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Freitag, 1. Mai 2020

Rezension Roter Staub - Mosambik am Ende der Kolonialzeit

Weidle
Rezension

ISABELA  FIGUEIREDO

ROTER  STAUB

Dass Kolonien von ihren Besatzern „gut“  behandelt werden, ist von jeher eine Erfindung der Besatzer und trifft auch für Portugal zu.

Isabela Figueiredo lebt mit ihren Eltern in Mosambik. Ihr Vater, ein Elektriker, arbeitet mit seinen mosambikanischen Angestellten („die Neger meines Vaters…“, S.43), die er als „bevorzugter“ Weißer schikaniert und schlecht behandelt. Obwohl die Tochter von klein auf mitbekommt, wie sich ihr Vater verhält, liebt sie ihn und lebt auch später mit dem Zwiespalt. Sie erzählt aus der Sicht eines „unschuldigen“ Kindes und dadurch schildert sie die Tatsachen, die sie sieht und hört vielleicht direkter und nüchterner als ein Erwachsener.  

Diese Zeit bis 1975  ist die Endphase der portugiesischen Kolonisation in Mosambik. Bis zu ihrem 12. Lebensjahr lebt Isabela Figueiredo in Lourenço Marques, den neuen Namen der Hauptstadt Maputo bringt sie nur schwer über die Lippen.

Ein typischer Absatz für das Denken der Weißen im Allgemeinen und hier der Portugiesen ist beispielgebend zitiert: „Ein Weißer und ein Neger zählen nicht nur zu verschiedenen Rassen. Die Entfernung zwischen Weißen und Negern glich der, die zwischen verschiedenen Spezies besteht. Sie waren Neger, Tiere. Wir waren Weiße, also Menschen, rationale Wesen….“

„Manjacaze, komm mal nach oben, wir haben etwas für dich. Vielen Dank, Senhora. Stets ein gutes Wort. Manjacaze half mir, an die menschliche Spezies zu glauben, an Menschen, die trotz ihrer Demütigung innerhalb der Hierarchie ihre Würde hochhielten und sie als unsichtbaren, geheiligten Besitz betrachteten.“ (S. 41) Dies ist ein weiteres Beispiel für die Beobachtungen, die Isabela rückwirkend feststellen musste - die Würde hochhalten.

Isabela sah immer mehr die Ungerechtigkeiten, die Ausbeutung der Mosambikaner, die Bereicherung und Bevormundung durch die Portugiesen und mit der Zeit hatte sie Mitleid. Sie bemerkte als Kind die Ungerechtigkeiten und stellte sich auf die Seite der unschuldigen Benachteiligten. „Ich mochte keine Ringe. Die Neger hatten doch auch keine.“ (S. 47)

Sie beschreibt Stereotype, die leider in Europa bis heute das Bild von Afrikanern verzerren. Zum Beispiel als sie ihren Vater begleitet, der einen Arbeiter sucht, zur Rede stellt, verprügelt und vor seiner Familie erniedrigt, und dann als „großzügiger, guter Weißer“ der Ehefrau Geld zusteckt, damit sie ihren Kindern etwas zu essen geben kann, (weil ihr Ehemann es ja nicht kann). (S. 53) Erschüttert erkennt Isabela ihren Vater nicht mehr wieder, „dieser Mann ist nicht mein Vater“ (S. 56). Auf der anderen Seite beschreibt sie den liebevollen Vater, der mit ihr spazieren geht und ein weißes Hemd trägt.

Isabelas Vater beauftragte sie in Portugal von dem zu erzählen, was seiner Meinung nach „die Neger den Weißen antun“, aber sie tat es nicht. Sie schrieb dieses Buch.

Fazit
Der Anfang des Buches ist etwas derb dargestellt, vor allem, wenn das Geschriebene von einem Kind gedacht werden soll. Hat man sich durch diese Seiten durchgearbeitet, versteht man den Anfang besser. Mittelpunkt des Geschehens ist der Vater. „Er lebte gern, hatte vor nichts Angst. Mit ihm war alles möglich.“ Der Vater ist das Vorbild bis zu einem gewissen Punkt. Allmählich begreift die Tochter das Verhalten des Vaters und beginnt dieses Verhalten zu hinterfragen.
Als Isabela Figueiredo Mosambik verlässt war dies die letzte Gelegenheit vor dem endgültigen Ende der portugiesischen Kolonialzeit. Die Eltern kommen erst zehn Jahre später nach. Aber dieser Teil ist nicht mehr Gegenstand des Buches.
Ein bemerkenswerter und viel beachteter Bericht, der bereits in der 9. Auflage erschienen ist.


