Freitag, 4. Dezember 2020

Rezension: Die Geschichte einer afrikanischen Farm, Olive Schreiner

Manesse
Rezension
Die Geschichte einer afrikanischen Farm         

Olive Schreiner

Eine Farm in der südafrikanischen Karoo. In der Zeit, in der dieser Roman spielt, leben die Menschen noch nicht so eng beieinander wie heute. Die Farm auf der Kopje wird von Tant’Sannie, der Burenfrau mit ihren afrikanischen Dienstboten bewirtschaftet. Außerdem helfen der deutsche Aufseher Otto und sein Sohn Waldo bei der Schafzucht  mit. Die beiden Kusinen Em und Lyndall sind noch minderjährig und Em wird die Farm erben, wenn sie volljährig ist.

Die Natur mit stürmischen Unwettern, die strahlende und brennende Sonne, der weite Himmel, die klaren Sternennächte werden immer wieder beschrieben, auch um die Stimmung und Gedanken der Menschen zu verdeutlichen.

Alle Bewohner sind gottesfürchtige und abergläubische Menschen, dieser Faden zieht sich durch das ganze Buch. Diese Gottergebenheit geht sogar so weit, dass Tant’Sannie klagt: „…Ich weiß wirklich nicht, weshalb man neuerdings Soda in den Topf tun soll. Wenn unser himmlischer Vater gewollt hätte, dass wir Soda unter die Seife mischen, hätte er doch keine Milchbüsche erschaffen und sie so fett wie Lämmer zur Lammungszeit überall auf dem Veld verteilt!“

In den folgenden Jahren findet sich Em mit ihrem Leben auf der Farm ab, die ihr bald gehört. Lyndall reicht das nicht. Sie ist rebellisch und geht fort, zuerst in ein Internat, später in andere Städte. Sie trifft einen Mann, den sie zwar nicht heiratet, aber ein Kind von ihm erwartet, was zu dieser Zeit natürlich eine Schande ist.

Auch Waldo verlässt die Farm, um später zurückzukehren. Sie Vater ist inzwischen gestorben, in den Tod getrieben von einem Hochstapler, der sich Bonaparte nennt und Tant’Sannie gegen den Deutschen aufhetzt. Allerdings wird auch Bonaparte die Farm nicht bekommen.

Waldo mag Em, aber er bewundert Lyndall, die so ganz anders ist als er. In Waldo findet Lyndall einen geduldigen Zuhörer ihrer Pläne und modernen emanzipatorischen Ansichten. Die Figur der Lyndall spiegelt auch die realen Gedanken der Autorin wieder, die sich in Südafrika für Gleichberechtigung einsetzt.

Als der Engländer Gregory Rose Em einen Antrag macht, zögert sie, denn sie ahnt, was kommen wird…

Fazit:
Olive Schreiner beschreibt die typische Landschaft der steppenartigen, weitläufigen Karoo und die Stimmungen der Bewohner, ihre Konflikte und ihren Alltag auf einer afrikansichen Farm im späten 19. Jahrhundert eindrucksvoll. 
Doris Lessing, eine ebenso bekannte Schriftstellerin, schildert das Leben von Olive Schreiner, der frühen Feministin und Menschenrechtlerin im Nachwort zu einer Neuauflage von 1968.

Zum 100. Todestag der Autorin am 11. Dezember 2020 wurde der Roman vom Manesse Verlag (Manesse Bibliothek) neu aufgelegt.

zum Angebot

Sonntag, 15. November 2020

Mit offenem Blick, Begegnung mit fremden Kulturen

Klett-Cotta
GERHARD  SCHWEIZER 

MIT  OFFENEM  BLICK
Begegnung mit fremden Kulturen

In der Fremde lernen wir nicht nur unbekannte Kulturen kennen, sondern auch unsere eigene.

Gerhard Schweizer hat Europa und den Westen immer wieder hinter sich gelassen. Er ist nach Nordafrika, in die Arabische Welt und nach Asien aufgebrochen, um unbekannte Welten zu erkunden. Eindrucksvoll schildert er Länder, Menschen und Abenteuer, die sich in den letzten Jahrzehnten stark gewandelt haben.

Durch die weltweite Globalisierung und Vernetzung sind die Menschen immer näher zusammengerückt. Aber gleichzeitig fehlen uns ein tieferes Verständnis und die Akzeptanz für andere Kulturen. Nationalismus, Populismus und Rassismus sind auf dem Vormarsch. Und Freiheit, Demokratie und soziale Gerechtigkeit sind in vielen Ländern Fremdwörter geblieben. 

Um die gegenwärtigen Entwicklungen, Veränderungen und Konflikte zu verstehen, brauchen wir eine breitere Kenntnis unseres eigenen und der fremden Kulturräume. Schlüsselbegriffe wie Individuum, Familie, Gesellschaft, Staat, Glaube und Freiheit haben von Land zu Land völlig andere Bedeutungen. Oft endet die Verständigung an deren Grenzen. 

Gerhard Schweizer plädiert für einen offenen Blick gegenüber dem Fremden, aber auch für eine reflektierte Wertschätzung der eigenen Kultur. Dies ist der Schlüssel zu einem friedlichen Miteinander in den kommenden Jahrzehnten.

Autor:
Gerhard Schweizer, 1940 in Stuttgart geboren, promovierte an der Universität Tübingen in Empirischer Kulturwissenschaft.
Heute lebt er als freier Schriftsteller in Wien, wenn er nicht gerade auf Reisen recherchiert und Material für neue Reportagen und Bücher sammelt.
Er ist einer der führenden Experten für die Analyse der Kulturkonflikte zwischen Abendland und Orient und gilt als ausgewiesener Kenner der islamischen Welt. Gerhard Schweizer hat dazu mehrere Bücher veröffentlicht, die als Standardwerke gelten. Einem breiten Publikum wurde er vor allem durch seine Bücher über den asiatischen und arabischen Raum bekannt.

Gerhard Schweizer
Mit offenem Blick
gebunden mit Schutzumschlag
319 Seiten
1. Auflage 2020
Euro 22,00 inkl. MwSt.   jetzt kaufen

Donnerstag, 29. Oktober 2020

Rezension: Eine fremde Tochter

Orlanda
Eine fremde Tochter           

 
Najat el Hachmi
 
Sie ist eine von vielen jungen Marokkanerinnen, die in Spanien leben. Mit ihrem Vornamen wird die Ich-Erzählerin in Dialogen nicht gerufen - eine unbekannte Marokkanerin in Europa also. Sie steht für viele Frauenschicksale, egal ob sie aus Marokko, ganz Nordafrika oder dem arabischen Raum stammen, alle könnten dasselbe erlebt haben wie die Protagonistin.
 
Ihr Vater gehört zu den frühen Marokkanern, die in  Spanien eine Arbeit gefunden haben. Nachdem die Unterstützung für die Familie im marokkanischen Rifgebirge ausbleibt, machen sich Frau und Tochter auf den Weg, um ihren Mann und Vater zu suchen. Als sie ihn gefunden haben, müssen sie erkennen, dass er eine andere Familie hat. Die Ehefrau wird mit dem Spruch abgewiesen, dass er sie nicht gebeten habe zu kommen.
 
Doch Mutter und Tochter bleiben in Katalonien und nehmen ihr Leben selbst in die Hand. Die Tochter steht ihrer Mutter bei und hilft ihr so gut sie kann. Daneben gibt es noch die Marokkanerinnen, die ebenfalls in Spanien leben und die Familie der Mutter in Marokko, die sich über den Besuch freut.
 
Die Tochter geht zur Schule, lernt nicht nur die katalanische und spanische Sprache, sondern auch die europäische Literatur und Kultur. Sie steht sogar einmal im Rampenlicht der Stadt.
So wächst die Tochter zur Erwachsenen heran, hört von den Traditionen, die ihr die Mutter und deren Freundinnen versuchen näher zu bringen, lernt auch die Sprache der Mutter, aber nie so ganz. Sie lebt im Spanien von heute. Bei den Besuchen in Marokko kommen ihr Kindheitserinnerungen in den Sinn. Aber so ganz kommt sie nicht in Marokko an und will es auch nicht.
 
Nun ist die Tochter volljährig, sie will die Mutter verlassen, sich aus der Umklammerung lösen, aber sie bringt es vorerst nicht über ihr Herz, die Mutter allein zu lassen. Immer mehr stellt sie ihre eigenen Ziele (Studium, eigene Wohnung, etc.) zurück. Sie gibt sogar nach, als ihre Mutter, die keine Rücksicht nimmt, aber sehr auf den guten Ruf der Familie bedacht ist, die Ehe mit dem Sohn ihres Bruders, also ihren Cousin, arrangiert. Da es der Cousin ist, soll sie doch froh sein, dass die Hochzeit „in der Familie“ bleibt und sie keinen Fremden heiratet, obwohl sie ihn seit ihrer Kindheit nicht mehr gesehen hat.
 
Und so nimmt das Schicksal seinen Lauf, einen Weg, den sich die Tochter nicht gewünscht hat, aber aus Liebe zur Mutter geht.
Mutter und Tochter arbeiten noch mehr, damit sie das Geld für die Hochzeit und die Überfahrt für den zukünftigen Cousin-Ehemann aufbringen können, damit er nach Spanien kommt.
 
Innerlich rebelliert die Tochter gegen ihre eigenen Entscheidungen und dies geht so weit, dass sie eines Tages zusammenbricht.
 
