrscher Jusuf und seinem General al-Sumail herrschen Spannungen und jeder will regieren. Da kommt Abderrahmane gerade recht, aber dieser hält zunächst nicht viel von Schlachten, sondern bemüht sich mit Verhandlungen die uneinigen Gruppen hinter sich zu sammeln. So werden seine Anhänger auf dem Weg nach Cordoba immer zahlreicher. Seine Begleiter allerdings nutzen die Ankunft des letzten Omayyaden zur Vorbereitung auf eine große Schlacht und mit List wird das Heer von Jusuf geschlagen.

Nach und nach einigt Abderrahmane das Land und verteidigt es gegen erneute Angriffe der Abbasiden, Karolinger und rachsüchtigen Gegnern im eigenen Land.
Nach über 20 Jahren an der Macht zieht Abderrahmane ein gemischtes Resümee. Sein Sohn Hischam I. wird 788 Nachfolger sein auf dem Thron.
Am Ende seiner Regierungszeit lässt er die heute berühmte Moschee von Cordoba bauen, dessen Fertigstellung er nicht mehr erlebt.

Autor:

Cluse Krings, geboren 1959 in Aachen, lebt und arbeitet in Berlin, München und Almeria. Er ist ein deutscher Autor, Theatermann, Ethnologe und Journalist. 2008 veröffentlichte Cluse Krings den ersten Band einer Roman-Biographie über Abd ar-Rahman I., den ersten Emir von Córdoba, unter dem Titel Die vier Spiegel des Emirs von Córdoba. Zwischen 2011 und 2013 erarbeitete er den Soundtrack für das Hörbuch Der Emir von Córdoba mit Musikern aus Berlin, Kairo und Andalusien. 2014 erschienen zeitgleich das Hörbuch und ein Album mit einer Musikauskopplung des Hörbuchs unter dem Titel New Andalusian Music. Seit Mitte der 2010er Jahre nutzte Cluse Krings seine Erfahrungen aus mehr als 20-jähriger Forschung zum aufgeklärten Islam Andalusiens für die Arbeit mit jungen Flüchtlingen. Er hält Vorträge über den Umgang von Therapeuten und Ärzten mit Menschen aus fremden Kulturen. Politisch vertritt er die These, dass die zunehmend ablehnende Haltung gegenüber Flüchtlingen in Teilen der Bevölkerung von Politik und Medien systematisch erzeugt wurde. (Quelle: Wikipedia)


Fazit:
Dass das zweite Buch die Fortsetzung des ersten Bandes ist, erkennt man bereits an der Seitennummerierung, die fortlaufend ist und nach 1158 Seiten endet die Geschichte. Ebenso interessant ist auch die Entstehung, die Cluse Krings im Anhang unter dem Titel „Dichtung und Wahrheit“ auf über 40 Seiten detailliert erläutert. Nach 20jähriger Arbeit liegt nun ein sehr ausführliches Buch vor, das das Leben des letzten Omayyaden-Emirs Abderrahmane I. (ca. 730 - 788) nachzeichnet, von dem man kaum mehr wussste, als das er vor den Abbasiden nach Spanien geflohen war. Und doch fand der Autor bei seinen Recherchen viele historische Quellen und die meisten Personen, die im Buch eine größere Rolle spielen, sind historisch belegt.

Der Autor stellt den Beginn des Mittelalters durch die Beschreibung der Gegebenheiten im 8. Jahrhundert wie Sitten und Gebräuche der Einheimischen, Klima, Vegetation und Landschaft bildhaft vor. Die über Jahrhunderte mündlichen Überlieferungen finden sich, zusammen mit Erkenntnissen durch Ausgrabungen und Forschungen aus neuerer Zeit im Text wieder.
Das ausführliche Glossar und die Literaturhinweise komplettieren die interessante und spannende Biographie.
Das Buch ist eher ein romanhaftes Sachbuch als ein Historienroman, manchmal etwas langatmig, aber durchaus flüssig zu lesen, lehrreich und empfehlenswert.




