Wegrennen mit Mutter |
CHRISTOPHER MLALAZI Rezension
WEGRENNEN MIT
MUTTER
Der Roman zeigt eine Momentaufnahme aus dem Süden
Simbabwes, das Schicksal von Rudo und ihrer Mutter, einer Shona-Frau, die mit
einem Ndebele-Mann verheiratet ist.
Der schockierende Auftakt eines ungewöhnlichen Romans.
Rudo geht mit ihren Freundinnen von der Schule nach
Hause. Sie hören ein Geräusch und legen ihre Ohren auf die Fahrbahn, um
herauszufinden, ob ein Auto, ein Lastwagen oder der Bus von Onkel Ndobo näher kommt.
Plötzlich rast der Bus heran, schießt über die Kurve hinaus und verbrennt am
Baum. Noch sind die Mädchen ganz gebannt vom soeben Erlebten, da nähert sich
ein Militärlastwagen und Soldaten steigen aus. Auf der offenen Ladefläche liegt
ein Mann, gefesselt und mit einer Mütze über dem Kopf. Rudo kommt diese Gestalt
bekannt vor.
Rudo wird von den Soldaten weggeschickt, weil sie Shona
spricht. Sie läuft ein paar Meter weiter und versteckt sich im Gebüsch. Ihre
Freundinnen, Ndebele, werden misshandelt. Rudo hört sie schreien, nach einer
Weile hört sie nichts mehr. Sie wagt sich auf die Straße und sieht ihre Mutter
auf sich zulaufen. Die Mutter ist ganz erschöpft und bricht zusammen.
Rudo erzählt ihrer Mutter Mamvura, was sie erlebt hat und ihre Mutter erzählt, was sie zu Hause erlebt hat. Beide haben von den Soldaten dieselben Informationen bekommen. Diese Angelegenheit betrifft nur die Ndebele, nicht die Shona. Sie entschließen sich nach Hause zu gehen. Dort wartet die nächste böse Überraschung auf Rudo. Die Gehöfte ihrer Onkel und Tanten, alles Ndebele, werden niedergebrannt. Nur Tante Auntie ist nicht da, als die Soldaten kommen - sie überlebt. Wie durch ein Wunder (der Hoffnung) überlebt auch Rudos Cousin Giftie, ein fünfmonatige altes Baby, seine Eltern und Geschwister werden ermordet, sie verbrennen über ihm.
Mutter Mamvura und Auntie können gar nicht begreifen,
dass so kurz nach der Unabhängigkeit (1980 von Großbritannien) nun wieder der
Bürgerkrieg aufflammt. Da im Radio überhaupt nicht von den Ereignissen
gesprochen wird, macht sich die Mutter auf den Weg ins Dorf, um die Polizei
anzurufen. Doch dort sind nur Soldaten, die alle Dorfbewohner zusammentreiben
und in die Schule einsperren. Auf dem Schulhof müssen sie sich nackt ausziehen.
Mamvura versteckt sich und beobachtet, wie plötzlich der Zaun niedergerissen
wird und die Leute zu fliehen versuchen. Die Soldaten schießen auf die
Flüchtenden und verfolgen sie. Schnell rennt sie nach Hause. Nachdem auch Rudos
zu Hause in Flammen aufgeht, gibt es nur noch die Flucht vor den
Regierungssoldaten.
Rudo, ihre Mutter Mamvura, der kleine Giftie, Tante
Auntie und Onkel Ndoro fliehen in Richtung Bulawayo. Rudos Lehrer, die von den
Soldaten in einer Schule mit den anderen Bewohnern der nahegelegenen Kleinstadt
eingesperrt wurden, können fliehen. Sie verstecken sich, doch eine Kollegin
wird angeschossen und so kommen sie nur langsam voran. Die Lehrerin, eine Weiße,
bricht zusammen. Diese Szene beobachten Mamvura, Rudo und Auntie, die plötzlich
bemerkten, dass sie verfolgt werden. Sie erkennen die Lehrer, doch sie sind
skeptisch und schließen sich ihnen nicht an. Haben die Lehrer sie gesehen?
Ein sicheres Versteck scheint die kleine Gruppe in den
Bergen gefunden zu haben und Rudo bleibt mit ihrer Mutter, Auntie, Giftie und
Onkel Ndoro in einer geräumigen Höhle, um zu überlegen, wie sie sich weiter
verhalten sollen. Es gibt Wasser und so überstehen sie die nächsten Tage. Sie beobachten
die Hubschrauber, die über das Gebiet kreisen. Noch immer hören sie im Radio
keine Nachrichten aus ihrer Region, geschweige denn eine Stellungnahme der
Regierung. Plötzlich hören sie andere Stimmen am Berg. Was hält das Schicksal für
die kleine Gruppe bereit?
Fazit:
Der Autor Christopher Mlalazi beschreibt das Schicksal
mehrerer Menschen, Shona und Ndebele, das sich tausendfach so abgespielt haben
könnte - bewegend, ergreifend, erschütternd.
Abseits der Hauptstadt Bulawayo, im Süden Simbabwes,
können sich die Leute nur über das Radio informieren. Doch das, was sie hören,
ist nicht das, was sie täglich vor Augen haben. Abgebrannte Häuser, nackte
Leichen, Soldaten, die die Häuser anzünden und die Bewohner bei lebendigem Leib
verbrennen. Sogar eine schottische Lehrerin wurde Opfer dieser Massaker.
Einfache Leute leben Jahre lang zusammen und plötzlich müssen
sie mit ansehen, wie der Nachbar oder sogar der eigene Mann, nur weil er einem
anderen Stamm angehört, gedemütigt, misshandelt oder ermordet wird. Nur weil es
der niederträchtigen, korrupten Regierungspartei so gefällt.
Der Autor beschreibt die Gefühle, Ängste, Gedanken der
Protagonisten präzise und unaufgeregt, mit klaren Worten. Sofort ist der Leser
im Geschehen dabei und spürt, dass er genauso machtlos ist, wie die Fliehenden.
Autor:
Christopher Mlalazi (geb. 1970 in Bulawayo) erhielt
bereits zahlreiche renommierte Preise für seine Kurzgeschichten und
Theaterstücke. Zur Zeit lebt er als Stipendiat in Hannover, wo er gerade seinen
nächsten Roman „They are coming“ beendet. Mehrere Schriftstellerstipendien
führten ihn nach Uppsala in Schweden und in die USA.
Christopher Mlalazi
Wegrennen mit Mutter
Gebunden, 203 Seiten
Anmerkung:
Nach der Unabhängigkeit Zimbabwes von Großbritannien 1980,
riss Robert Mugabe die Macht an sich, unterstützt von den Shona. Sein
ehemaliger Mitstreiter gegen die Besatzungsmacht, danach aber Gegner, war Joshua
Nkomo, der von den Ndebele unterstützt wurde.
Es kommt zu einer „Säuberungsaktion“ bei der die Partei
Mugabes, die Ndebele verfolgen und grausam ermorden lässt. Heute lebt ein Teil
der Ndebele in Südafrika.
Bekannt geworden sind die Ndebele durch die schönen,
geometrischen Verzierungen ihrer Häuser und berühmt wurde der BMW mit den
Mustern von Esther Mahlangu, der zur EXPO 2000 in Hannover gezeigt wurde.
Leider kann man das Beispiel der Verfolgung von
Minderheiten in diesem Buch genauso auf andere Länder Afrikas anwenden, wie
z.B. in Ruanda mit den Hutu und Tutsi, wo sich mit Sicherheit dieselben
Schicksale ereignet haben.