Mittwoch, 21. Januar 2015

Rezension: Araber als Teil der hellenistisch-römischen und christlichen Welt

Araber als Teil der hellenistisch-
römischen und christlichen Welt 
Rezension

AYAD  AL-ANI

Araber als Teil der hellenistisch-römischen und christlichen Welt  
Wurzeln orientalischer Betrachtung und gegenwärtiger Konflikte: von Alexander dem Großen bis zur islamischen Eroberung

  
Aktuelle Diskussionen über den Islam, Muslime und Bedrohung zeigen, wie wenig man voneinander weiß. Missverständnisse und die Angst voreinander führen bis in die Anfänge der arabischen und islamischen Geschichte zurück.

Das römische Imperium später Byzanz grenzte an die arabische Halbinsel, Syrien und Palästina gehörten dazu. Einzelne arabische Volksgruppen waren Christen, Nestorianer, Zoroastrier, Juden u.a. und viele Araber hatten hohe Posten in der römischen später byzantinischen Verwaltung inne. Auf der anderen Seite in Persien oder Indien war es genauso.

Entstehung des negativen Bildes der Araber

Professor Ayad Al-Ani untersucht in seiner Studie „auf Basis der westlichen und arabischen Sekundärliteratur“ die Entstehung des negativen Bildes der Araber in der Zeit von 331 v. Chr. (Alexanderfeldzug) bis 636 n.Chr. der Schlacht von Yarmuk, die  mit der Niederlage des byzantinischen Heeres gegen die Araber endete.

De-Arabisierung und Dekonstruktion der arabischen Geschichte

Dem Autor fällt auf, dass westliche Geschichtsschreiber die Araber als eine von vielen semitischen Gruppen auf der arabischen Halbinsel wahrnehmen, die relativ kurz vor der Ausbreitung des Islam ab 632 aus dem Dunkeln auftauchten und eine günstige Gelegenheit ausnutzten, um Byzanz und Persien zu bezwingen. Sie hätten dann nachträglich die Schrift, Dichtung und Religion „erfunden“, um eine „entsprechende geschichtliche Verankerung“ im neuen islamischen Reich zu belegen. Zudem würden westliche Wissenschaftler eine „De-Arabisierung“ und „Dekonstruktion der arabischen Geschichte“ betreiben und alle folgenden geschichtlichen und politischen Abläufe ausschließlich über die Religion des Islam erklären, wobei sie auch auf Historiker der Antike aufbauen, die die Präsenz der Araber im byzantinischen Reich und in Persien misstrauisch begegneten.

Trauma der westlichen Berichterstatter und Historiker?

Er führt diese religionsgeschichtliche Betrachtung auf ein eventuelles „Trauma“ zurück, das mit dem „Verlust des religiösen Kernlandes“ der Christen und Juden zu tun haben könnte. „Die islamischen Armeen Mohammeds“ haben bis zum 12. Jahrhundert (Kreuzzüge) die Länder des ehemaligen Römischen Imperiums erobert, was der Westen bis heute nicht verkraften könne. Deshalb werden aktuelle politische Veränderungen, wie der arabische Frühling, und mangelnde Demokratie mit religiösen bzw. religionsgeschichtlichen Ereignissen in  Zusammenhang gebracht, die allerdings 900 Jahre zurückliegen! Dass es in diesen Ländern keine Demokratie gibt, weil sie kolonisiert waren und der westliche Einfluss entwicklungshemmend für eine Demokratie war, wird nicht beachtet.

Christliche Araber, arabische Christen

Der heutige Nahe Osten, d.h. Syrien, Palästina u.a. war Teil der griechisch-hellenischen Epoche und des römischen Reiches und hier lebten und leben Beduinen (arabische Nomaden), sesshafte Araber, Kaufleute, Händler, Gelehrte, Politiker. Hier entstanden die drei monotheistischen Religionen. Araber, wie andere, waren immer Teil dieser griechisch-römischen, später byzantinischen und persischen Reiche. Insofern nahm es nicht Wunder, dass Araber hohe und höchste Posten in der Verwaltung bis zum Kaiser inne hatten und auch ihre Gewohnheiten und Religionen ausübten.

Mehr Gemeinsames als Trennendes

Als die Araber gegen Byzanz und Persien siegten, waren es vorerst arabische Siege und nicht islamische. Die Religion spielte anfangs keine Rolle, eher die Aussicht auf reiche Beute. Omayyaden integrierten Christen und diese erhielten hohe Posten in der Verwaltung wie Araber zuvor in Rom und Byzanz oder Persien. Araber ließen Kirchen bauen obwohl der Islam bereits präsent war und es gab „Gemeinsamkeiten bei der Gebetspraxis“, auch in den Gewohnheiten und der Sprache.
Erst die Abbasiden, die 750 die religionsliberalen Omayyaden ablösten, stellten den Islam, rund 130 Jahre!! nach seinem Entstehen in den Mittelpunkt ihrer Machtausübung.


Autor:
Prof. Dr. Dr. Ayad Al-Ani studierte Wirtschaftswissenschaft und Politikwissenschaft an der Wirtschaftsuniversität Wien und der Universität Wien. Er war Rektor und Professor an der ESCP Europe Wirtschaftshochschule Berlin und Professor an der Hertie School of Governance in Berlin. Aktuell forscht Professor Al-Ani am Alexander von Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft (HIIG). Prof. Al-Ani verfügt über zwanzig Jahre Erfahrung in internationalen Beratungsfirmen und war zuletzt Executive Partner bei Accenture und Managing Director des Wiener Büros.

Fazit:
Eine interessante Studie, die zeigt, wie mit einzelnen Begriffen die Betrachtung gesteuert werden kann, in dem etwas ausgelassen, verdreht oder ein anderes Wort gebraucht wird, das positiv oder abschreckend wirken soll.

Dabei läuft man allerdings Gefahr zu sehr die eine oder andere Seite zu bevorzugen, denn beim Beispiel des römischen Kaisers Septimius Severus, der im libyschen Leptis Magna 144 n. Chr. geboren wurde und neben Latein und griechisch auch punisch sprach, wird sich dieser nach einer 800jährigen phönizisch/punischen und rund 400jährigen römischen Geschichte kaum mehr als „Araber“ gesehen haben, auch wenn er eine Frau aus Syrien geheiratet hat.

Ein wichtiges Buch zur Aufklärung von Missverständnissen, Ungereimtheiten und eine Erinnerung, dass christliche Araber, Perser, Christen, Juden u.a. im Nahen Osten und auf der arabischen Halbinsel eine gemeinsame Geschichte schrieben und zusammenlebten, bevor der Islam sich als Religion etablierte und alle Religionen mehr Gemeinsames als Trennendes beinhalten.

B.Agada


Ayad Al-Ani
Araber als Teil der hellenistisch-römischen und christlichen Welt
Broschur (250 g)
182 Seiten mit 3 Karten
1.Auflage 2014
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