Kinzelbach Verlag |
WENN DU DEN REGEN SUCHST, DER KOMMT VON OBEN
So kennt man Algerien nicht, wenn überhaupt.
Für Dehia bricht eine Welt zusammen. Ihre jüngeren
Brüder, radikal-islamisierte Zwillinge, haben Ihre Mutter ermordet. Ihr Vater,
ein erfolgreicher Geschäftsmann mit Kontakten zu Ministern, kommt gerade von
einer Reise zurück. Er ist so entsetzt und schockiert, dass er nicht mehr
sprechen kann und will. Enttäuscht von diesem Land und hasserfüllt zieht er
sich immer mehr zurück und stirbt, verrückt geworden in einem entfernt
gelegenen Krankenhaus.
Dehia ist eine moderne junge Frau, die in Französisch
ihre Studenten in Soziolinguistik unterrichtet. Sie ist offen und
Gleichberechtigung zwischen Frau und Mann ist wichtig für sie. Die Studenten
werden zusehends radikaler und sind religiös verbohrt. Für männliche Studenten
zählt nur noch die Religion, sie sehen alles in schwarz-weiß, gut-böse, Islam
und Arabische Länder gegen den Rest der Welt. Die Universitätsprofessoren
stehen dem Verfall der Bildung machtlos gegenüber.
Eines Tages bietet der Vater eines ihrer Studenten viel
Geld, eine Wohnung und eine gute Stelle im Ausland an, wenn sie ....
für den völlig unfähigen, faulen Ministersohn die Doktorarbeit schreibt, damit dieser als „Generaldirektor einer Vertriebsfirma“ einen Posten bekommt, bei dem er „keine Gefahr für die Gesellschaft“ darstellt. Dehia ist schockiert.
für den völlig unfähigen, faulen Ministersohn die Doktorarbeit schreibt, damit dieser als „Generaldirektor einer Vertriebsfirma“ einen Posten bekommt, bei dem er „keine Gefahr für die Gesellschaft“ darstellt. Dehia ist schockiert.
Dafür werden wirklich talentierte und fleißige Studenten,
denen das „Bestechungsgeld“ fehlt, nur selten ein Auslandsstipendium erhalten und
erfolgreich arbeiten können.
Nicht genug damit, dass ihre Mutter ermordet wurde, muss
Dehia nun erfahren, dass ein Student am helllichten Tag ihren Freund und
Kollegen Smail auf dem Campus der Uni erstochen hat.
Es gibt keine Sicherheit mehr für die Bürger dieses
Landes. Selbst Universitätsprofessoren fallen den Islamisten zum Opfer, wo nur
noch Korruption herrscht. Die Elite des Landes gehört inzwischen auch dazu, in
dem sie gute Noten an Studenten verkauft und sich bereichert, wie die Politiker
und Militärgeneräle, die den Reichtum dieses Landes nach dem Ende der
Kolonisation unter sich aufteilen.
Die normale Bevölkerung ist schockiert, entsetzt,
aufgebracht und machtlos, Opfer der Gewalt.
Adel ist der Sohn einer armen Arbeiterfamilie. Seine Eltern
sind alt und krank, sterben bald, die Schwestern verheiratet, der ältere Bruder
„stirbt vor Kummer und Traurigkeit“, der jüngere Bruder, Badil, gerät auf die
schiefe Bahn, als er seine Arbeit verliert. Er fühlt sich von den Eltern
zurückgesetzt, die immer nur Adel bevorzugen.
Adel liest viel, bildet sich, studiert, wird zum
unerreichten Vorbild von Badil, arbeitet sich hoch, ist zunächst erfolgreich.
Er lässt sich nicht verführen von den Annehmlichkeiten, die ihm geboten werden,
er kämpft dagegen an, streitet, setzt sich durch. Doch eines Tages verliert er
seine gute Stellung. Er findet eine neue Arbeitsstelle, setzt sich für die
Arbeiter ein, will die Arbeitsbedingungen verbessern, Misswirtschaft und Korruption
abschaffen. Ihm wird gedroht, erst versteckt, dann offen, er wird überfallen.
Er fürchtet sich, muss einrenken und nachgeben, gegen sein Gewissen. Gerade als
Basma, seine Arbeitskollegin und Freundin, ihm erzählt, dass ihre Eltern mit
einer Hochzeit einverstanden sind, passiert es. Durch einen Bombenanschlag explodiert
das Verwaltungsgebäude und begräbt Adel und Basma unter den einstürzenden
Mauern. Nur Adel überlebt.
