Titus Burckhardt, Fes |
TITUS BURCKHARDT
FES - STADT DES
ISLAM
Ein bemerkenswertes und eindrucksvolles Buch über die
Stadt Fes ist vor kurzem erschienen.
Fes, eine der Königsstädte im nördlichen Marokko, wurde
von dem Kunsthistoriker und Orientalisten Titus Burckhardt beschrieben. Er
lebte in den 1930er Jahren für eine längere Zeit in Fes und kehrte nach der
Unabhängigkeit Marokkos von Frankreich (1956) zurück. Aus dieser Zeit stammt das
vorliegende Buch, das kein gewöhnlicher Stadtführer, eher ein „Verführer“ ist. Der
Autor fragt sich, ob er „die herbe und würzige, äußerlich arme, aber innerlich
reiche Welt des Mittelalters“ noch vorfindet. 1972 besuchte Titus Burckhardt nochmals
im Auftrag der UNESCO die Königsstadt, um ein Konzept für den Erhalt der
Altstadt und des traditionellen Handwerks zu erarbeiten.
Der Leser wandert nun mit dem Autor von außen durch die
Stadttore immer weiter hinein, bis er im mystischen Raum, im Zentrum des
Denkens, ankommt.
Nicht nur physisch sondern auch geistig erfasst Titus
Burckhardt die Stadt und die Menschen von Fes, die Gebäude, ihre Struktur und
Dekoration, sowie die Handwerker und Gelehrten, die Fes bis heute prägen. Dabei
lernt der Leser etwas über die Architektur der Königsstadt, Moscheen und
Medressen, Bäder, Märkte und Herbergen, Dekoration der Innenräume, über die
Menschen, Nomaden und Sesshafte, Berber und arabische Einwanderer, die in Fes
lebten und leben und den maghrebinischen Islam mit seinen Rechtsgelehrten und
Mystikern kennen. Er zitiert andere Reisende wie Pierre Loti, der 1889 in
seinem Tagebuch eine Begegnung mit Sultan Mulay al-Hassen festhält oder Leo
Africanus.
Auf den Bildern sieht man Männer, eingehüllt in Burnus
oder Djellaba, die mit Eseln durch die verwinkelten Gassen der Altstadt zu
ihren Häusern gehen. Die Frau als Herrin des Hauses wandelt über die offenen
Dächer mit freiem Blick. Der Autor gibt einen Einblick in das Haus. Das bekannte
marokkanische Mosaik beschreibt er als geometrische Rose oder als vielstrahlige
Sterne, die ein „schimmerndes Planetarium“ ergeben. Auffällig in der
Architektur sind die maurischen Bögen, über die Titus Burckhardt schreibt: „Die
islamische Kunst ist für den Adel eines Bogens überaus empfindlich.“ Der einzige
Schmuck mancher Gebäude besteht nur aus diesen Bögen. Vom Haus geht er über zu
den Frauen, der Ehe und den Sklaven.
Man wird immer weiter hineingezogen in das Wesen der
Stadt, die sich seit ihrer Gründung durch Moulay Idris II. im 8. Jahrhundert gegen
viele Umbrüche behauptet hat und ihr Wissen der islamischen Wissenschaften
bewahrt. Noch heute sind die Qarawin-Moschee und -Hochschule Orte des
Studierens. Titus Burckhardt lässt den Leser teilhaben an seiner Begegnung mit dem
Gelehrten Mulay Ali, der ihn „in die Grundlagen des arabischen Wissens
einführte“. Somit erfahren wir etwas über die arabische Sprache, die Gottes-
und Rechtslehre, den Koran, die sufische Weisheit und die Mystiker wie Abu
Madyan, Ibn Arabi, Al-Djazuli, At-Tidjani und anderen, die gerade im Maghreb
eine große Bedeutung haben.
Die neue Moderne bleibt draußen in den Neustädten und
Vierteln, die während der französischen Kolonialzeit gebaut wurden. Und auch
hiervon weiß Titus Burckhardt zu berichten.
Autor:
Titus Burckhardt
lebte von 1908 bis 1984. Er wurde in Florenz geboren, sein Vater war Bildhauer
und so studierte er Kunstgeschichte, dann Orientalistik. Vor allem lebte
Burckhardt von seinen Tätigkeiten als Übersetzer, Zeichner, Verleger und
Publizist. Neben „Fes - Stadt des Islam“ zählen „Die maurische Kultur in
Spanien“ und „Art of Islam“ zu seinen Meisterwerken.
Das Vor- und Nachwort schrieb Navid Kermani, der 2015 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels
erhielt. Im C.H.Beck Verlag sind mehrere seiner Bücher erschienen.
Fazit:
Wieder einmal ist im C.H.Beck-Verlag ein gelungenes Buch
in der Reihe „Neue Orientalische Bibliothek“ erschienen.
Der sehr schön gestaltete Titel Fes ist mit 47 schwarz-weiß
Bildern der Stadt, 25 Zeichnungen des Verfassers versehen. Darstellungen von
maghrebinischen Koranseiten und arabischen Schriftzeichen wechseln ab mit
Gedichten oder Versen aus dem Koran und Zitaten der Mystiker.
Titus Burckhardt lässt Historiker wie Ibn Chaldun zu Wort
kommen und zitiert Mystiker, die seine Erkenntnisse unterstreichen.
Navid Kermani hat das Vorwort geschrieben und einen
Eindruck seines Besuches vom heutigen Fes im Nachwort gegeben.
Eine wunderbare Empfehlung für alle Besucher der Stadt
Fes und Marokkos, zur Vorbereitung ebenso wie zum Nachlesen nach einer Reise.