Donnerstag, 14. Januar 2016

Rezension: Friedrich Rückert


Wallstein
Rezension


Annemarie Schimmel (Hrsg: Rudolf Kreutner)

FRIEDRICH  RÜCKERT
Lebensbild und Einführung in sein Werk

Ein Philologe beschäftigt sich aus „Liebe zur Sprache“ übersetzend, sprachwissenschaftlich und lehrend mit der Literatur eines Landes, der Orientalist spezialisiert sich dabei auf Sprachen des Nahen und Fernen Ostens. Friedrich Rückert tat dies mit 44 Sprachen, darunter Afghanisch, Altäthiopisch, Koptisch, Berbersprachen, Sanskrit oder Malaiisch! Obwohl er betonte, dass er eigentlich nur deshalb Orientalist wurde, „weil ein Poet keine Familie ernähren kann“, und diese Familie war groß. Mit seiner Frau Luise hatte er 10 Kinder, wovon drei ganz jung starben. Vor allem für sie dichtete er die „Kindertodtenlieder“.
Am 31. Januar 2016 jährt sich der Todestag des großen Dichter-Gelehrten zum 150. Mal. Aus diesem Anlass veranstaltet die Friedrich Rückert Gesellschaft e.V. in Schweinfurt, Erlangen und Coburg Ausstellungen, Lesungen, Vorträge und Konzerte. Sie verwaltet den immensen Nachlass des Dichters.

Im Wallstein Verlag wurde das Buch der Islamwissenschaftlerin Prof. Annemarie Schimmel (1922-2003) „Friedrich Rückert - Lebensbild und Einführung in sein Werk“ von Rudolf Kreutner, Geschäftsführer der Friedrich-Rückert-Gesellschaft, neu aufgelegt und nun veröffentlicht.

In dem Buch zeichnet die Autorin im ersten Teil den Lebensweg dieses bedeutenden Dichters und Orientalisten  nach. Er wurde am 16. Mai 1788, ein Jahr vor der französischen Revolution in Schweinfurt geboren. Zwölf Jahre zuvor erklärte Amerika seine Unabhängigkeit. Rückert erlebte schon früh unruhige Zeiten mit der Einnahme Frankens durch Bayern 1806, den deutschen Freiheitskriegen 1812-13, den Ägyptenfeldzug Napoleons und dessen Eroberungen. Er stellte sich dichtend und schreibend gegen Napoleon (Geharnischte Sonette 1814). Zuvor hatte er bereits Hebräisch, Syrisch und Persisch an der Universität in Würzburg studiert. 1817 unternahm er eine Reise über die Schweiz nach Italien, die fast ein Jahr dauerte. Über Florenz und Venedig reiste er nach Wien und lernte bei dem berühmten Orientalisten Joseph von Hammer-Purgstall Arabisch und etwas Türkisch. Dieser Aufenthalt war für Rückert sehr fruchtbar, denn hier wurde er in die „Übersetzungen aus dem islamischen Kulturkreis“ eingeführt.

Von 1826 bis 1841 lehrte Friedrich Rückert als ordentlicher Professor der orientalischen Sprachen an der Universität in Erlangen, der Lehrstuhl wurde erst 1795 in Paris von dem französischen Orientalisten Silvestre de Sacy gegründet. Sechs seiner zehn Kinder wurden in Erlangen geboren. 1838 erschienen seine Werke „Rostam und Suhrab“ aus dem Königsbuch. Während dieser Zeit musste Rückert mehrere schwere Schicksalsschläge hinnehmen. Zwei Kinder starben an Scharlach, ebenso starb 1835 seine jüngere Schwester Maria, im selben Jahr auch seine Mutter.
1859 wurde Friedrich Rückert Ehrenmitglied im  „Pegnesischen Blumenorden“ der Nürnberger Sprach-  und Literaturgesellschaft.

Von 1841 bis 1848 lehrte Friedrich Rückert in Berlin, bevor er sich auf seinem Landgut in Neuses bei Coburg in den Ruhestand begab und auf dem Goldberg in sein Refugium zurückzog. Seine Dichtungen und orientalischen Studien setzte er fort.
Am 31. Januar 1866 starb Friedrich Rückert in Neuses bei Coburg.