Fazit:
Najat el Hachmi greift ein Thema auf, das viele Frauen (nicht nur Migrantinnen) betrifft. Um dem Ruf der Familie nicht zu schaden, nimmt die Tochter zu viel auf sich und kommt aus der Abstiegsspirale nicht mehr heraus.
Ich möchte einen Gedanken zitieren, den die Autorin am Ende des Buches zu Recht formuliert, einen Vorwurf, den sich die europäische Gesellschaft gefallen lassen muss. „Alle Prophezeiungen haben sich erfüllt, die über mir dräuten, wie über allen Töchtern der Marokkanerinnen hier: Es lohnt sich eigentlich nicht, sie zur Schule zu schicken, hörte ich einmal jemanden sagen: Sobald sie ein bisschen älter sind, werden sie in ihrem Land verheiratet, und zack Kopftuch, Hausfrau, Kinder kriegen. Aber die Leute, die so reden, denken nie an unsere Einsamkeit und bieten uns keine Alternative; wenn wir gegen unsere Familien aufbegehren, stellen sie uns keinen Ort zur Verfügung, an dem wir Zuflucht finden könnten. Lasst euch nicht gängeln, rebelliert gegen die altmodischen und primitiven Traditionen eures Volks, entflieht der Diskriminierung und dem Sexismus. Aber wenn wir die Brücke überqueren, was erwartet uns auf der anderen Seite? Eine tröstende Umarmung und Hilfe, die wir bräuchten? Oder nicht vielmehr eine eisige Gleichgültigkeit, ein „Sieh zu, wie du zurechtkommst, hier gibt es nichts geschenkt? Und habt ihr je darüber nachgedacht, wer diejenigen sind, die nicht über die Brücke kommen? Versteht ihr nicht, dass man die Schwächsten nicht im Stich lassen darf, jene, die weder das Wissen haben noch die Möglichkeit, frei entscheiden zu können, wie sie leben wollen ? …“

Dem ist nichts hinzuzufügen. Ein aufwühlendes Buch, sehr gut geschrieben, absolut empfehlenswert.



Dienstag, 27. Oktober 2020

Rezension: Dezemberkids, Roman von Kaouther Adimi

Lenos
  Rezension

 DEZEMBERKIDS

 Kaouther Adimi

  Und wieder hat Kaouther Adimi einen brillanten Roman veröffentlicht,   der die algerische Gesellschaft von heute treffend beschreibt.


 Das vierte Buch führt den Leser nach Algier, der Hauptstadt des     größten  Landes in Afrika. Sie hat zwar nicht so viele Einwohner wie   Kairo oder Lagos, aber der tägliche Verkehr und die Wohnungsnot   nerven die Leute genauso wie in den anderen Metropolen. Von daher   weichen die Leute, die es sich leisten können, an die Ränder östlich und   westlich von Algier aus, im Idealfall mit Meerblick oder gleich nach   Europa.

In Dély-Ibrahim, einem Vorort im Westen, leben die Familien der ehemaligen Armeeangehörigen in der Cité 11. Dezember 1960, die ab 1987 gebaut wurde. Der Roman dreht sich um Kinder, Jugendliche, ihre Familien und einen, etwa eineinhalb Hektar großen Platz, der brach liegt und nach jedem starken Regen von Schlamm bedeckt ist und den die Kinder zum Fußballspielen hergerichtet haben. Seit Jahren kümmert sich niemand um den Platz, die Straßen herum sind immer noch nicht asphaltiert. Auch die drei zehnjährigen Kinder, Ines, Mahdi und Dschamil treffen sich regelmäßig, um hier Fußball zu spielen, wobei Ines mächtig stolz ist, dass sie mit den Jungs so gut mithalten kann. Sie ist die Enkelin von Adila.

Eines schönen Tages, es regnet in Strömen, Jussef und seine Freunde rauchen am Platzrand, hält eine schwarze Limousine direkt am Platz. Der Chauffeur reißt die Tür auf und hält einen Regenschirm über die beiden Männer, die aussteigen. Sie tragen dunkle Anzüge, darüber Wollmäntel und -Sonnenbrillen. Es können nur Generäle sein. Sie gehen auf den Platz und schauen sich um. Da kommt Adila, die Freiheitskämpferin auf sie zu, grüßt und fragt, was sie hier wollen? Die beiden reden von Bauarbeiten, die bald anfangen werden, weil ihnen jetzt der Platz gehört, behaupten sie, doch jeder weiß, dass sie sich den Platz unter den Nagel gerissen haben, und freuen sich auf eine gute Nachbarschaft. Doch mit der Reaktion haben sie nicht gerechnet.

Just in dem Moment, in dem sie die Baupläne aus der Tasche ziehen, hören sie ein lautes Kreischen. Die alte Rothaarige, ein bisschen verrückt soll sie sein, schreit wütend: „Man will euch hier nicht. Man will euch hier nicht.“ Adila zieht sie zur Seite und sie kommen auf Jussef zu, der die Alte reden hört: „Sie nehmen ihn euch weg, alles nehmen sie euch weg!...“  Die Jugendlichen gehen auf die Generäle zu und schimpfen auf sie ein. Es kommt zu einem Handgemenge und Jussef gelingt es dabei die Waffe des einen Generals aus der Hand zu schlagen. Sogar Adila schlägt mit ihrem Stock zu. Die pensionierten Obersten Mohamed und Sherif beobachten zuerst die Szene aus sicherer Entfernung, doch dann laufen sie auch auf den Platz. Der Chauffeur kauert ängstlich hinter dem Lenkrad und ruft die Polizei, die den Tumult auflöst. Jussef, sein Vater Mohamed und Adila werden abgeführt und zum Verhör gebracht.

Die Aufregung ist groß. Schnell spricht sich herum, was auf dem brachliegenden Bolzplatz passiert ist und sehr schnell verbreitet sich die Geschichte über zwei verprügelte Generäle in den sozialen Medien, zu schnell für manche. Die Zeitungen schreiben darüber, die Leute lachen und freuen sich über den Mut der Jugendlichen.


Auf Ines, Mahdi und Dschamil hat keiner mehr geachtet. Sie haben sich die Geschichte von den Jugendlichen erzählen lassen und gut zugehört. Sie schmieden ihre eigenen Pläne. Sie lassen sich Zeit mit den Vorbereitungen und dann im März, an einem Freitag, geht es los.

Die Autorin beobachtet genau, wie ihre Landsleute kennt sie natürlich die Machenschaften der Oberen. Wie sie selbst sagt, ist Fußball nicht nur das Spiel sondern auch eine Möglichkeit der Gesellschaft sich zu äußern, sei es mit Gesängen, sei es mit Schlachtrufen, die versteckt die Regierung treffen sollen.


Die Romanfiguren symbolisieren die algerische Gesellschaft: Adila, die Freiheitskämpferin steht für die erste Generation. Sie hat die Franzosen aus dem Land vertrieben, hat Bomben in Cafés versteckt. Jasmin, ihre Tochter steht für die Frauen des Landes, die zusehen muss, wie ihre Rechte immer mehr beschnitten werden. Mohamed und Sherif waren Obersten während des „schwarzen Jahrzehnts“ und mussten dem Erstarken der Islamisten zusehen, wobei Mohamed vom Glauben abfiel, was er natürlich niemandem erzählte. Die Generäle stehen für die übermächtige Armee bzw. die Mächtigen des Landes, die sich alles erlauben können und die Diktatur der Politiker überwachen. Jussef und seine Freunde sind die jetzige Generation, die die Kriege nicht mehr erlebt haben. Sie haben ganz andere Sorgen. Sie sind gut vernetzt, wissen was in der Welt passiert, sind im Internet aktiv. Sie ducken sich nicht vor den „Mächtigen“, weil sie ihnen nichts „verdanken“ müssen, außer der Misere des Landes. Mit den Kindern, die im Buch den Höhepunkt herbeiführen, bilden sie die Zukunft. Die junge Generation, die seit Februar 2019 auf die Straße geht und einen friedlichen Übergang zur wirklichen Demokratie fordert, wird bereits im Buch mit Jussef und seinen Freunden angedeutet, womit die Autorin den aktuellen Hirak, die Bewegung, vorausgesehen hat. Sie hat eine Auseinandersetzung zwischen jungen Leuten  und Generälen zum Anlass für diesen Roman genommen, die tatsächlich 2016 stattgefunden hat.

Auch das Nachwort der Übersetzerin Regina Keil-Sagawe soll erwähnt werden. Seit Jahren  bringt sie uns die Schriftsteller Nordafrikas näher. Sie übersetzt nicht nur aus dem Französischen, ebenso kennt sie die Situation in den Ländern des Maghreb.

Fazit:
Mit ihrer heiteren, bisweilen witzigen und ironischen Art beschreibt Kaouther Adimi treffsicher die Art und Weise, wie sich die algerische Regierung verhält, die Angst vor der neuen Situation hat, die sie nicht mehr beherrscht, was sie aber nicht einsehen will. Sie spannt mit ihren Figuren einen Bogen von der Geschichte (Adila) bis zur Gegenwart (Jussef und die Kinder) und bringt wie immer die Tatsachen genial auf den Punkt.

Ein absolut lesenswerter amüsanter Roman, der eine Auszeichnung verdient.


