Claudia Ott, Ashraf Kateb und Salaheddin Maraqa Photo: B.Agada |
Über 12.000 Besucherinnen und Besucher ließen sich von
tropischen Temperaturen während des 36. Erlanger Poetenfests nicht abschrecken
Mit einem Porträt des
griechisch-österreichisch-schwedischen Romanciers, Publizisten und
Literaturwissenschaftlers Aris Fioretos fand das 36. Erlanger Poetenfest am
Abend des 28. Augusts im Erlanger Markgrafentheater einen passenden Abschluss.
In Person und Werk vereint Aris Fioretos prägende Themen der diesjährigen
Poetenfest-Ausgabe, die wieder über 12.000 Besucherinnen und Besucher nach
Erlangen lockte: Migration, kulturelle
Vielfalt und die Zukunft Europas. Parallel zu den Lesungen im Erlanger
Schlossgarten hatte kurz zuvor eine engagiert für Offenheit und Anerkennung
kultureller Unterschiede plädierende Herta Müller über ihre eigenen Flucht- und
Exilerfahrungen berichtet und mit Wilfried F. Schoeller diskutiert, welche
Lehren daraus für die aktuelle Debatte um die Integration geflüchteter Menschen
gezogen werden können.
Flucht und Exil
war ein Themenkomplex, der sich wie ein roter Faden durch das Programm des
diesjährigen Poetenfests zog, von den Lesungen im Schlossgarten bis zu den
abendlichen Autorenporträts: Im überaus unterhaltsamen Gespräch mit Andreas
Platthaus machte Ilija Trojanow
deutlich, wie sehr seine weltläufige Biografie durch die Flucht als Kind aus
Bulgarien geprägt ist. Nur wenige Kilometer von Erlangen entfernt, war die
Erstaufnahmeeinrichtung in Zirndorf damals seine erste Station. Trojanow
plädierte dafür, die derzeitigen Herausforderungen im historischen Kontext
immer wieder auftretender Flüchtlingswellen zu sehen und – als Kenner Afrikas
und langjähriger Verleger afrikanischer Literatur – die historische
Verantwortung Europas für die Probleme in vielen Ländern Afrikas stärker
wahrzunehmen.
Im Zentrum des Erlanger Poetenfests standen auch in
diesem Jahr die langen Lesenachmittagen
mit zahlreichen Buchpremieren im
Erlanger Schlossgarten. Die Ingeborg-Bachmann-Preisträgerin Sharon Douda Otoo
mit ihrem Klagenfurt-Text, Shida Bazyar, die aus ihrem druckfrischen Roman
„Nachts ist es leise in Teheran“ las, die mit „Drehtür“ für den deutschen
Buchpreis nominierte Katja Lange-Müller, Katharina Winkler und Abbas Khider,
die aus ihren Frühjahrserscheinungen „Blauschmuck“ und „Ohrfeige“ lasen und die
niederländische Bestseller-Autorin Connie Palmen, die ihren neuen Roman über
Sylvia Plath und Ted Hughes vorstellte, zählten zu den Höhepunkten. Auch Emma
Braslavsky, Mara-Daria Cojocaru, Kurt Drawert, Gerhard Falkner, Joshua Groß,
Reinhard Kaiser-Mühlecker, Isabelle Lehn, José F. A. Oliver, Teresa Präauer,
Tilman Rammstedt, Eberhard Rathgeb, Ulrike Almut Sandig, Silke Scheuermann und
Arnold Stadler faszinierten das Publikum bei den Freiluft-Lesungen im Park.
Ihre Kinder- und Jugendbücher präsentierten Norbert Bohnsack, Andreas Collin,
Mario Fesler, Antje Herden, Anja Hilling mit Simona Sabato, Bob Konrad, Ute
Krause und Valija Zinck.
