Sonntag, 13. Januar 2013

Rezension: Sahara - Tausend Jahre Austausch von Ideen und Waren

Sahara
RALPH A. AUSTEN

SAHARA - Tausend Jahre Austausch von Ideen und Waren

Der amerikanische Autor Ralph A. Austen versucht den Austausch von Waren und Ideen in einem riesigen Lebensraum, der von der Atlantikküste bis zum Nil und Roten Meer sechstausend Kilometer und von der Mittelmeerküste bis zum Golf von Guinea rund dreitausend Kilometer einnimmt, über einen Zeitraum von mehr als tausend Jahren auf nur 220 Seiten zu beschreiben. 


Inhalt:
Das Buch enthält zwei Vorworte, da sich die Lage zwischen der ersten, 2010 erschienen amerikanischen Ausgabe zur deutschen Übersetzung 2012, in Mali verändert hat und es einiger Erklärungen bedurfte.

Eingeteilt ist das Buch in sechs Kapitel.

1.Die Sahara: Von der Wüstenbarriere zur globalen Verkehrsader

Im ersten Kapitel geht es um die Geographie, die klimatischen Verhältnisse, die Beschaffenheit des Bodens in der Sahara und in den angrenzenden Landschaften im Norden am Mittelmeer und in der Sahel- und Sudanzone im Süden in Westafrika und die daraus resultierenden Möglichkeiten zur Durchquerung der Sahara. Die ersten Bewohner waren Jäger und Sammler.

Schon die erste Karte auf Seite 14, auf der die Länder Nord- und Westafrikas bis etwa einer Linie Kamerun, Zentralafrika, Kenia dargestellt sind, lässt den aufmerksamen Leser nachdenklich werden. Die Legende schreibt: „Die Sahara und ihre Grenzgebiete in vorislamischer Zeit“ und gibt einen Zeitraum von 1000 vor Chr. bis 1000 nach Chr. an. Der Islam hatte sich allerdings schon nach 800 n.Chr. in Nordafrika und in den folgenden zweihundert Jahren nach Westafrika ausgebreitet, so dass man nicht mehr „vorislamisch“ schreiben kann. Die Darstellung wird noch verzerrter, wenn auf der Karte Orte wie Timbuktu eingezeichnet sind, das sogar erst um 1100 nach Chr.  gegründet wurde. Wichtige Orte wie der Karawanenendpunkt Audaghost und Walata fehlen dagegen. Auch die Zeitspanne von zweitausend Jahren ist viel zu grob eingeteilt.

2.Karawanenhandel und afrikanische Wirtschaft

Das zweite Kapitel beschreibt nun die Wege durch die Sahara und die Güter, die auf Kamelkarawanen transportiert wurden. In erster Linie waren dies vom Süden nach Norden Gold und Sklaven, später Elfenbein, Straußenfedern und Ziegenleder.
Von Nord nach Süd kamen „Stoffe, Glasgeschirr, Haushaltsgegenstände aus Keramik und Metall, Papier, Kriegsausrüstung, Pferde“,  die islamische Religion und Kultur mit der arabischen Schrift, den arabischen Reisenden und Gelehrten, die sich schon bald in Timbuktu niederließen und Handschriften übersetzten und verfassten.
Erst im 20. Jahrhundert kam es zum Niedergang des Transportes mit Kamelen, als Eisenbahn, Auto und die ersten Flugzeuge die Kamele ablösten.

3.Der Kampf um die Herrschaft über die Sahara und ihre „Ufer“

Verschiedene Völker im Sahel- Sudan organisierten den Markt und wurden dadurch reicher. Namentlich am bekanntesten waren Gana, Mali und Songhai, aber auch Kanem, Bornu und Sokoto. Auch die Organisation des Transportes durch die Sahara wurde von verschiedenen Gruppen beherrscht. Belege dazu lieferten die Berichte der Reisenden, Mekkapilger und Forscher.