Donnerstag, 15. Oktober 2020

NEU: Die Geschichte einer afrikanischen Farm, Olive Schreiner

Manesse 
NEU
OLIVE  SCHREINER
 
DIE  GESCHICHTE  EINER  AFRIKANISCHEN  FARM
 
Ein bewegendes Meisterwerk über weibliche Emanzipation und Selbstbestimmung in der kolonialen Männerwelt
 
«The Story of an African Farm» gilt als das südafrikanische «Wuthering Heights». Der autobiografisch inspirierte Roman der deutsch- und englischstämmigen Autorin, erschienen 1883, schildert das Schicksal einer eigenwilligen Heldin namens Lyndall. Schon als junges Mädchen lernt sie die Bigotterie und Ignoranz der Menschen kennen und erfährt, wie beschränkt die Lebensperspektiven für ihresgleichen sind. 
Doch dank einer großen inneren Stärke verteidigt sie in der Farmerswelt der südafrikanischen Karoo ihre Unabhängigkeit und verliert dabei das Ziel nie aus den Augen: weibliche Selbstbestimmung bis zuletzt. Schreiners Erzählkunst fasziniert nicht nur durch ihren einfühlsamen Ton und ihre große künstlerische Sensibilität, sondern widmet sich auch emanzipatorischen Themen wie Sexualität, voreheliche Schwangerschaft sowie die unrühmliche Rolle des Christentums bei der Bevormundung des «schwachen Geschlechts». Das Buch, seinerzeit ein Welterfolg, erscheint anlässlich des 100. Todestags der Feministin und Menschenrechtlerin am 11.12.2020 nun in einer Neuübersetzung.
 
Mit Nachwort von Doris Lessing
 
Autorin:
Olive Schreiner (1855–1920), frühe Exponentin der südafrikanischen Literatur und des weiblichen Schreibens, gilt als Vorläuferin so großer Autorinnen wie Tania Blixen oder Doris Lessing. Aus ärmlichen Verhältnissen stammend, aber hochtalentiert, gelang der Autodidaktin mit «The Story of an African Farm» (1883 unter dem Pseudonym Ralph Iron erschienen) ein internationaler Überraschungserfolg. Rasch wurde sie zu einer der einflussreichsten Stimmen des südlichen Afrika, engagierte sich als Feministin, Sozialistin und Pazifistin und trat gegen Cecil Rhodes’ imperialistische Politik auf. 2003 wurde sie posthum mit dem südafrikanischen Order of Ikhamanga in Gold ausgezeichnet.
 
Aus dem Englischen übersetzt von Viola Siegemund
 
Olive Schreiner
Die Geschichte einer afrikanischen Farm
Hardcover mit Schutzumschlag
608 Seiten
Format 9,0 x 15,0 cm
1.Auflage 12. Oktober 2020
Euro 28,00 inkl. MwSt.  Buch bestellen


Dienstag, 13. Oktober 2020

May Ayim, Weitergehen - Gedichte, Sonderedition zum 60. Geburtstag

Orlanda
MAY  AYIM
 
WEITERGEHEN - Die Sonderedition zum 60. Geburtstag
Gedichte
 
 In „weitergehen“ erscheinen die Gedichte der Wortkünstlerin May Ayim erstmals gesammelt in einem Band. Die Lyrikbände „nachtgesang“ und „blues in schwarzweiß“ stoßen auch knapp zwei Jahrzehnte nach ihrem Erscheinen auf große Resonanz bei Menschen aus den unterschiedlichsten Zusammenhängen.
 
Aus dem Vorwort von Natasha A. Kelly: „…Und so sind May Ayims Worte nicht verstummt, sondern ertönen lauter als je zuvor. Deutschsprachiges Spoken Word wurde durch die afrodeutsche Dichterin, Poetin, Wissenschaftlerin und Aktivistin salonfähig. Heute feiern wir mit Formaten wie „One World Poetry“ oder „Hip Hop Meets Poetry“ Schwarze Stimmen und Schwarze Vielstimmigkeit, die in afro-deutscher Literaturtradition Intersectional Justice fordern und fördern und Empowerment feiern.“
 
May Ayim (1960-1996) war Dichterin, Pädagogin, Logopädin, Wissenschaftlerin und politische Persönlichkeit. Sie ist Mitherausgeberin und Mitautorin der Bände „Farbe bekennen“ und „Entfernte Verbindungen“. Posthum erschien neben dem Gedichtband „Nachtgesang“ der Essayband „Grenzenlos und unverschämt“, ebenso der Dokumentarfilm von Maria Binder „Hoffnung im Herz“.
 
May Ayims Lyrik erscheint regelmäßig in Schulbüchern und Anthologien und wurde in Theaterprojekten und filmischen Arbeiten zitiert. 2009 wurde das Kreuzberger Gröbenufer in Berlin dank einer zivilgesellschaftlichen Initiative in May-Ayim-Ufer umbenannt.
(Verlagstext)
 
May Ayim
Weitergehen
Klappenbroschur
270 Seiten
Euro 24,50 inkl. MwSt.   jetzt kaufen
 
 

NEU: Schwarze Wurzeln, Afro-deutsche Familiengeschichten von 1884 - 1950

 
Orlanda
Katharina Oguntoye  (Hrsg.)
 
Schwarze Wurzeln
Afro-deutsche Familiengeschichten von 1884 - 1950
 
 Katharina Oguntoye beleuchtet die Lebenssituation von Afrikaner*innen und Afro-Deutschen in Deutschland von 1884 bis 1950. Diese wegweisende historische Forschungsarbeit diente zahlreichen nachfolgenden wissenschaftlichen Untersuchungen als wichtiger Quellennachweis. Bisher war der Blick auf Schwarze Menschen in Deutschland bestimmt von der Sicht der deutschen Mehrheitsgesellschaft. Gefragt wurde danach, wie Schwarze Menschen in dieser Gesellschaft wahrgenommen bzw. ausgegrenzt werden und dabei wurden ihre Geschichte und ihr Leben lediglich als exotisches Beiwerk oder marginale Einzelfälle dargestellt.
 
Die Historikerin Katharina Oguntoye stellt dem erstmals einen Überblick über die Situation der Afrikaner*innen und Afro-Deutschen für die gesamte Periode der neueren deutschen Geschichte bis nach dem Zweiten Weltkrieg entgegen, dessen Schwerpunktinteresse den Lebenswirklichkeiten und der Perspektive der Schwarzen Menschen in Deutschland gilt.
 
Autorin:
Katharina Oguntoye, nigerianisch-deutsche Historikerin, Jahrgang 1959, hat die afro-deutsche Bewegung mitgeprägt, unter anderem als eine der Herausgeberinnen des Buches „Farbe bekennen. Afro-deutsche Frauen auf den Spuren ihrer Geschichte.“ (1986) und als Gründungsmitglied der „Initiative Schwarze Menschen in Deutschland“. Seit 1996 ist sie Leiterin des von ihr mitbegründeten Interkulturellen Netzwerks in Berlin, Joliba e.V.  (Verlagstext)
 
Katharina Oguntoye (Hrsg.)
Farbe bekennen.
Klappenbroschur
200 Seiten
Euro 18,00 inkl. MwSt.   jetzt kaufen

NEU: Farbe bekennen. Afro-deutsche Frauen auf den Spuren ihrer Geschichte

 

Orlanda
May Ayim, Katharina Oguntoye, Dagmar Schultz (Hg.)

 FARBE  BEKENNEN. Afro-deutsche Frauen auf den Spuren ihrer Geschichte.

Seit über 30 Jahren der Klassiker der afro-deutschen Bewegung in Deutschland!

 „Sie sprechen aber gut deutsch“, sagt man zu ihnen. „Woher kommen Sie denn?“ fragt man sie. Und tröstet sie schließlich mit den Worten: „So schwarz sind Sie ja gar nicht.“

 Alltäglicher Rassismus, dem sie ausgesetzt sind: Die afro-deutschen Frauen, die hier zu Wort kommen, fühlen sich oft fremd in ihrem eigenen Land.

 Sie sind hier geboren und aufgewachsen, als Kind schwarzer Väter und weißer Mütter. Sie wurden als „Mischlinge“ bezeichnet oder als „Besatzungskinder“, heute nennt man sie oft „Farbige“. Sie sind Deutsche und werden doch wie Fremde behandelt, ausgegrenzt, „bestenfalls“ als exotisch angesehen. Mit ihrem Buch versuchten die Autorinnen, sich auf die Suche nach ihrer Geschichte zu begeben, gesellschaftliche Zusammenhänge von Rassismus offenzulegen und auf ihre besondere Situation aufmerksam zu machen. Eine Situation, die sich derzeit, im Zeichen zunehmend rassistischer Übergriffe und des Ausländerhasses, verschärft hat.

 „Farbe bekennen war ein Anfang und ist nach wie vor ein aktuelles Handbuch zum Verständnis afro-deutscher Lebensrealitäten sowie ein nützliches Werkzeug zur Vernetzung und Aufklärung.“ Katharina Oguntoye

Mit neuem Vorwort von Katharina Oguntoye.