Der zweite Teil beschäftigt sich mit den Werken des Orientalisten und Dichters.
Friedrich Rückerts Zeitgenossen waren u.a. Goethe, Schiller, Herder, Jean Paul, von Eichendorff und Gustav Schwab (Griechische Heldensagen). Die „deutsche Literatur hatte ihren Höhepunkt erreicht“. Antoine Gallands Übersetzung der „Märchen aus 1001 Nacht“ in das Französische löste Anfang des 18. Jahrhunderts eine Morgenland-Begeisterung aus. Das Bild des „blinden Hasses gegen den Islam“, das sich gerade, nach 200 Jahren, leider erneut wiederholt, wurde durch die Aufklärung neu geformt.
Dichter, Maler, Musiker und Reisende lösten eine verklärende Begeisterung für den romantischen Orient aus. Goethe widmete sich
Hafiz und dem „West-Östlichen Diwan“, Rückerts Antwort darauf war sein Gedichtband „Östliche Rosen“ (1822) in Form der persischen Ghaselen nach Hafiz, eigentlich Hadj Shams ad-Din Mohammad Hafez-e Shirazi (1320-1389).

Friedrich Rückert konnte sich aufgrund seines Talentes zum Dichten  in die Gedichtformen anderer Sprachen sehr gut hineindenken. Er übersetzte meisterhaft die kompliziertesten Kompositionen der persischen und arabischen Dichter unter Beibehaltung der originalen Wortspiele. Besonderen Wert legte Rückert auf die persische und arabische Versform der Ghaselen. Diese benutzten persische Poeten wie Hafiz  und Dschalalluddin Rumi, deren Werke er übertrug oder nachdichtete. Aus dem Koran übersetzte er Teile. Er übersetzte „Sa’adis Bostan“ (Der Duftgarten) von Muscharraf ad-Din Abdullah (um 1190-um 1292), genannt Sa‘adi und das persische Königsbuch „Schahname“ von Firdosi.

1838 und 1839 erschien sein großes Lehrgedicht „Die Weisheit des Brahmanen“ in sechs Bänden. Eines seiner Meisterwerke ist die Übertragung und Nachdichtung der „Verwandlungen des Abu Seid von Serug“ oder „Makamen des Harari“ aus dem Arabischen, von dem Silvestre de Sacy anerkennend bemerkte: „Dank Ihnen wird nun jemand, der Deutsch kann, nicht mehr Arabisch zu lernen brauchen, um sich eine rechte Vorstellung zu machen, was es in dieser Art an orientalischen Werken gibt“.

Friedrich Rückerts Anliegen war die Völkerverständigung in Ost und West, zu der er mit seinen Übersetzungen und Nachdichtungen entscheidend beitrug:

„Dass über Bildung Gang
die Menschheit sich verständige,
dazu wirkt jeder Urweltsklang,
den ich verdeutschend bändige.“

Autorin:
Annemarie Schimmel (1922-2003) war eine der bedeutendsten Islamwissenschaftlerinnen Deutschlands. Sie lehrte in u.a. Bonn, Ankara und Harvard und erhielt neben anderen 1965 den Friedrich-Rückert-Preis und 1995 den Friedenspreis des deutschen Buchhandels. Zahlreiche Bücher zum Islamverständnis sind von ihr erschienen, sie beschäftigte sich auch mit dem Sufismus und gab 2002 eine Einführung in die islamische Mystik heraus.

Fazit:
Das Buch gibt einen sehr interessanten Einblick in die Welt des Poeten, Philologen und Orientalisten Friedrich Rückert und zeigt, wie nah der Orient zu seiner Zeit in Europa war. Jeder hatte die Möglichkeit seine Bücher zu kaufen, doch das Interesse schien sich schon damals in Grenzen zu halten, wie er beklagte. Wer sich für die Übersetzungen, Nachdichtungen oder eigenen Werke des Dichter-Gelehrten interessiert, erfährt hier einen guten Überblick über die Schaffenskraft Friedrich Rückerts. Im Anhang werden Rückerts Werke und weiterführende Literatur aufgelistet.
Ein lesens- und empfehlenswertes Buch zum Rückert-Jahr 2016. 


Montag, 11. Januar 2016

Friedrich Rückert

Wallstein

Annemarie Schimmel (Hrsg: Rudolf Kreutner)

FRIEDRICH  RÜCKERT
Lebensbild und Einführung in sein Werk

Zum 150. Todestag von Friedrich Rückert am 31. Januar 2016: Die Neuausgabe von Annemarie Schimmels grundlegender Biographie.

