Samstag, 14. Juni 2014

Maurenland, Christenland - Rezension

Maurenland, Christenland
Ein Ritter, ein König, ein Poet
Rezension
MAURENLAND,  CHRISTENLAND
Ein Ritter, ein König, ein Poet: 
Drei Jahrhunderte spanische Reconquista

ISABEL  BLANCO  DEL  PINAL

Wer eine Kulturreise nach Spanien plant und sich darauf vorbereiten möchte, kommt um die Bücher von Isabel Blanco del Piñal nicht herum. Mit ihren außerordentlichen Detailkenntnissen über Land und Leute bringt sie den interessierten Leser das „goldene Zeitalter“ Spaniens, nämlich das Andalusien (Al-Andalus) des Mittelalters näher.

Das vorliegende Buch Maurenland, Christenland gibt die Lebensgeschichte 3 bedeutender Männer aus wichtigen Epochen wieder: Ritter Rodrigo Diaz de Vivar, genannt El Cid, aus dem 11. Jahrhundert, König Alfons X. aus dem 13. Jahrhundert und Dichter Miguel de Cervantes Saavedra aus dem 16./17. Jahrhundert. Alle drei lebten in Spanien in unruhigen politischen Zeiten, die sie mit ihren Taten beeinflussten bzw. unterhielten.

Der Ritter Rodrigo Diaz de Vivar

Wer kennt ihn nicht, den couragierten Ritter, der mal mit mal gegen die Mauren in den Kampf zog und durch den Hollywoodfilm aus den 1960er Jahren, „Der Cid“ mit Charlton Heston und Sophia Loren, auch in Deutschland berühmt wurde.
Das Leben von Rodrigo Diaz de Vivar beginnt 1043, als die Andalusier, die Muslime berberisch-arabischer Abstammung, fast ganz Spanien beherrschten. Zu dieser Zeit begann die Macht zu bröckeln, denn die berühmten Kalifen der Omayyadenherrschaft hatten unfähige Nachfolger, die das große Reich nicht zu regieren wussten und so zerfiel es in kleine Königreiche, die Taifas. Lebten vorher Muslime, Christen und Juden „gleichberechtigt“ unter islamischer Herrschaft neben- und miteinander, so witterten nun die nördlichen vier Königreiche Asturien-Léon-Kastilien, Aragon, Navarra und Katalonien ihre Chance auf Rückeroberung der ehemals westgotischen Gebiete.

Rodrigo Diaz de Vivar zieht von einer erfolgreichen Schlacht zur nächsten und wird dadurch immer reicher und mächtiger, doch „seinem“ König Alfons VI. bleibt er treu. Genauso oft verhandelt er aber auch mit den andalusischen Königen der Taifas und kann letztlich Valencia, sein großes Ziel für sich erobern. Mal kämpft er für die Andalusier mal gegen sie und dieses Wechselspiel brachte ihm später den umstrittenen Ruhm als „Maurenfreund“ ein, der genauso gut arabisch wie spanisch sprach und die Sitten und Traditionen auf beiden Seiten kannte.
Während auf der anderen Seite des Mittelmeers die Kreuzritter Jerusalem eroberten, starb 1099 der mutige Ritter Rodrigo, der den Titel El-Cid (arab. Sidi, respektvoller Herr) von den Andalusiern erhielt.

Das Leben des Cid wird in diesem Buch von der christlichen und maurischen Seite sowie durch die tatsächliche Geschichte und Legenden betrachtet, das bis ins 20. Jahrhundert immer wieder Thema von Theaterstücken, Filmen, Literatur war und sogar für Machtspiele der Franco-Diktatur missbraucht wurde. Bis heute Rodrigo Diaz de Vivar, genannt der Cid, zu den spanischen Nationalhelden.

Der König Alfons X.

Das 13. Jahrhundert wird mit der Persönlichkeit des Königs Alfons X. von Kastilien und Leon beschrieben. Er war einer der gebildetsten Herrscher seiner Zeit, für ihn spielen Geisteswissenschaften, fortschrittliches Denken, Toleranz und Dichtkunst eine bedeutende Rolle. Er schrieb über Astronomie, Astrologie, Mathematik und Recht, verfasste Gesetzestexte, aber auch Bücher über Würfel- und Brettspiele. Chronisten überwachte er persönlich und natürlich verschönte er, wie seine Nachfolger auch, für ihn nachteilige Passagen. Die Übersetzerschule von Toledo wurde unter seiner Herrschaft wieder weltberühmt und Christen, Muslime und Juden arbeiteten eng miteinander.
Seine dichterische Liebe galt der Heiligen Maria, für die er eigene Gedichte verfasste und von überall Geschichten und Gedichte sammelte, die in seinem Werk „Las Cantigas de Santa Maria“ (Die Loblieder der Heiligen Maria, 1277-1282) zusammengetragen und veröffentlicht wurden.

Doch neben all diesen wissenschaftlichen Tätigkeiten war Alfons X. auch noch König und als solcher „Imperator und Souverän von Gottes Gnaden“, der keine Einmischung von außen durch die Kirche duldete, was in einer Zeit, in der auf der anderen Seite des Mittelmeers die Kreuzzügler Jerusalem beherrschten und sich die Kirche überall einmischte, nicht so einfach war, denn Alfons war tolerant und offen für die andalusische und islamische Kultur.
Sein Ehrgeiz Kaiser des heiligen römischen Reiches zu werden, leerte die Staatskassen und brachten Alfons, neben anderen eher undurchsichtigen Machenschaften, zu Fall.