Zum Auftakt des 36. Erlanger Poetenfests übertrug Bayern
2 am Abend des 25. Augusts die „Nacht der Poesie“ aus dem Markgrafentheater, am
27. August wurde auch das Büchermagazin „Diwan“ live vom Poetenfest gesendet.
Als ein großer Erfolg erwies sich die Buchpremiere von Raoul Schrotts Ende
September im Handel erscheinenden Epos‘ „Erste Erde“ in Form einer „Langen
Nacht der Ersten Erde“, in der zunächst Raoul Schrott von Michael Krüger
befragt wurde. Im weiteren Verlauf interviewte Raoul Schrott dann die
Naturwissenschaftler William F. Martin, Klaus Mecke, Axel Munnecke und Ralph
Neuhäuser zur Entstehung des Universums, der Sterne, der Erde und des Lebens.
Zu Gast in der Dreizehnten Erlanger
Übersetzerwerkstatt waren Sharon Dodua Otoo, Terézia Mora, José F. A.
Oliver, Klaus-Jürgen Liedtke, Iain Galbraith, Brigitte Döbert, Frank Heibert
und Hinrich Schmidt-Henkel sowie – anlässlich des 150. Todestags von Friedrich Rückert – die Orientalistinnen Claudia
Ott und Wiebke Walther. Dem Dichter, Übersetzer und frühen Vermittler fremder
Literaturen war in Zusammenarbeit mit dem Erlanger
Stadtmuseum ein vielbeachteter Programmschwerpunkt gewidmet, der mit der
spontan angesetzten Zusatzvorstellung von Claudia Otts Lesekonzert altarabischer Lyrik einen abschließenden Höhepunkt
fand.
Deborah Feldman erzählte von ihren Erfahrungen mit religiösem Fanatismus. Beim Aktuellen
Podium „Die Türkei zwischen den Extremen“ diskutierten Autoren und Journalisten
die gegenwärtige Lage. „Europa erzählen“ lautete der Titel der traditionellen
Sonntagsmatinee mit Dieter Bachmann, Aris Fioretos, Wilfried F. Schoeller und
Ilija Trojanow in der Moderation von Alexander Kissler. „Mobbing in Literatur und Leben“ war Gegenstand eines bewegenden
Gesprächs mit Astrid Frank, Brigitte Hamacher und Wolfgang Kindler. Eine
Werkstattschau beschäftigte sich mit drei neuen Biografien von Peter-André Alt,
Simon Elson und Deborah Vietor-Engländer über Sigmund Freud, Max J. Friedländer
und Alfred Kerr. Birgit Weyhe präsentierte ihren mit dem Max und Moritz-Preis
2016 ausgezeichneten Comic „Madgermanes“ und Hans Hillmans „Fliegenpapier“ nach
Dashiell Hammett verwandelte sich unter der künstlerischen Leitung des
israelischen Komponisten und Pianisten Itay Dvori in ein multimediales
Comic-Konzert. Auf Einladung der Deutschen Akademie für Fußball-Kultur
entwickelte Gunter Gebauer im Gespräch mit Helmut Böttiger eine „Philosophie
des Fußballs“. Einen künstlerischen
Beitrag zur Flüchtlingsdebatte lieferte das Künstler-Kollektiv Rimini
Protokoll mit „Evros Walk Water“, einer Performance, die die Erlebnisse
jugendlicher Flüchtlinge erlebbar macht. Auf einem eigenen Podium lasen in
Erlangen lebende Geflüchtete Lyrik aus
ihrer Heimat auf Arabisch, Kurdisch, Farsi und Ukrainisch. Ausstellungen
und Filme rundeten das Programm des 36. Erlanger Poetenfests ab.
Das 37. Erlanger Poetenfest wird vom 24. bis 27. August
2017 stattfinden.
Veranstalter
Kulturamt der Stadt Erlangen
Abteilung Festivals und Programme
E-Mail: info@poetenfest-erlangen.de
Website: www.poetenfest-erlangen.de