4.Der Islam

Dieses Kapitel beschreibt nach einigen Erklärungen zur Religion, die Ausbreitung und den Einfluss des Islam auf die Völker in Nordafrika, der Sahara und den südlichen Randgebieten.

Das Bild auf Seite 126 zeigt die Gebetsnische in der kleinen Moschee von Sidi Boumediène in Tlemcen (Algerien), die besonders von Wallfahrern besucht wird und über die Grenzen Algeriens hinaus bekannt ist. Als Bildunterschrift steht unter anderem, dass „solche Grabstätten in jüngster Zeit von der Ansar ed-Dine“- Islamistengruppe beschädigt oder zerstört wurden. Leider passt das Bild und diese Unterschrift nicht zusammen, denn wie Ansar ed-Dine selbst erklärt hat, zerstörten sie in Timbuktu Stätten des UNESCO-Weltkulturerbes, um die westliche Welt zu treffen, die sich „mehr um Bauwerke sorgt, als um Menschen“. Bauwerke wie dieses, würden selbst sie nicht zerstören. Für eine solche Unterschrift hätte man ein Bild von Timbuktu mit der Djingereber-Moschee oder dem Grabmal von Askia Mohammed in Gao zeigen müssen, die tatsächlich beschädigt wurden.

5.„Islamicate“ Kultur

„Islamicate culture“ beschreibt der Autor als Bezeichnung „angelsächsischer Historiker“ von „Regionen, die vom Islam definiert, wenn auch nicht vollständig von ihm beherrscht werden“. Denn neben dem Islam gab und gibt es, gerade in Westafrika, immer noch eigene Traditionen und Gebräuche, die nichts mit dem Islam oder auch der von Missionaren mitgebrachten christlichen Religion zu tun haben.

6.Europäischer Kolonialismus: Bruch und Kontinuität der transsaharischen Verbindungen

Dieses interessant geschriebene Kapitel zeigt die Entwicklung und den Einfluss der Kolonialmächte Frankreich und Großbritannien in Nord- und Westafrika und deren Folgen für die Wirtschaft, Kultur und Religion, die bis heute nachwirken.



Autor:
Ralph A. Austen ist emeritierter Professor für Afrikanische Geschichte an der University of Chicago und Autor mehrerer Bücher über die Geschichte und Literatur Afrikas, Sklavenhandel und Kolonialismus.
Wie auch oft in amerikanischen Dokumentarfilmen über geschichtliche Themen, bleibt  der Autor ziemlich oberflächlich in seiner Betrachtung. Er selbst gibt in seiner Danksagung gleich im ersten Satz zu, dass nur „manche Seiten dieses Buchs das Ergebnis eigener Recherchen sind“ und „im Wesentlichen die wissenschaftlichen Leistungen anderer Autoren“ zusammenfasst, was oft in einer trockenen Aneinanderreihung von Informationen, die in jedem Kapitel wieder bei der „ersten Begegnung zwischen den einzelnen Völkern“ beginnt, sichtbar wird.  Auch gibt er im Vorwort zur deutschen Ausgabe zu, dass die deutschen Übersetzer und Lektoren „eine Reihe von Fehlern“ korrigiert haben.
Möge sich der Leser zu diesen Äußerungen selbst ein Urteil bilden.

Fazit:
Für den Leser, der sich mit der Geschichte und den Themen Sahara, Sahel, Sudan, westafrikanische Königreiche, Karawanenhandel und Islam in Nord- und Westafrika bereits beschäftigt hat, wird es kaum neue Erkenntnisse geben. Im letzten Kapitel werden die Geschichte des Kolonialismus und die Folgen sehr interessant beschrieben.
Für Leser, die sich zum ersten Mal mit dem Thema auseinandersetzen, ist das Buch eine interessante Übersicht, einen profunden Einblick kann es nicht geben, da es zu wenig ausführlich geschrieben ist.

Ralph A. Austen
Sahara - Tausend Jahre Austausch von Ideen und Waren
220 Seiten, Hardcover mit Leineneinband
Preis: Euro 24,90  Buch kaufen
Wagenbach Verlag