C.H. Beck |
BÉNÉDICTE SAVOY
AFRIKAS KAMPF UM SEINE KUNST - Geschichte einer postkolonialen Niederlage
Seit der Unabhängigkeit vieler
afrikanischer und asiatischer Staaten fordern diese mit Recht ihre Kunstschätze
zurück, die sich in europäischen und deutschen Museen befinden.
Professorin Bénédicte Savoy untersucht in ihrem überaus lesenswerten Buch die „endlose“ Geschichte der Forderungen, Anfragen, Bitten auf der afrikanischen (und asiatischen) Seite und die Abweisung, Ablehnung, Verweigerung und Nichtbeachtung auf europäischer und deutscher Seite.
Worum geht es genau ?
Konkret fordert Nigeria von Großbritannien
den umfangreichen Schatz der wertvollen Benin-Bronzen, der 1897 von britischen
Truppen „gewaltsam“ geraubt und von London aus in andere europäische Länder,
darunter Deutschland (1900 an die Stiftung Preußischer Kulturbesitz) verkauft
wurde.
Benin fordert von Frankreich 26 Gegenstände, Kongo von Belgien 200 Werke, ebenso Zaire, Ghana fordert von Großbritannien die „Asante-Regalien“, Sri Lanka möchte gern 16 Holzmasken von Deutschland und 20 Objekte vom Britischen Museum, Tanzania hätte gern einige Objekte von Deutschland zurück, ebenso Kamerun und Togo.
Für die afrikanischen Staaten geht es nicht nur um die Objekte, sondern auch um die Aufarbeitung ihrer Kolonialerfahrungen, ihre Geschichte und Kulturgüter, die den nachfolgenden Generationen vorenthalten werden.
Ab 1971 wurden aus den Forderungen nur noch Anfragen für (Dauer)Leihgaben einzelner Objekte mit symbolischer Bedeutung.
Dass es sich bei den Anfragen nur um „einige wenige Objekte“ geht, wie bereits in der Einleitung im Buch dargestellt, und gar nicht einmal um ganze Sammlungen und dass diese auch oft nur ausgeliehen werden sollten, wurde von den europäischen und deutschen Museumsdirektoren großzügig überlesen oder überhört bzw. ignoriert. Befürchtete man doch „leere Museen“ in Europa, was so gar nicht stimmt, denn auch die Depots sind bis heute voll von „kolonialem Beutegut“.
Mitte der 1970er Jahre gelangte das Thema in den Blickwinkel der Öffentlichkeit, es erschienen Zeitungsartikel, Filme und auch das Fernsehen berichtete später. Sofort verteidigten sich die Museumsverantwortlichen mit dem so oft wiederholten Phrasen die Objekte „kamen auf legalem Weg zu uns“ oder wurden „geschenkt“ bzw. „gekauft“ und eine Rückgabe sei strikt abzulehnen, um den „Nationalismus der Entwicklungsländer“ nicht nachzugeben.
Mit der für Dezember letzten Jahres geplanten Eröffnung des Humboldt-Forums in Berlin, das dazu Teile des Benin-Schatzes zeigen wollte, wurde eine erneute Diskussion um Restitutionen angestoßen. Da erscheint dieses Buch genau zum richtigen Zeitpunkt, um die Geschichte aufzuzeigen und um die Öffentlichkeit nochmals auf diese jahrelangen Ungerechtigkeiten aufmerksam zu machen, und um Diskussionen, die bereits in den 1960er Jahren geführt wurden.
Ein wichtiges Buch, das hoffentlich dazu beiträgt, den berechtigten Restitutionsfragen nachzugeben und nur noch das „Wie“ zu diskutieren. Es macht betroffen und wütend über die Ausreden, die sich überhebliche Museumsdirektoren leisteten und darüber, dass bis heute keine Rückgaben erfolgten.
Nachtrag:
Am 30. April 2021
berichtet der Bayerische Rundfunk (B5 aktuell Kultur um 6.25 Uhr), dass die
berühmten Benin-Bronzen im Laufe des nächsten Jahres nach Nigeria
zurückgegeben werden. Dies teilte Bundeskulturstaatsministerin Monika Grütters
gestern, am 29. April 2021 nach Diskussionen mit den betroffenen Museumsdirektoren,
Ministerien und einem intensiven Dialog mit den Herkunftsländern mit. Sie
sagte, dass Deutschland „sich seiner moralischen und historischen Verantwortung“
bewusst ist. Bis Mitte Juli sollen Inventarlisten vorliegen und „im Verlauf des
Jahres 2022“ die Bronzen zurückgegeben werden. Es wird auch überlegt, „ob und
wie einige Benin-Bronzen (als Leihgaben) in Deutschland als kulturelles Erbe
der Menschheit gezeigt werden können.“ sagte Ministerin Grütters.
2018 ging Paul Starzmann im Tagesspiegel
der Frage nach: „Kolonialismus: Wie viel Raubkunst besitzen die Deutschen ?“ https://www.tagesspiegel.de/politik/kolonialismus-wie-viel-raubkunst-besitzen-die-deutschen/23225654.html
Bereits am 12.05.2019 äussert sich Bénédicte Savoy im Deutschlandfunk Kultur zum Thema: „An manchen Objekten klebt Blut“ https://www.deutschlandfunkkultur.de/benedicte-savoy-ueber-kolonialen-kunstraub-an-manchen.974.de.html?dram:article_id=448435
Und zur geplanten Eröffnung des Humboldt-Forums schreibt Marcus Woeller am 15.12.2020 in der Welt (Kultur): „Die Schloss-Party-Crasher“: https://www.welt.de/kultur/architektur/article222502978/Humboldt-Forum-Die-Schloss-Party-Crasher.html und die weiterführenden Links im Artikel: „Alles nur geklaut“ und „Von Togo lernen“.
Besonders aufschlussreich sind die Einträge bei Wikipedia unter: Benin-Bronzen, vor allem die Einzelnachweise von 2020 und ganz aktuell vom März 2021. https://de.wikipedia.org/wiki/Benin-Bronzen
Können sich die
Verantwortlichen noch herausreden und werden die Museumsstücke nun
zurückgegeben und wann ? „Versprechen oder Versprecher“ von Jörg Häntzschel in
der Süddeutschen Zeitung vom 22.03.2021 https://www.sueddeutsche.de/kultur/museen-benin-bronzen-rueckgabe-humboldt-forum-1.5243677