May Ayim, Katharina Oguntoye, Dagmar Schultz (Hrsg.)
Farbe bekennen.
Klappenbroschur
308 Seiten
Neue Ausgabe 2020
Euro 18,50 inkl. MwSt.   jetzt kaufen

 Alle Gewinne aus den Verkäufen der Bücher von May Ayim fließen in ein May Ayim-Förderstipendium für Schwarze deutsche Autor*innen, das Orlanda zusammen mit Katharina Oguntoye und Natasha A. Kelly 2021 ins Leben rufen wird. Weitere Infos folgen …

 

NEU, Mist, die versteht mich ja ! Roman

Orlanda
FLORENCE  BROKOWSKI-SHEKETE
 
MIST,  DIE  VERSTEHT  MICH  JA!
Aus dem Leben einer Schwarzen Deutschen
Roman
 
Die kleine Florence, geboren in Hamburg als Kind nigerianischer Eltern, wird Ende der 60er-Jahre in Buxtehude von einer alleinstehenden Frau in Pflege genommen. Mit neun Jahren nehmen die Eltern sie mit nach Lagos, in ein Land, dessen Sprache sie nicht spricht, dessen Kultur ihr fremd ist, zu einer Familie, die sie nicht kennt. Durch das beherzte Eingreifen einer Lehrerin schafft sie es zurück nach Deutschland und macht dort ihren Weg …
 
In ihrer Autobiografie beschreibt die Autorin mit einer guten Prise Humor die Erlebnisse einer Schwarzen Frau in einer weißen Gesellschaft, den schmalen Grat zwischen witzigen Anekdoten und unschönem Alltagsrassismus, zwischen der Herausforderung, Brücken zu bauen, und der Grenzen zu setzen, zwischen Integration und Identitätsfindung, zwischen Beruf und dem Muttersein als Alleinerziehende – kurz: die Lebensgeschichte einer beeindruckenden Frau.
 
 „Ein Mensch mit einer anderen Hautfarbe muss einfach woanders herkommen, die Sprache nicht verstehen und auch sonst kulturell anders gestrickt sein. Anders kann es einfach nicht sein, sonst würde das Weltbild einiger erschüttert.“
 
Autorin:
Florence Brokowski-Shekete ist Schulamtsdirektorin in Baden-Württemberg, als erste Schwarze in Deutschland. Sie ist Gründerin der Agentur FBS intercultural communication, bei der sie seit 1997 als freie Beraterin, Coach und Trainerin tätig ist. Sie arbeitete als Lehrerin, Schulleiterin und Schulrätin. Und sie mischt sich ein und setzt Grenzen, wenn sie auf Alltagsrassismus stößt. (Verlagstext)
 
Florence Brokowski-Shekete
Mist, die versteht mich ja!
Klappenbroschur
250 Seiten
1.Auflage 2020
Euro 22,00 inkl. MwSt.   jetzt kaufen

weitere Informationen unter: Florence Brokowski-Shekete

NEU: Eine fremde Tochter, Roman

Orlanda
NEU

NAJAT  El  HACHMI
 
EINE  FREMDE  TOCHTER
Roman
 
„Ich werde nicht mehr für euch da sein. Ab jetzt werde ich für mich da sein. Für mich oder für wen ich möchte, aber für niemanden mehr, der mich niedergedrückt und ohne Kopf will.“
 
Eindringlich erzählt Najat El Hachmi die Geschichte einer jungen Frau, die in Marokko geboren wurde und in Katalonien aufwächst. Während ihre Mutter eng mit der traditionellen, marokkanischen Lebensweise und muslimischen Religion verbunden ist, befindet sich die Protagonistin in einem permanenten Konflikt zwischen der katalanischen und marokkanischen Kultur und den Sprachen – ein Zustand, der ihre beidseitige Verbundenheit und zugleich ihre doppelte Fremdheit spürbar macht.
 
Neben den üblichen Rebellionen und Herausforderungen des Erwachsenwerdens, widmet sich der Roman den Fragen der jungen Frau: soll sie in der Welt ihrer  Herkunftskultur verwurzelt bleiben oder schafft sie es, die Bande mit ihrer Mutter zu durchbrechen und ihren eigenen Weg zu gehen?
 
Ein interkulturelles Lesevergnügen – mitreißend geschrieben von der marokkanisch-katalanischen Erfolgsautorin. 

Autorin:
Najat El Hachmi ist eine katalanisch-marokkanische Autorin, die im Alter von acht Jahren gemeinsam mit ihrer Familie von Marokko nach Spanien migrierte und heute in Barcelona lebt. El Hachmis Werk beschäftigt sich mit den Themen Identität, kultureller Verwurzelung und Entfremdung. 2015 gewann sie für „Eine fremde Tochter“ den BBVA San Juan-Preis und den Ciutat de Barcelona-Preis als bester katalanischer Roman. (Verlagstext)
 
Aus dem Katalanischen von Michael Ebmeyer
 
Najat el Hachmi
Eine fremde Tochter
Klappenbroschur
232 Seiten
1.Auflage 2020
Euro 22,00 inkl. MwSt.   jetzt kaufen

 

Mittwoch, 23. September 2020

Rezension: Minarett, Roman aus dem Nordsudan

Minarett   

Leila Aboulela

Das Minarett ist der Turm bei einer Moschee. Der Name geht auf Manara, arabisch für Leuchtturm zurück. Und wie ein Leuchtturm für die Seele steht für Nadschwa das Minarett in London, an dem sie jeden Tag vorbeigeht. Dass sie auch in die Moschee hineingehen könnte, erkennt Nadschwa erst später.

Sie sind schon eine privilegierte, westlich orientierte Familie. Die Mutter ist reich, sie heiratet nach ihrer Scheidung einen Mann, der mehr auf ihr Geld und einen erfolgreichen Posten in der Regierung schaut. Sie haben ein großes Haus, Autos und viele Hausangestellte. Nadschwa und ihr Zwillingsbruder Omar vergnügen sich in Clubs und auf Partys, beide studieren in Khartum mehr oder weniger erfolgreich. In den Ferien reist die Familie nach Europa, in London hat sie ein Appartement. Kurzum, der nordsudanischen Familie geht es sehr gut. Religion schert sie wenig. Während des Ramadan schaut sie mehr auf „die Linie“ und zu viele „Pfunde“ als auf religiöse Pflichten.

Plötzlich ändert sich die Situation im Land. Sudan, jetzt Nordsudan, ist von einem Putsch getroffen und Nadschwas Vater wird Korruption vorgeworfen. Er soll der Mann hinter dem Präsidenten, der „Drahtzieher“ der Regierung gewesen sein. Gerade will er am Abend des Putschs mit seinem Auto aus der Stadt verschwinden, da blockiert ein Auto seine Ausfahrt und er wird abgeholt. Kurz darauf wird er gehängt.

Von einem Tag zum anderen muss die Familie flüchten. Die Mutter reist mit ihren Kindern nach London, wie eine Flucht kommt es ihnen zuerst nicht vor. Dann wird die Mutter sehr krank und stirbt. Omar verstrickt sich in Drogendelikten und muss für lange Zeit ins Gefängnis. Und Nadschwa wundert sich über ihre „neue Freiheit“, in der sich niemand um sie kümmert bzw. es kümmert niemanden, was sie tut und es stört auch niemanden, was sie tut. In einer Millionenstadt wie London bleibt sie anonym, was in Khartum undenkbar gewesen wäre, immer stand sie unter Beobachtung, durch die Hausangestellten, durch Klassenkameraden, durch die Gesellschaft an sich.

Nach und nach verliert Nadschwa ihren Wohlstand und befindet sich plötzlich selbst in der Situation, sich als Hausangestellte ihren Lebensunterhalt verdienen zu müssen. Sie erinnert sich an die Lage der Diener in ihrem Elternhaus in Khartum und nun ist sie nicht mehr besser als sie. In London lebt auch ihre Tante  und andere Sudaner, mit denen Nadschwa Kontakt hat. Teilweise geht es diesen besser, weil sie nicht so sehr im Rampenlicht standen wie Nadschwas Familie, die sich vor Verfolgungen schützen muss.

In diesem Buch gibt es zwei Handlungsstränge. Zum einen die aktuelle Situation, in der sich Nadschwa in London befindet und zum anderen die Zeit in Khartum ab 1984 und die Erinnerungen daran.

Fazit:

Die Autorin Leila Aboulela beschreibt nachvollziehbar die Gefühle der Menschen, die im Roman agieren. Die Zerrissenheit Nadschwas, die Freiheit ihres Tuns in London, ohne dass jemand Notiz davon nimmt, die Freiheit in Khartum, die sie nur hat, weil sie und ihre Familie zur Oberschicht gehört wird deutlich dargestellt. Auch den anderen Figuren geht es ähnlich. Dadurch erreicht die Autorin, dass man länger über den Inhalt nachdenkt.

Wie oft, wenn sich der alltägliche Trott plötzlich ändert, sich das Schicksal dreht und man nicht mehr aus noch ein weiß, sehnt man sich nach Geborgenheit und wenn diese nicht bei Partnern oder in der Familie gefunden wird, wird die Religion plötzlich wichtig. Dabei ist es egal, ob man Muslim oder Christ ist, das Gefühl ist dasselbe. So ergeht es Nadschwa und bei ihr ist es der Gang  in die Moschee, in anderen Kulturen geht man in die Kirche, aber der Gedanke ist gleich. Am Ende ist es ihr tatsächlich möglich eine Pilgerreise nach Mekka zu unternehmen.

Ein fesselnd geschriebener Schicksalsroman.

zum Angebot


Sonntag, 20. September 2020

NEU: Dezemberkids - Roman von Kaouther Adimi

NEU

KAOUTHER  ADIMI

DEZEMBERKIDS

Roman

Algerische Revolution gestern und heute: der neue Roman der preisgekrönten algerisch-französischen Jungautorin.