Der Dichter und Orientalist Friedrich Rückert (1788-1866) war einer der frühesten Vermittler arabischer und persischer Dichtung in Deutschland. Als Gelehrter und Übersetzer nah- und fernöstlicher Lyrik hat er der deutschen Sprache »einen Schatz geschenkt, den keine andere Sprache besitzt« (Annemarie Schimmel).

Auch Rückerts eigenes poetisches Werk ist erstaunlich: Sein (aus dem Nachlass veröffentlichtes) Liedertagebuch ist das größte Poesiewerk des 19. Jahrhunderts. Gustav Mahlers Vertonung der berührenden Kindertotenlieder machte diese Gedichte zum deutschen Kulturerbe.
 Die Islamwissenschaftlerin Annemarie Schimmel hat die Stationen von Rückerts Leben nachgezeichnet und sein Werk für heutige Leser erschlossen.  


Autorin
Annemarie Schimmel (1922-2003) war eine der bedeutendsten Islamwissenschaftlerinnen in Deutschland. Sie lehrte u. a. in Harvard, Ankara und Bonn und wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u. a. dem Friedrich Rückert Preis (1965) und dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels (1995). Veröffentlichungen u. a.: Ein Buch namens Freude. Gedichte von Frauen aus der islamischen Welt (2004); Sufismus. Eine Einführung in die islamische Mystik (2000).

Herausgeber
Rudolf Kreutner, geb. 1954, ist Historiker und Kustos des Rückert-Nachlasses in Schweinfurt sowie Geschäftsführer der Rückert-Gesellschaft. Er hat zahlreiche Beiträge zu Friedrich Rückerts Leben und Werk veröffentlicht. (Verlagstext)


Annemarie Schimmel
Friedrich Rückert
Herausgegeben von Rudolf Kreutner
Hardcover mit Schutzumschlag
16 Abbildungen,
Format 12,5 x 21 cm
158 Seiten
Euro 16,90 inkl. MwSt.   Buch kaufen

Mittwoch, 24. Juni 2015

Rezension Augustinus - Genie und Heiliger

Augustinus Biographie

Rezension

KLAUS  ROSEN

AUGUSTINUS  -  GENIE  UND  HEILIGER          
Eine historische Biographie

Wer heute im lauschigen Biergarten ein Augustiner-Weizen genießt, oder eines der vielen Augustinerklöster oder Augustinerkirchen besucht, denkt schon daran, dass der Namensgeber, der heilige Augustinus, einer der einflussreichsten Kirchenväter und Bischof von Hippo Regius, dem heutigen Annaba in Nordalgerien war.

Aurelius Augustinus lebte von 354 bis 430 n. Chr. als Nordafrika als Africa proconsularis zum Römischen Imperium gehörte. Die Christenverfolgungen, die unter seinem Vorgänger Diokletian brutal durchgesetzt wurden, hörten unter Kaiser Konstantin (313/324 n.Chr.) auf und dieser bekannte sich immer mehr zum Monotheismus. In der Zeit stritten die verschiedenen christlichen Gruppen wie Donatisten, Arianer und Orthodoxe untereinander. Als Augustinus am 13. November 354 in Thagaste, dem heutigen Souk Ahras in Ostalgerien, geboren wurde, war die katholische Kirche dabei, sich zu etablieren und später trug er als Bischof von Hippo wesentlich dazu bei.

Seine Eltern erhofften sich für ihren Sohn eine gute Ausbildung und so ging Augustinus nach der Schule und Ausbildung in Grammatik und Rhetorik zum Universitätsstudium nach Karthago. Dort lernte er als junger Mann nicht nur die Unterrichtssäle sondern auch das ungezwungene Leben der „Großstadt“ kennen. Karthago war die Hauptstadt des africanischen römischen Reiches zu dem Numidien, die Heimat des Augustinus gehörte. Diese damals quirlige Metropole bot mit Theatern, Bädern und anderen Vergnügen eine willkommene Abwechslung. In die Kirchen ging Augustinus „um sich nach Mädchen umzusehen“, vom Gebet zum Einen christlichen Gott hielt er damals nicht mehr viel, nachdem er als 7jähriger eher schlechte Erfahrungen machte, als er Gott um Hilfe anflehte, er „möchte in der Schule keine Schläge mehr bekommen“, diese Hilfe ausblieb und die Eltern ihn überdies noch auslachten.
  