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Sonntag, 12. April 2020

NEU Roter Staub. Mosambik am Ende der Kolonialzeit

Weidle

ISABELA  FIGUEIREDO

ROTER  STAUB
Mosambik am Ende der Kolonialzeit
Erinnerungen

Diese Erinnerungen an das Mosambik der Kolonialzeit konnten erst 2009 erscheinen, nach dem Tod des Vaters der Autorin. Das Buch war sofort ein Skandal und ein Bestseller dazu, bislang erlebte es neun Auflagen. Und stellte einen Tabubruch dar: Es räumte radikal mit der Legende von der »sanften« portugiesischen Herrschaft in Übersee auf und vermittelte einen ungeschönten Blick auf den blutigen Kolonialkrieg in Mosambik.

Im Zentrum steht der Vater der Autorin, ein Elektriker, der seit den 1950er Jahren in Mosambik lebt und arbeitet. Er ist den ärmlichen Verhältnissen der portugiesischen Provinz entflohen und entfaltet nun seine Macht als Weißer, der mit seinen schwarzen Untergebenen scheinbar auf vertrautem Fuß steht, seine Position jedoch wie selbstverständlich missbraucht, besonders Frauen gegenüber. Die Tochter erlebt das hautnah mit. 1974 bricht die Kolonialmacht zusammen, der Vater schickt die Zwölfjährige allein nach Portugal zu seiner Mutter. Sie soll dort berichten, welches Unrecht ihm und den anderen Siedlern geschieht. Das tut sie nicht.

Isabela Figueiredo versteht es, die Perspektive des Kindes mit Reflexionen über die Realität des Kolonialismus zu verbinden. Es entsteht das Bild eines alltäglich gelebten Rassismus, einer menschenverachtenden Ausbeutung, die nie hinterfragt wird. Doch der unverstellte Blick des Kindes sieht mehr, weil er nicht an den Fassaden hängenbleibt. Gleichzeitig aber wird damit der geliebte Vater zum Feind – dem sie dann ihr Buch widmen wird.

Autorin:
Isabela Figueiredo wurde 1963 in Lourenço Marques, dem heutigen Maputo, geboren. Mitten in den Kolonialkriegen wächst sie in enger Nachbarschaft zu den Schwarzen auf, doch als Weiße. Diese Jugend geht früh zu Ende: 1975, nach der Nelkenrevolution und Mosambiks Unabhängigkeit, verlässt sie Afrika allein und lebt fortan – bis zum Studium – bei Verwandten in der tiefsten portugiesischen Provinz. Die Eltern wird sie erst zehn Jahre später wiedersehen, als auch sie aus Afrika zurückkehren. Mit nahezu leeren Händen kommen diese »retornados« nach Portugal, verachtet von der einheimischen Bevölkerung, die in ihnen arbeitsscheue Versager sieht.

Aus dem Portugiesischen von Markus Sahr
Markus Sahr übersetzt aus dem Portugiesischen und Englischen. Zum Übersetzen wurde er angeregt durch die portugiesische Autorin Yvette K. Centeno und in den vergangenen Jahren mehrfach durch das Instituto Camões gefördert. Er lebt und arbeitet in Leipzig und Lissabon. Im Weidle Verlag erschien seine Übersetzung von Marina Colasanti, Mein fremder Krieg.

Nachwort von Sophie Sumburane
Sophie Sumburane ist Autorin und Journalistin. Sie lebt mit ihrem Mann der aus Mosambik stammt, in Potsdam und reist häufig nach Mosambik.
(Verlagstext)

Gefördert von Direção-Geral do Livro, dos Arquivos e das Bibliotecas (DGLAB)

Isabela Figueiredo
Roter Staub. Mosambik am Ende der Kolonialzeit
fadengeheftete Broschur
172 Seiten
9.Auflage 2019
Euro 23,- inkl. MwSt.  Buch kaufen