Eine Brache in der Cité du 11-Décembre, in der Banlieue von Algier. Die Kinder und Jugendlichen des Viertels haben sie sich erobert. Den Kopf voller Träume, spielen sie dort Fußball, auch wenn der Regen das Areal immer wieder in Schlamm verwandelt.

Eines Tages tauchen zwei Generäle mit Bauplänen auf. Sie wollen dort ihre Villen errichten, das Grundstück gehört nun ihnen. Doch den Kindern gelingt es, die Männer fürs Erste zu vertreiben, und schon bald organisieren sie den Widerstand.

Anders als ihre resignierten Eltern sind die jungen Menschen nicht willens, sich zu beugen. Die Spannung steigt. Wird der Machtapparat die rebellische Jugend doch noch in die Knie zwingen?


Anhand dieses Konflikts erkundet Kaouther Adimi die algerische Gesellschaft. Sie beleuchtet Korruption und Machtmissbrauch, die Geschichte des Landes, den Kampf gegen die Franzosen und die Islamisten und auch die Lebensrealität der Frauen in den letzten Jahrzehnten.

Ein Buch, das Mut macht und Hoffnungen weckt und angesichts des Volksaufstands gegen Expräsident  Bouteflika geradezu prophetisch erscheint.

Autorin:

Kaouther Adimi, geboren 1986 in Algier, lebt und arbeitet seit 2009 in Paris. Sie veröffentlichte bisher vier Bücher, die zahlreiche Preise erhielten. Nach Des ballerines de papicha und Des pierres dans ma poche (dt. Steine in meiner Hand, Lenos 2017) war ihr dritter Roman Nos richesses (dt. Was uns kostbar ist, Lenos 2018) für den Prix Goncourt 2017 nominiert und wurde mit dem Prix Renaudot des lycéens und dem Prix du Style ausgezeichnet.

Aus dem Französischen von Regina Keil-Sagawe

Kaouther Adimi
Dezemberkids
Hardcover  mit Schutzumschlag
249 Seiten
1.Auflage  5. Oktober 2020
Euro 22.00 inkl. MwSt.    jetzt bestellen

 

 

NEU: Minarett, Roman

Lenos Verlag

LEILA  ABOULELA 

MINARETT

Roman

Nadschwa wächst in einer privilegierten und westlich orientierten Oberschichtfamilie in Khartum auf. Nach einem Putsch flieht die Studentin mit ihrer Mutter und ihrem Bruder ins politische Exil nach London. Sie verliert ihren Wohlstand und bald auch ihre Eltern.

Einst hatte sie davon geträumt, einen wohlhabenden Mann zu heiraten und eine eigene Familie zu gründen. Nun ist sie auf sich allein gestellt und muss ganz unten neu anfangen. Sie arbeitet als Dienstmädchen und Putzfrau bei reichen Familien, erkämpft sich eine unabhängige Existenz.

Sie knüpft Freundschaft mit den Frauen der muslimischen Gemeinde. Und findet eine neue Heimat im Glauben. Als sie Tâmer kennenlernt, den ernsten und strenggläubigen Bruder ihrer Arbeitgeberin, muss sie sich entscheiden.

Minarett erzählt eindrücklich und aufschlussreich von Migration, sozialem Abstieg und von der religiösen Gemeinschaft als Heimat und Ort der Unabhängigkeit. Eine überraschende, provokative Emanzipationsgeschichte, die einen Sturm in der englischen Presse auslöste.

Autorin:

Leila Aboulela, geboren 1964 in Kairo, wuchs als Tochter einer ägyptischen Mutter und eines sudanesischen Vaters in Khartum, Sudan, auf. Sie studierte Ökonomie und Statistik an der dortigen Universität sowie Ökonomie und Politikwissenschaft in London. Ab 1990 Dozentin und wissenschaftliche Assistentin in Aberdeen, Schottland. Nach Jahren in Jakarta, Dubai, Abu Dhabi und Doha lebt sie seit 2012 wieder in Aberdeen. Aboulela veröffentlichte fünf Romane, zwei Erzählbände und Hörspiele. Ihre Werke wurden mehrfach ausgezeichnet und in rund fünfzehn Sprachen übersetzt.  leila-aboulela.com 

Aus dem Englischen von Irma Wehrli

Leila Aboulela
Minarett
Hardcover mit Schutzumschlag
340 Seiten
1.Auflage1. September 2020
Euro 24.90 inkl. MwSt.   jetzt kaufen


Freitag, 18. September 2020

Rezension Couscous mit Zimt

Couscous mit Zimt                       

Elsa Koester

Hauptsächlich dreht sich der Roman um Mamie Lucile, der Großmutter, von Marie, ihrer Tochter und von Lisa, der Tochter von Marie und Enkelin von Mamie Lucile. Ihre Leben werden aus der jeweiligen Sicht und Situation erzählt. Außerdem gehören noch Solange, die Schwester von Marie und ihre Tochter Charlotte zur Familie von Mamie Lucile. Die Männer spielen eher eine untergeordnete Rolle.

Großmutter „Mamie“ Lucile wurde fast Einhunderteins Jahre alt und besaß eine Wohnung in Paris, in der heutigen Avenue de Flandre. Nach ihrem Tod erbte zuerst Marie die Wohnung und Solange wurde ausbezahlt. Weil Marie kurz nach Lucile starb, erbte Lisa die Wohnung und nun steht ihr der Verkauf bevor, da Lisa in Berlin lebt. Im Moment hat sie die Wohnung an Larissa vermietet, einer Studentin, die ebenfalls aus Berlin stammt, aber in Paris studiert.

Lisa fährt nach Paris, um einige Möbel und andere Erinnerungsstücke nach Berlin zu schicken und besucht ihre Tante Solange und ihre Cousine Charlotte. Von ihnen erfährt Lisa ganz neue Versionen der Lebensgeschichte ihrer Verwandten und darum geht es in diesem Roman.

Jedes Kapitel trägt die Überschrift derjenigen Frau, die das Kapitel erzählt, meist wechseln sich Marie und Lisa ab.

Marie „erinnert“ sich an ihre Kindheit in Tunesien, wo sie als Tochter französischer Einwanderereltern, sogenannten Pieds-noirs, in einem kleinen Ort geboren wurde und ihre ersten Jahre verbrachte, vor allem mit Aisha, ihrer tunesischen Freundin. Auch ihre Schwester Solange wurde in Tunesien geboren. Ihr Vater kam bei einem Flugzeugabsturz ums Leben. Später zog die Familie nach Tunis, dann musste sie nach Frankreich übersiedeln. In Frankreich wuchsen Marie und Solange zu Jugendlichen heran und Marie ging nach Paris, um dort zu studieren und erlebte dort die „wilde Zeit“ der Hippies in den 1968er Jahren. Im Laufe ihres bewegten Lebens lernte Marie natürlich Männer kennen, darunter den deutschen Vater von Lisa.

Lisa erzählt von der heutigen Situation, sie gerät in die Proteste der Pariser Bevölkerung und lernt die Kommilitonen von Larissa kennen, die die Streiks begeistert mitmachen. In der Wohnung findet sie Erinnerungen an ihre Großmutter, Briefe, Bilder und lässt sich in die Vergangenheit ihrer Mutter fallen. Sie erfährt, dass ihre Großmutter natürlich ihre Töchter liebte, aber auch sehr hart sein konnte, von Maries Alkoholproblemen und ihren Folgen, Versionen, die sie noch nicht kannte.

Lisas Abstand von ihren Verwandten, die in Frankreich leben, macht sie neugierig, denn sie kennt nur die Geschichten ihrer Mutter, aber nun erfährt sie auch etwas von ihren Onkeln Antoine und Maurice, die Söhne aus der erste Ehe ihrer Großmutter und ihr Leben in Tunesien, als die Franzosen als Kolonialisten in Algerien und Tunesien lebten. Sie hatten Angst, als die Algerier ihre Unabhängigkeit nach über Einhundert Jahren Kolonialismus und Erniedrigung einforderten, dass die Tunesier ebenfalls die Kolonialisten hinauswerfen. Und Lisa hört, wie die kleine Familie in Frankreich lebten und ihre Mutter Marie die Familie verlässt und dabei über Umwege nach Berlin kommt.

Autorin:

Elsa Koester wurde 1984 als Tochter einer französischen Pied-noir mit tunesischer Kolonialgeschichte und eines norddeutschen Friesen mit US-amerikanischer Auswanderungsgeschichte in Berlin geboren, wo sie heute lebt. Sie studierte Literatur- und Politikwissenschaft sowie Soziologie und engagierte sich über 15 Jahre in sozialen Bewegungen. Heute arbeitet sie als politische Redakteurin bei der Wochenzeitung »Der Freitag«. Die neu entflammte Debatte über Identität und Heimat inspirierte sie zu ihrem Romandebüt »Couscous mit Zimt«, in das ihre Erfahrungen aus einer diversen kulturellen Identität, als Journalistin und Aktivistin mit einfließen.

Fazit:

Es ist ein amüsanter Frauenroman, in dem auch Männer vorkommen. Lisa, Charlotte und Larissa sind die „Gegenwart“, alle anderen Figuren erzählen von früher. Wie in jeder Familie empfinden und sehen die Mitglieder die jeweilige Situation anders, aus ihrer Sicht. Es wird gestritten und sich versöhnt. Die Autorin beobachtet sehr genau und schildert Alltagssituationen detailliert. Ihr Stil ist leicht und das Buch gut zu lesen.