Augustinus selbst war nicht von Beginn an Christ katholischen Glaubens, wie es seine Mutter Monnica für ihn erhofft hatte. Sie selbst bekannte sich sehr früh zum Katholizismus, doch ihr Glück erfüllte sich erst kurz vor ihrem Tod in Italien. Hier bekehrte sich ihr Sohn Augustinus nach langem Zweifeln, Unsicherheit, Unwohlsein und innerer Unzufriedenheit zum katholischen Glauben.
Vorher war er vom Manichäertum überzeugt und überzeugte viele seiner Freunde, sehr zu seinem späteren Bedauern, als er sie wieder zum Katholizismus bekehren wollte und dies nur teilweise vermochte.
Augustinus Sohn Adeodatus (d.h. von Gott geschenkt), den er sehr schätzte und Alypius, sein Freund und späterer Bischof von Thagaste bekehrten sich  mit ihm 387 in der Nähe von Mailand.
Bevor Augustinus in seine Heimat Africa zurückkehrte und dort ab 395 als Bischof in Hippo wirkte,  fanden seine Mutter, die spätere heilige Monnica, und sein Sohn Adeodatus den Tod.

In dieser Zeit gab es viel mehr christliche Glaubensgemeinschaften in Nordafrika, wie z.B. die Donatisten, deren Mitgliederzahlen, zeitweise die der Katholiken überstiegen. Mit ihnen schrieb und stritt sich Augustinus um Auslegungsfragen. Dazu kamen die Pelagonier und mit den Goten  und Vandalen die arianische Glaubensvorstellung.
Er schrieb unzählige Bücher und Briefe um Zweifler zu mahnen und zur wahren Kirche zurückzukehren, Freunden Trost auszusprechen, Bittstellern zu Glaubensfragen zu helfen. Er diskutierte mit seinen Bischofkollegen in Jerusalem und Bethlehem genauso wie mit jenen in den 208 Diözesen im heutigen Tunesien, Algerien und Libyen.

Man kann sich heute kaum vorstellen, welches Arbeitspensum Augustinus absolvierte. Täglich, manchmal Tag und Nacht, schrieb er an seinen Büchern, beantwortete Briefe, antwortete auf Bücher seiner Gegner mit Kommentaren aus denen oft ebenfalls Bücher wurden. Gleichzeitig war er als Bischof von Hippo Vorstand einer der größten katholischen Gemeinden, die neben Karthago in Tunesien und dem heutigen Cherchell auch in Algerien die einflussreichsten des römischen Reiches waren. Er erhielt Briefe von Päpsten und Kaisern, gab Bibelerklärungen, gute Ratschläge für friedliche Auseinandersetzungen anstatt Kriege.
Er legte eine umfangreiche Bibliothek seiner und anderer Werke an, reiste zu Konzilen oder zum Kaiser nach  Ravenna, um Einfluss zur Begnadigung oder zumindest Abkehr von der Todesstrafe zu erwirken.

In seinem letzten Lebensabschnitt hatte er es mit Veränderungen zu tun, die kriegerischer Art waren, wie 410 die Überfälle der Goten in Rom, die er als Strafe Gottes über die römische Götterverehrung ansah. Tausende Römer flohen nach Nordafrika.
Die Einwanderung der Vandalen und Sueben, die 429 auf afrikanischen Boden im heutigen Marokko ankamen, erlebte er direkt mit. Seine Bitte, Gott möge ihn zu sich holen, bevor die Vandalen nach Hippo kamen, wurde 430 erhört und so lebte der große Bischof nicht mehr als Hippo 431 und Karthago 439 eingenommen wurden.

Augustinus beeindruckendes Erbe
Das Buch besteht aus einem Vorwort des Herausgebers über das Interesse an Biographien und einem des Autors mit beeindruckenden Zahlen. Demnach hielt Augustinus 8000 Predigten, von denen heute noch 559 erhalten sind. Er hinterließ ein „Bergwerk“ von Schriften mit etwa 5,2 Millionen Wörtern, zum Vergleich werden Platon mit 600000 und Aristoteles mit 875000 Wörtern angeführt, die von Augustinus bei weitem übertroffen werden. Der Philosoph Karl Jaspers meinte dazu: „Es ist, als ob Augustinus jeden Tag geschrieben hätte und nun der Leser ein ebenso langes Leben zum Lesen wie Augustinus zum Schreiben brauche“.
Im Nachwort informiert der Autor über den heutigen Stand der Literatur über Augustinus, die Erweiterung der Forschung und die Augustinerklöster, von denen es Frauen- und Männerorden gibt.
Interessant ist auch, dass es heute weltweite Augustinerorden und wissenschaftliche Augustinus-Institute gibt, die sich mit den rund 15000 mittelalterlichen Handschriften, die sich bis heute erhalten haben, beschäftigen. Die Mönchsregeln, die der hl. Augustinus seinen Nachfolgern auferlegte, haben über hundert Orden beeinflusst, dazu gehören unter anderen auch die Augustiner-Barfüßer oder der Birgittinnenorden. Das Zentrum für Augustinus-Forschung ist in Würzburg.