Der Dichter Miguel de Cervantes Saavedra

1547 wurde Miguel de Cervantes Saavedra in der Nähe von Madrid geboren. Berühmt wurde er durch seinen Roman „Don Quichotte von La Mancha“. Weniger bekannt sind seine vielen Theaterstücke und Sonetten, mit denen er versuchte seinen Lebensunterhalt zu verdienen, was aber auch in dieser Zeit nicht reichte und so nahm er andere Stellen, auch am spanischen Hof an, um seine Familie ernähren zu können, was im 16. Jahrhundert ziemlich schwierig war. Die spanischen Plünderungen Südamerikas brachten zwar viel Gold und Geld in die Staatskasse Spaniens, die König Philipp II. schnell durch die Ausrüstung der Armada gegen England und vieler anderer Ausgaben wieder verlor.

Das Leben Miguel de Cervantes ist gekennzeichnet von Ungerechtigkeiten ihm gegenüber, Geldmangel, Gefängnisaufenthalte und erst spätem Ruhm als „Erfinder des modernen Romans“, der ihm allerdings keinen „Geldsegen“ brachte, im Gegenteil, der Neid seiner Dichterkollegen begleitete ihn bis an sein Lebensende.
Zu seiner Zeit spielte die Geschichte des 16./17. Jahrhunderts auf dem Mittelmeer zwischen türkischer Herrschaft zur See und auf der südlichen Mittelmeerseite und den europäischen Versuchen die Osmanen zu besiegen. Cervantes war  1571 bei der Schlacht von Lepanto dabei, als die Europäer diese Seeschlacht gegen die Osmanen gewannen und er als Gefangener nach Algier kam. Dort blieb er einige Jahre bis er freigekauft wurde und nach Spanien zurückkehrte.

Für Cervantes waren Freiheit und Gerechtigkeit von überragender Bedeutung, um beides musste er immer wieder kämpfen und erlebte doch am eigenen Leib, was Ungerechtigkeit war.
Cervantes hat sich nach Ruhm und Anerkennung gesehnt, die ihm allerdings erst nach seinem Tod 1616 zuteil wurden. Heute gibt es über 4000 Biografien über den Poeten und seine Werke und im Centro Cervantino, der Museumsbibliothek von El Toboso werden 122 Ausgaben von Don Quichotte in 56 Sprachen aufbewahrt und ausgestellt, darunter eine mit der Unterschrift von Fürst Otto von Bismarck aus dem Jahr 1853.


Fazit:
Auch in diesem Buch schreibt Isabel Blanco del Piñal keine langweiligen Geschichtsfakten sondern einfühlsame und unterhaltende Porträts wichtiger Persönlichkeiten der spanischen Geschichte zur Zeit als Mauren, Christen und Juden friedlich miteinander in Al-Andalus lebten. Sie ergreift nicht Partei und beleuchtet die Geschichte von der berberisch-arabisch-muslimischen wie auch von der spanisch-christlichen Seite.
Isabel Blanco del Piñal hat ihr Herz an Spanien bzw. Andalusien verloren und beschert uns dadurch wunderbare Bücher zur mittelalterlichen Kultur des Landes. Ihre intensiven Kenntnisse und ihre Liebe zum Land sind auf wunderbare Art eingearbeitet. Das empfehlenswerte Buch ist gut zu lesen und wird mit vielen Farbbildern nochmals aufgewertet. Fachbegriffe werden am Ende bestens erklärt.


Autorin:
Isabel Blanco del Piñal wurde 1946 in Fulda geboren und wohnt heute überwiegend in München. Sie lebte und arbeitete zunächst 5 Jahre in Frankreich, danach 17 Jahre in Spanien. Sie schreibt ebenfalls für spanische Medien und ihr umfangreicher Beitrag über den Historiker Ibn Chaldun fand große Beachtung.
„Das größte Anliegen der Autorin ist Verständnis für fremde Kulturen zu wecken und das reiche, geschichtliche und kulturelle Vermächtnis der Völker auf einfache Art nahe zu bringen. Sie ist überzeugt: „Nur wer die Vergangenheit eines Volkes, eines Landes kennt, kann seine Menschen und seine Kultur heute verstehen.“

Werden in diesem Buch drei christliche Persönlichkeiten vorgestellt, beschreibt sie in ihrem Buch „Land am Sonnenuntergang“ nicht nur die Geschichte des Landes sondern auch das Mittelalter in Marokko durch wichtige Persönlichkeiten, wie z. B. den Chronisten Ibn Khaldun und lässt Emire zu Wort kommen, die auf beiden Seiten der Straße von Gibraltar lebten.

Isabel Blanco del Piñal ist eine ausgezeichnete Beobachterin und ihre Liebe zu Andalusien und den „Spuren der alten Araber“ hat sie nun sogar bis nach Usbekistan geführt, doch das ist eine weitere Geschichte, die noch geschrieben wird…
Ihre Bücher erscheinen in ihrem Verlag RoseNoire in München.


Isabel Blanco del Piñal
Maurenland, Christenland
Hardcover, 21 x 16 cm
100 Farbbilder, 440 Seiten
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