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Freitag, 28. August 2020

Couscous mit Zimt

FVA

ELSA  KOESTER

COUSCOUS  MIT  ZIMT
Debütroman

Zigaretten, Cognac und Bücher – ihre letzten Jahre verbringt die über hundertjährige Lucile am liebsten lesend im Bett ihrer Pariser Wohnung. Als kurz nach Luciles Tod auch ihre Tochter Marie stirbt, erbt Lisa das Appartement in der Avenue de Flandre. Ihr bleiben nur noch die Erinnerungen an die zwei eigenständigen, vom Leben gezeichneten Frauen der Familie. Das Verhältnis von Mutter und Großmutter war explosiv. Die starke, aber auch selbstbezogene Französin Lucile musste nach der Unabhängigkeit Tunesiens mit ihren Töchtern überstürzt nach Frankreich fliehen, ein Heimatverlust, den die in Tunesien geborene, temperamentvolle Marie nie verwunden hat. »Fische haben empfindliche Füße«, pflegte Marie zu sagen, die immer wieder ins Straucheln geriet bei dem Versuch, im neuen Land Fuß zu fassen. Der schmerzhafte Abschied von Tunesien, die erste dramatische Liebe im Pariser Mai 1968, die Flucht vor den Übergriffen Luciles nach Berlin, wo Lisa Jahre später zur Welt kam – von all dem hat Marie ihrer Tochter erzählt. Doch kann Lisa den Erzählungen ihrer Mutter trauen?

Elsa Koester porträtiert drei charakterstarke Frauen, deren Schicksale von gesellschaftlichen Umbrüchen und Krisen gezeichnet sind. Die hinreißende Leichtigkeit, mit der sie die Perspektiven von drei Generationen verwebt, die gewinnende Eigenwilligkeit ihrer Figuren und der gesellschaftlich-scharfsichtige Blick der Autorin machen »Couscous mit Zimt« zu einer mitreißenden Lektüre, ein Familienroman voller emotionaler Wärme, Empathie und einer sprühenden Lust am Erzählen.

Autorin
Elsa Koester wurde 1984 als Tochter einer französischen Pied-noir mit tunesischer Kolonialgeschichte und eines norddeutschen Friesen mit US-amerikanischer Auswanderungsgeschichte in Berlin geboren, wo sie heute lebt. Sie studierte Literatur- und Politikwissenschaft sowie Soziologie und engagierte sich über 15 Jahre in sozialen Bewegungen. Heute arbeitet sie als politische Redakteurin bei der Wochenzeitung »Der Freitag«. Die neu entflammte Debatte über Identität und Heimat inspirierte sie zu ihrem Romandebüt »Couscous mit Zimt«, in das ihre Erfahrungen aus einer diversen kulturellen Identität, als Journalistin und Aktivistin mit einfließen.

Elsa Koester
Couscous mit Zimt
Hardcover
448 Seiten
Neuerscheinung August 2020
Euro 24,- inkl. MwSt.   jetzt kaufen


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Montag, 24. August 2020

Eine Liebe zwischen den Fronten


lübbe

MARIA  W.  PETER

 EINE LIEBE ZWISCHEN DEN FRONTEN

Historischer Roman

Berlin, 1870: Die Französin Madeleine und der junge deutsche Arzt Paul feiern gerade ihre Verlobung, als eine schreckliche Nachricht ihre Pläne durchkreuzt: Zwischen Preußen und dem Französischen Kaiserreich ist der Krieg ausgebrochen. Überstürzt brechen Madeleine und ihr Vater in ihre Heimatstadt Metz auf.

Paul muss als preußischer Militärarzt zurück zu seinem Regiment nach Coblenz. Von nun an Feinde zu sein und auf unterschiedlichen Seiten zu stehen, ist für Paul und Madeleine unerträglich. Kann ihre Liebe den Krieg überstehen?

Packender historischer Roman über das Schicksal dreier Familien, die der Deutsch-Französische Krieg auseinanderreißt.

Mit vielen Schauplätzen in Deutschland, Lothringen und dem Elsass. (Verlagstext)

 

Autorin

Maria W. Peter ist seit Langem von Amerika begeistert. Während ihres Studiums der  Amerikanistik und Anglistik war sie Mitglied eines amerikanischen Chors auf dem Militärstützpunkt in Kaiserslautern und pflegte intensive Kontakte zu amerikanischen Familien. Später lebte sie in Columbia, Missouri, wo sie als Fulbright-Stipendiatin die School of Journalism besuchte. Dort erlag sie endgültig der Faszination amerikanischer Kultur und Geschichte. Schon zu Studienzeiten arbeitete Maria W. Peter als Journalistin. Heute ist sie als freie Autorin tätig und pendelt zwischen dem Rheinland und dem Saarland.

Maria W. Peter
Eine Liebe zwischen den Fronten
Taschenbuch
623 Seiten
Euro 12,90 inkl. MwSt.  jetzt kaufen

 

Bemerkung:

Eine Erinnerung an den deutsch-französischen Krieg, der vor 150 Jahren stattfand.

Wichtig ist auch die Einbeziehung kolonialer Truppen, die für Frankreich an der Front kämpften. Es waren dies die bekannten Algerischen Tirailleurs. Tatsächlich sind viele Franzosen nach dem Krieg nach Algerien ausgewandert, was allerdings für die Algerier eine massive Verschlechterung ihrer Situation im eigenen Land bedeutete, da sie zunehmend von der Kolonialverwaltung unterdrückt und ihrer Rechte beraubt wurden.

Ebenso ist das Nachwort eine anschauliche und interessante Ergänzung zum intensiv recherchierten Roman.

(B.Agada)


Freitag, 31. Juli 2020

Das 40. Erlanger Poetenfest findet statt - 27. bis 30. August 2020

Stadt Erlangen - Kulturamt

Endlich einmal keine Absage! Das Erlanger Poetenfest, eines der bekanntesten und beliebtesten Literaturfestivals im deutschsprachigen Raum, wird vom 27. bis 30. August zum 40. Mal stattfinden. Die Jubiläumsausgabe wird eine besondere. Schließlich sind Großveranstaltungen bis auf Weiteres nicht erlaubt.

Das Kulturamt der Stadt Erlangen hat sich deshalb dafür entschieden, das 40. Erlanger Poetenfest 2020 in kleinen, dezentralen Veranstaltungsformaten und verstärkt im öffentlichen Raum umzusetzen. Eine große Anzahl an musikalischen und performativen Sonderveranstaltungen sowie Installationen im öffentlichen Raum ergänzen das diesjährige Fest.

Rund 90 Schriftstellerinnen und Schriftsteller, Publizistinnen und Publizisten, Künstlerinnen und Künstler werden auch in diesem Jahr nach Erlangen kommen. Im Mittelpunkt steht die Reihe „Literatur aktuell“, unter anderem mit Marcel Beyer, Birgit Birnbacher, Valerie Fritsch, Verena Güntner, Anna Katharina Hahn, Monika Helfer, Thilo Krause, Christoph Peters, Marion Poschmann, Leif Randt, Ulrike Almut Sandig, Andreas Schäfer, Peter Stamm, Heinrich Steinfest und Anne Weber.

Zum Auftakt des 40. Erlanger Poetenfests präsentiert das Kulturamt Erlangen gemeinsam mit dem
Bayerischen Rundfunk am neuen Veranstaltungsort „Kulturinsel Wöhrmühle“ die Bayern 2-Nacht der Poesie. Esther Kinsky, Nadja Küchenmeister und Marion Poschmann stellen ihre neuen Gedichtbände vor, Lutz Seiler liest aus seinem mit dem Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichneten Roman „Stern 111“, Yasmo performt feministischen Hip Hop, umrahmt vom Slam-Poeten Bas Böttcher zusammen mit dem Trompeter Frank Braun.
Die aktuelle Literatur wird in diesem Jahr an fünf Orten in jeweils einstündigen Einzelveranstaltungen gefeiert. Marcel Beyer, Birgit Birnbacher, Daniela Danz, Valerie Fritsch, Dorothea Grünzweig, Verena Güntner, Anna Katharina Hahn, Monika Helfer, Volker Jarck, Thilo Krause, Christoph Peters, Marion Poschmann, Leif Randt, Ulrike Almut Sandig, Andreas Schäfer, Peter Stamm, Heinrich Steinfest, Anne Weber, Iris Wolff und Nell Zink und werden in der Regel jeweils zwei Mal an verschiedenen Orten eine halbe Stunde aus ihren Neuerscheinungen lesen und anschließend mit verschiedenen Poetenfest-Moderatorinnen und Moderatoren sprechen.

Die Gesprächsreihe „Zäsur 2020 – Die Welt im Wandel“ wird anlässlich der Corona-Krise Themen wie Freiheit, Demokratie, Bürgerrechte, Europa, Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft, Identität, Sprache und Ausgrenzung in den Fokus nehmen.
Was wir wollen … Was uns ausmacht … Was uns verbindet … Was uns abverlangt wird … Was es uns kostet … Was uns anstachelt … Wie sich Lager bilden … Was der Sprache zu Grunde liegt …
Unter dem Motto „Zäsur 2020 – Die Welt im Wandel“ wird die Gesprächsreihe mit elf einzelnen Veranstaltungen Themen beleuchten, die durch die Corona-Krise besonders in den Fokus oder auf beunruhigende Weise in den Hintergrund getreten sind: Freiheit und Individualität, Rechtsstaat und Demokratie, Digitalisierung, wirtschaftliche Entwicklungen, Europa, Lagerbildungen in den USA und bei uns, Ausgrenzung, Rassismus, Familie und Gesellschaft, Sprache und Identität, Heimat …
Dazu haben hochkarätige Gäste zugesagt: der Amerika-Experte Tyson Barker, der Autor Max Czollek, die Politikwissenschaftlerin Ulrike Guérot, die Publizistin Kübra Gümüşay, die Philosophin Svenja Flaßpöhler, die Strafrechtlerin Elisa Hoven, die Literaturwissenschaftlerin Marina Münkler, der Wirtschaftsjournalist Henrik Müller, der Kulturjournalist und Korrespondent Malcolm Ohanwe, der irakische Schriftsteller Usama Al Shahmani, der Soziologe Martin Schröder und die Reporterin Gabriele Riedle.