In 17 Kapiteln wird das Leben von der Kindheit bis zum Tod des Kirchenvaters erzählt. Es folgen Anmerkungen, Bibliographie, Register und eine Zeittafel.

Autor:
Professor Dr. Dr. Klaus Rosen lehrte Alte Geschichte an den Universitäten in Pretoria, Freiburg, Eichstätt und Bonn, bevor er 2002 emeritierte. Er ist Mitglied der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und Künste.
Bei der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft sind von Professor Rosen weitere Bücher erschienen: „Ammianus Marcellinus. Erträge der Forschung“ (1982) und „Griechische Geschichte erzählt. Von den Anfängen bis 338 v. Chr.“ (2006)


Fazit:
Ein beeindruckendes Buch über einen der größten und einflussreichsten Kirchenväter, der die katholische Kirche entschieden mitgeprägt hat. Der Autor Professor Dr. Dr. Klaus Rosen beschreibt das Leben und Wirken anschaulich und man erhält interessante Erkenntnisse über die katholischen Kirche in Nordafrika und Rom, religiöse christliche Gruppen, römische Göttervorstellungen und Manichäer, mit denen sich Augustinus auseinandersetzte. Immer wieder kommt der Bischof selbst zu Wort, wenn aus den großen Werken „Bekenntnisse“, „Gottesstaat“ und anderen zitiert wird und es wird klar, warum Rosen den Untertitel „Genie und Heiliger“ beifügte.
„Nimm und Lies“ - so lautet die Bitte im Umschlagtext, die dem heiligen Augustinus den entscheidenden Anstoß zur großen Wende seines Lebens gab. Auch der Autor wünscht sich für seine Augustinus-Biographie dieses Motto.



Donnerstag, 7. Mai 2015

NEUERSCHEINUNG Augustinus

Zabern

Neuerscheinung

KLAUS  ROSEN

AUGUSTINUS -  Genie und Heiliger

Augustinus (354–430) ist nicht nur einer der vier spätantiken Kirchenlehrer, sondern auch einer der bedeutendsten Philosophen an der Schwelle zwischen Antike und Mittelalter.

Seine von der Platonischen Philosophie beeinflussten Werke sind noch immer umstritten und gleichzeitig hoch aktuell. Kein geringerer als der emeritierte Papst Benedikt XVI. nutzt Augustinus' Ideenwelt als Inspiration für seine eigenen Werke. In dieser Biographie stellt Klaus Rosen Augustinus jedoch erstmals als historische und nicht als theologische oder philosophische Persönlichkeit in den Vordergrund. Er stellt anschaulich dar, welche historischen Begebenheiten das Handeln und Denken des Augustinus prägten. Indem er den Einfluss der antiken Gesellschaft, der Religionsgesetzte, Augustinus’ Auseinandersetzung mit dem Arianismus oder die Auswirkungen der Eroberung seines Bischofssitzes durch die Vandalen zeigt, fügt Rosen unserem Augustinus-Bild zahlreiche neue Aspekte hinzu. (Verlagstext)

Autor
Klaus Rosen, 1937 geboren,  war bis zu seiner Emeritierung Professor für Alte Geschichte an der Universität Bonn.