Badil wird wegen eines Diebstahls eingesperrt. Im
Gefängnis wird er schikaniert und vergewaltigt. Zuerst wehrt er sich, aber es
fehlen Gesetze, die ihn schützen würden und so ist er seinen Mithäftlingen und
Wärtern ausgeliefert. Wenn Adel seinem Bruder Geld ins Gefängnis schickt,
behält der Gefängnisdirektor ein Drittel für sich ein. Badil weiß es, er kann
es nicht verhindern. Nach sieben von zehn Jahren wird er entlassen. Er findet Arbeit
bei einem Geschäftsmann, der ihn wieder vergewaltigt. Er soll Kinder überwachen, die für den
Geschäftsmann betteln. Eines Tages wird ein Kind erstochen, das Leben geht
weiter, nichts ändert sich. Badil hält es nicht mehr aus und fasst einen verhängnisvollen
Entschluss.
Dehia, Adel, Badil leben in einem Algerien, das man so
nicht kennt. Hört man von dem größten Land Afrikas, dann sind die Themen
Entführungen, Bombenanschläge, Bürgerkrieg. Wie die Einwohner unter dem Druck
der korrupten Machtelite und der Militärgeneräle leiden, die heute nichts
anderes machen, als die französischen Kolonialherren, die 132 Jahre lang das
Land unterdrückten, kann man sich hier nicht vorstellen. Dieses Buch beschreibt
die Schicksale der Protagonisten beispielhaft für viele Bürger, denen es so
oder ähnlich geht. Sie klammern sich verzweifelt an das Leben, aber an welches?
Ist das ein Leben in Angst und Schrecken mit ungewissem Schicksal, dem sie
jeden Tag ausgesetzt sind? So war die Situation in Algerien in den 1990er
Jahren des Bürgerkriegs, dem Millionen Menschen zum Opfer gefallen sind.
Manche schafften den Absprung auf die gegenüberliegende
Mittelmeerseite, wie Dehia und Adel, viele blieben auf der Strecke, wie Badil.
Fazit:
Ein erschütterndes, aber wichtiges Buch, wenn man die
Algerier, die in den überfüllten Städten des Nordens leben, verstehen möchte. Der
jetzige Präsident versuchte nach zehn Jahren Bürgerkrieg eine Wende
einzuleiten. Einiges hat sich inzwischen verbessert, aber nicht alles. Doch es
herrscht Ruhe im Land, der Schrecken der Gewalt sitzt tief. Dies ist auch ein
Grund, weshalb der „Arabische Frühling“ in Algerien nicht eingesetzt hat.
Es gibt allerdings auch eine andere Seite Algeriens, in
dem Land, das 7mal größer als Deutschland ist. Der Süden war nicht von dem
Grauen betroffen. Hier sorgen sich die Oasenbauern und Tuareg um genügend Regen,
um eine gute Dattelernte und ob bald wieder Touristen in die Sahara reisen.
Doch dies sind nicht die Themen dieses Buches.
Autor:
Yahia Belaskri wurde in Oran, der zweitgrößten Stadt im
Westen Algeriens, geboren. Er studierte Soziologie und arbeitete in mehreren
Unternehmen in verantwortlicher Position in Personalabteilungen. Dann wechselte
er zum Journalismus. Seit 1988 lebt er in Frankreich. In seinen Artikeln,
Essays und Kurzgeschichten beschreibt er die Geschichte von Algerien und
Frankreich und thematisiert die Beziehungen beider Länder zueinander.
2008 erschien
sein Roman „Le bus dans la ville“ und 2012 der Roman „Une longue nuit d’absence“
im Verlag Vents d’ailleurs. Sein 2010 erschienener Roman „Si tu cherches
la pluie, elle vient d'en haut“ liegt nun in deutscher Übersetzung im
Donata-Kinzelbach-Verlag vor.
Für diese Arbeit wurde Belaskri 2011 mit dem Prix
Ouest-France Etonnants-voyeurs
ausgezeichnet.
Yahia Belaskri
Wenn du den Regen suchst, der kommt von oben
170 Seiten, Softcover
1. Auflage 2013
Preis: Euro 18,00 Buch kaufen