Nachdem der Internationale Comic-Salon Erlangen in diesem Jahr abgesagt werden musste, steht das
Poetenfest-Programm für Kinder und Familien ganz im Zeichen der Comics: Am Wochenende findet im Garten des Kulturzentrums E-Werk das „Kinder lieben Comics! – Poetenfest-Spezial“ statt, mit Lesungen, Live-Zeichnen und Workshops. Dabei sind unter anderem Martin Baltscheit, Anne Becker, Tanja Esch, Anke Kuhl, Mawil, Philip Waechter und Matthias Wieland. Schon ab 1. August können Kinder ab 8 Jahren an einer Detektiv-Rallye durch die Erlanger Altstadt teilnehmen. Wer deckt die fiese Meerschweinchenentführung auf?
Auch grafische Literatur für Erwachsene findet sich in diesem Jahr verstärkt im Programm des Poetenfests: Der Erlanger Zeichner Michael Jordan stellt in einer Ausstellung und in einer Lesung gemeinsam mit dem Gitarristen Robert Lepenik seine neue Graphic Novel „Warum wir müde sind“ vor, Mawil präsentiert seine gefeierte Western-Hommage „Lucky Luke sattelt um“ und die diesjährigen Max und Moritz-Preisträgerinnen und -Preisträger Julia Bernhard, Anke Feuchtenberger, Lisa Frühbeis, @kriegundfreitag und Anke Kuhl lesen aus ihren prämierten Werken.

Auf der Kulturinsel Wöhrmühle, die in diesem Jahr gemeinsam mit dem Kulturzentrum E-Werk eigens eingerichtet wird, treten die Singer-Songwriter beim „Highlander Song Slam“ gegeneinander an und der klassische Open Air Poetry Slam zum Poetenfest präsentiert wieder einige der besten Literaturperformerinnen und -performer Deutschlands. Denis Scheck und Anne-Dore Krohn werden 250 Jahre Hölderlin feiern, Helmut Böttiger und Dirk Kruse anlässlich des 50. Todestags den jüdischen Dichter Paul Celan beleuchten, die Sängerin Dota wird mit ihrer Band ein Mascha Kaléko-Programm vorstellen und Nora Gomringer gemeinsam mit Jonas Timm und Philipp Scholz ihre Hommage an Dorothy Parker mit dem Titel „PENG PENG Parker“ nach Erlangen mitbringen.
Auch das Bayern 2-Büchermagazin „Diwan“ macht wieder in Erlangen Station und in Zusammenarbeit mit den Lamm-Lichtspielen wird eine Reihe von Literaturverfilmungen gezeigt.

Eine besonders wichtige Rolle wird in diesem Jahr der öffentliche Raum spielen. 
Wolf Böwig: 40.555 – der Kriegsfotograf rückt den Gewaltraum Europa auf Straßen und Plätzen Erlangens in den Fokus, indem er seinen Blick auf die Flüchtlingslager auf den griechischen Inseln und die Situation an den europäischen Außengrenzen richtet. In einem „Stationengespräch“ mit Marko Dinić berichtet er von seinen Erfahrungen.

Die Gesprächsreihe „Zäsur 2020 – Die Welt im Wandel“ findet ihre Fortsetzung in einer großen Plakat-Kampagne, zu der zehn Gestalterinnen und Gestalter eingeladen wurden. Von Katastrophen, Umbrüchen und Neuanfängen erzählen Fahnentexte in der Innenstadt, Stimmen aus 40 Jahren Poetenfest werden an überraschenden Orten zu hören sein, der Objekt-Künstler Ariel Doron
wird mit seinem Buch-Retter-Mobil unterwegs sein und die Künstlergruppe „Studio B11“ wird dem ehemaligen Landratsamt am Marktplatz neues Leben einhauchen.

Hauptveranstaltungsorte sind der Skulpturengarten Heinrich Kirchner am Burgberg, der Innenhof des Stadtmuseums, Wiesengrundstücke der Villa an der Schwabach, des Bürgertreffs Die Villa, die Kulturinsel Wöhrmühle, das Open Air Gelände An der Bleiche, der Redoutensaal, das Kulturzentrum E-Werk und die Lamm-Lichtspiele.

Im Freien angekündigte Veranstaltungen finden auch bei Regen statt. Es gibt in diesem Jahr keine Ausweichmöglichkeit in Innenräume!
Aus organisatorischen Gründen müssen in diesem Jahr für alle Veranstaltungen Eintrittskarten
erworben werden. Es wird dringend empfohlen, den Vorverkauf in Anspruch zu nehmen, da Tageskassen nur in Ausnahmefällen und bei Restkarten geöffnet werden.
Der Vorverkauf startet online und an den bekannten Vorverkaufsstellen am 6. August.  

Weitere Informationen:
Das Programmheft mit ausführlichen Informationen zu den einzelnen Veranstaltungen sowie zu den Teilnehmerinnen und Teilnehmern ist ab Mitte August an ausgewählten Vorverkaufsstellen und Buchhandlungen in der Region Erlangen, Nürnberg, Fürth, Bamberg zum Preis von 4,00 Euro erhältlich.

Dienstag, 14. Juli 2020

Rezension: Afrika, in Ketten

Die andere Bibliothek
Rezension

ALBERT  LONDRES

AFRIKA,  IN  KETTEN


Albert Londres (1884 - 1032) sieht sich als „Reporter und nichts als das“.
Umso erschütterter ist er über die Reaktionen, die seine Reportagen über Westafrika in der Zeitung „Le Petit Parisien“ und sein Buch auslösten. 1928 war er vier Monate in den französischen Kolonien unterwegs und jeden Tag wurden seine Berichte auf der Titelseite veröffentlicht.
Er wurde beschimpft als gemeiner Journalist, Verächter Frankreichs, Lügner, Verräter, Zuhälter, Mestize u.a.
Und dies, obwohl er seinen Beruf als investigativer Journalist auf der „Suche nach der Wahrheit“ sieht und nicht „darin, jemanden nach dem Munde zu reden“.

Das Buch ist in zwei Teile gegliedert. Schwarz und weiß. Die Wahrheit über Afrika besteht aus der Einleitung, 28 Kapitel und einem Epilog, in dem er seine Erkenntnisse zusammenfasst. Der zweite Teil, Hätte Dante das gesehen, beschreibt die Situation in den nordafrikanischen Straflagern.

Die Suche nach der Wahrheit führte Albert Londres 1928 nach Französisch-Westafrika. In Dakar (Senegal) ging er an Land und reiste mit dem Zug nach Bamako. Von dort nach Timbuktu, mit dem Schiff auf dem Niger nach Mopti (alle Mali), nach Ouagadougou, Bobo Diolassu (beide heute Burkina Faso), weiter auf neuen, von Westafrikanern gebauten Straßen zur Elfenbeinküste (Côte d’Ivoire) und Dahomey (heute Benin). Mit dem Schiff ging es weiter nach Gabun und Kongo, das später Zaire und heute Republik Kongo heißt.

Im Kongo wollte sich Londres über den Fortschritt des Baus der „Kongo-Ozean-Bahn“ informieren und erlebte eine Tragödie. Die Bahn sollte den Hafen Pointe-Noire mit der Hauptstadt Brazzaville (502 km) verbinden. Bislang mussten Reisende über das belgische Kongo einreisen, (eine „Zumutung“ für Franzosen!) um in den französischen Kongo zu gelangen.

Auf dieser viermonatigen Reise erfuhr er den tatsächlichen Zustand der Kolonie, der in offiziellen Berichten des Kolonialministeriums als „auf das Beste bestellt“ zu optimistisch dargestellt wurde. Obwohl er nicht gegen den Kolonialismus an sich war, deckte Londres die Tatsachen vor Ort auf und bemerkte, dass „wir nur versuchsweise zivilisieren“ und dass die „Schuldigen im Mutterland und nicht in den Kolonien zu suchen seien“.

Auf seinem Weg vom Senegal zum Kongo erlebte und sah Albert Londres die Wirklichkeit des Zustandes der Kolonien und war entsetzt, aufgebracht, erschüttert, entrüstet, wütend.
Bei einer früheren Reise wurde ihm der Ausstieg in Dakar verwehrt, weil dort das Gelbfieber ausgebrochen war. Da diese Nachricht gar nicht in Frankreich ankam, wusste niemand von den vielen Opfern der Krankheit und es wurden keine Medikamente geschickt.
1928 wurde er gleich belehrt als er einen Träger anmieten wollte: „Träger ? … Sie haben wohl den Größenwahn ? Im Senegal sind die Schwarzen keine Träger, sondern Wähler“ !! (Ein Fortschritt)
Das neue Postgebäude war fertig gebaut, aber wo sind die Leute in den Cafés, die alten Terrassen vor den Cafés waren leer oder verschwunden - eine Vorsichtsmaßnahme, man hatte noch Angst vor dem Gelbfieber.