Klaus Rosen
Augustinus - Genie und Heiliger
Gebunden mit Schutzumschlag
240 Seiten und 10 schwarz-weiß-Abbildungen
Format 14,5 x 22 cm
1.Auflage 2015
Euro 29,95   Buch kaufen

NEUERSCHEINUNG ERICA DE BARY - Eine Biographie

Horlemann

ALMUT  SEILER - DIETRICH 

ERICA  DE  BARY
"Hinter dem Seidenhimmel spannt sich die flockige Nacht wie Zunder"

Erica de Bary (1907– 2007) hatte von Kindheit an zwei Leidenschaften: Literatur und Reisen, vor allem nach Afrika, wo sie menschliche Begegnungen und kulturelle Entdeckungen suchte, die ihr das »alte Europa« nicht bieten konnte. In den dreißiger Jahren schon reiste sie mit ihrem Mann Herbert de Bary mehrere Wochen durch Spanien, nach Skandinavien, Russland und auf den Balkan. Während des Krieges lebte sie in Paris als Mitarbeiterin der »Pariser Zeitung«, verkehrte in Dichterkreisen, wo sie als »Muse« galt. Dort lernte sie auch afrikanische Politiker kennen, die später hohe Posten in ihren Ländern bekleideten, insbesondere Léopold Sédar Senghor und Jacques Rabemananjara, mit denen sie lebenslange Freundschaften pflegte. Nach dem Krieg vermittelte sie französische Kunst nach Frankfurt am Main, wo sie seit ihrer Heirat zu Hause war. Von 1952 bis 1981 unternahm sie fast jährlich ausgedehnte Reisen in verschiedene afrikanische Länder, bis nach Madagaskar. Mit poetischen Impressionen und kritischen Texten begleitete sie die Entkolonialisierung und den Aufbau der jungen afrikanischen Staaten. Als Autodidaktin, ohne den Hintergrund akademischer Institutionen, verwirklichte sie ihre intellektuellen Träume und lebte ihre Leidenschaften mit Mut und Beharrlichkeit bis ins hohe Alter.

Auszug aus dem Buch:
Die erste Begegnung mit der Sahara 1952 in Marokko war prägend gewesen. Auch wenn Erica später noch ein Dutzend afrikanische Länder mit den unterschiedlichsten Landschaften bereiste: die Wüste blieb ihre Leidenschaft. Die Wüste erfüllte alle Erwartungen. Sie war das Urbild der Erde, und die Oasen darin Horte archaischer Lebensformen, die das Ehepaar aus Deutschland teilte, so weit die Gastgeber es zuließen. So wurden sie über Jahrzehnte hinweg Zeugen des Wandels, den auch diese nur scheinbar unwandelbaren Gesellschaften durchmachten.

Autorin
Almut Seiler-Dietrich wurde 1947 geboren und wuchs in Weilburg an der Lahn auf. Von 1961 bis 1963 lebte sie mit ihrem Vater, der für die Unesco tätig war, in Léopoldville (Kinshasa), Republik Kongo, wo sie das Gymnasium der Herz-Jesu-Schwestern besuchte.
Das Studium der Romanistik und Slavistik in Gießen, Freiburg und Heidelberg schloss sie 1970 mit einer Examensarbeit über „neoafrikanische Dichtung“ ab. Danach war sie Mitarbeiterin von Janheinz Jahn bis zu dessen Tod 1973.  1974 legte sie das zweite Staatsexamen ab und arbeitete seitdem als Gymnasiallehrerin für Französisch, Russisch und Spanisch. 1975-76 lehrte sie im Auftrag des UNDP Französisch an der Ecole Nationale d’Administration in Niamey, Niger. Zahlreiche Reisen, die längste zehn Wochen lang, führten sie in die verschiedensten afrikanischen Länder. 2004 wurde sie mit einer Monographie über den madagassischen Dichter Jean-Joseph Rabearivelo Promotion von der Goethe-Universität, Frankfurt am Main, zum Dr. phil. promoviert. Sie hat Lehraufträge an den Universitäten Mainz und Frankfurt wahrgenommen und in zahlreichen Institutionen Vorträge gehalten.
Seit 1971 hat sie ca. 120 Artikel in Zeitungen, Zeitschriften und größere Aufsätze in Sammelbänden veröffentlicht und 40 Skripte für Rundfunksendungen geschrieben.
 Sie publizierte mehrere Bücher zum Thema „Afrikanische Literatur“ in französischen und deutschen Verlagen. Webseite: www.afrika-interpretieren.de
(Verlagstext)

Almut Seiler-Dietrich
Erica de Bary - Eine Biographie
Hardcover mit Schutzumschlag
344 Seiten mit zahlreichen schwarz-weiß-Fotos
1.Auflage 2015
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