Offiziell war die Sklaverei abgeschafft, aber noch 1928 stand in den Zeitungen, dass England in Sierra Leone 230.000 Sklaven freigelassen hat. Diese Engländer! - doch auch Spanien, Portugal und Belgien hatten noch Sklaven und überhaupt „gab es nichts anderes als Sklaven in den Kolonien“, stellte Londres erschüttert fest. Nur jetzt zahlten sie Steuern, ohne die Frankreich nicht überleben würde (so ähnlich bis heute). Jetzt wurden die Afrikaner als Arbeiter eingesetzt und ausgebeutet für den Straßen-, Kanal- und Eisenbahnbau. Anstatt Maschinen für den Bau einzusetzen (wie es die Engländer machten), die Geld kosteten, wurden lieber Afrikaner geschunden, bis sie tot umfielen - Bananenmotor statt Dieselmotor! Das war billiger, denn an Menschen fehlte es nicht. Wer konnte, rettete sich in die englischen Kolonien, wo es angeblich besser war. („In Afrika dienen alle.“)
Immer wieder zeichnete der Reporter dieses Bild, egal wo er hinkam, die Opfer waren gewaltig.

Das aktuelle Projekt, das Londres selbst sehen wollte und nicht, wie sein Landsmann André Gide nur darüber schrieb, ohne es gesehen zu haben, war der Bau der „Kongo-Ozean-Bahn“, der Tragödie, die den französischen Zeitungsleser die Realität der Kolonien vor Augen führte. „Das große Sterben“ für 502 Kilometer! Aus den kolonisierten Ländereien wurden die Männer zusammengezogen. Sie wurden nicht per Bahn, Lastwagen oder Schiff nach Kongo gebracht, sondern mussten zu Fuß durch die afrikanische Hitze gehen. Von 8000 geforderten Männern kamen nur 1700 an. Um den Verlust zu ersetzen, wurden wieder Leute in den Dörfern rekrutiert, aber die Männer flohen vorher schon. Von den 500 km waren erst 200 km fertig und schon 17.000 Menschen gestorben !!!
Kein Wunder, dass rund 3 Millionen Afrikaner vor den desaströsen Arbeitsmethoden aus den französischen Kolonien flohen.

Ein, bis heute aktuelles Thema, ist das (illegale) Holzfällen in den afrikanischen Regenwäldern. Die Tropenhölzer wurden 1928 von Hand aus dem dichten Wald herausgezogen. “Ich folgte den Schreien und sehe Entsetzliches: Hundert nackte, an einen Baumstamm angeseilte Schwarze versuchen diese fortzuziehen. …. Der Aufseher schlägt den Takt dazu mit seiner Pfeife.“

„Trotzdem wird in der ganzen Welt behauptet, dass es keine Sklavenhändler mehr gibt.“

Albert Londres traf viele Franzosen, die in die Kolonien versetzt wurden und so schnell wie möglich wieder zurück wollten, andere, die Geschäfte aller Art abwickelten und sogar welche, die Westafrika gar nicht mehr verlassen wollten. Auch über sie berichtet er in diesem Buch.

Im Epilog des ersten Teils fasst Albert Londres anschaulich die Methoden Frankreichs zusammen und lässt eine überraschte Leserschaft zurück, die von den kolonialen Machenschaften nichts wusste (oder wissen wollte), denn offiziell wurden die entsetzlichen Dinge, die der Journalist aufdeckte und den rund 2 Millionen Lesern des Petit Parisien täglich auf der ersten Seite präsentierte, unter den Teppich gekehrt und bei offiziellen Besuchen von „Politikern oder bedeutenden Reisenden gutes Essen serviert“  und nichts vom eigentlichen Zustand der Kolonien gezeigt, dessen Verantwortung allein das französische Mutterland trägt.


Der zweite Teil des Buches beschäftigt sich mit dem Zustand der Straflager des Militärs in Marokko, Algerien und Tunesien, genannt Biribi.
In diesen Straflagern waren rund 3500 Verurteilte, manche unschuldig, die meisten schuldig. Sie kamen aus dem  afrikanischen Bataillonen, dem französischen Korps, der Rheinarmee, der syrischen Armee und dem chinesischen Regiment. Ihre Vergehen: „Desertion, Waffenverweigerung, mutwillige Beschädigung von Kleidung, Diebstahl, Übergriffe auf Personen, Ungehorsam, Beleidigung von Vorgesetzten.“ Die größte Macht über diese Gefangenen hatten die Unteroffiziere, Feldwebel oder Hauptfeldwebel, die ihre Launen an den Gefangenen ausließen. Albert Londres lässt die Insassen zu Wort kommen und zeigt die Verwahrlosung in den Lagern.

Ein Nachwort haben Irene Albers und Wolfgang Struck geschrieben. Am Ende ist eine Titelseite der Zeitung „Le Petit Parisien“ abgedruckt.

Autor
Albert Londres (1884–1932) war ein französischer Journalist. Im ersten Weltkrieg berichtete er für die Zeitschrift „Le Matin“ als Kriegsberichterstatter, für andere Tageszeitungen und das vielgelesene „Le Petit Journal“, womit seine Bekanntheit zunahm. Bereits 1923 berichtete Londres über den Rassismus in Guyana.  
Von Albert Londres’ Ruhm zeugt in Frankreich bis heute der nach ihm benannte Journalismuspreis, der renommierteste des Landes, der alljährlich für die beste Reportage vergeben wird. In der Anderen Bibliothek erschien von ihm: Ein Reporter und nichts als das (Band 348).

Fazit:
Ein überaus interessantes Buch, das Tatsachen aufdeckt, die wohl in jeder Kolonie üblich waren. Gerade jetzt, wo die Diskussionen über Rassismus und Kolonialismus zunehmen, trägt es zur Information und Aufklärung bei.
Das Thema des Kolonialismus ist so brisant, dass 2005 der damalige Präsident Nicolas Sarkozy versuchte „per Gesetz eine positive Darstellung des französischen Kolonialismus in  Schulbüchern [zu] verordnen.“ Absolut lesenswert.


Samstag, 6. Juni 2020

Namibia: Völkermord - und was dann ?

Brandes Apsel

REINHART  KÖSSLER  /  HENNING  MELBER

VÖLKERMORD -  UND  WAS  DANN ?
Die Politik deutsch-namibischer Vergangenheitsbearbeitung
              
»Dieses Buch richtet sich in erster Linie an uns Deutsche. Wollen wir uns mit der Vergangenheit in der Gegenwart als nötiger Grundlage für die Zukunft befassen, müssen wir bei uns beginnen, auch wenn dies andere betrifft. Dieses Buch ist ein willkommener Beitrag dazu, unsere Wahrnehmungen zu schärfen. Es plädiert eindringlich für geeignete Schritte zu einer deutsch-namibischen Begegnung im Sinne wirklicher Völkerverständigung.« (Heidemarie Wieczorek-Zeul, Bundesministerin a. D.)

Reinhart Kößler und Henning Melber, zwei ausgewiesene Kenner Namibias und international anerkannte Wissenschaftler, bemühen sich seit Jahrzehnten um einen kritischen Umgang mit dem kolonialen Erbe des Kaiserreiches.
Sie rekapitulieren den Völkermord und die mühevolle Erinnerungsarbeit, wie sie von Teilen der deutschen Zivilgesellschaft und den betroffenen Bevölkerungsgruppen Namibias schon lange eingefordert wird.
Ein Buch, das exemplarisch den konsequenten Umgang mit staatlicher Gewalt in der Geschichte fordert, die bisherigen Versäumnisse dokumentiert und neue Perspektiven aufzeigt.

Autor:
Henning Melber, geboren 1950 in Stuttgart, kam 1967 als Sohn von Einwanderern nach Namibia, wo er 1974 der antikolonialen Befreiungsbewegung SWAPO beitrat. Ab 1975 war er persona non grata in Namibia (bis 1989) und in Südafrika (bis 1993). Er studierte Politikwissenschaften und Soziologie an der Freien Universität Berlin, promovierte und habilitierte an der Universität Bremen. Ab 1992 leitete er die Namibian Economic Policy Research Unit in Windhoek. 2000 wechselte er als Forschungsdirektor an das Nordic Africa Institute in Uppsala, wo er von 2006 bis 2012 die Dag Hammarskjöld Stiftung leitete. Beiden Institutionen ist er weiterhin in beratender Funktion verbunden. Er ist Extraordinary Professor am Department of Political Sciences der Universität Pretoria und dem Centre for Gender and Africa Studies der University of the Free State in Bloemfontein, Senior Research Fellow am Institute for Commonwealth Studies der Universität London sowie seit 2017 Präsident der European Association of Development Research and Training Institutes (EADI). Bei Brandes & Apsel sind von ihm Bücher u. a. zu Rassismus, globaler Solidarität, Dag Hammarskjöld und Namibia erschienen.

Vorwort von Heidemarie Wieczorek-Zeul
(Verlagstext)


Reinhart Kößler / Henning Melber
Völkermord – und was dann?
Paperback
Format 15,5 x 23,5 cm
176 Seiten
1. Auflage 2017
Euro 19,90 inkl. MwSt.   Buch kaufen