Mittwoch, 5. September 2018

Rezension: Der vierte Spiegel

HWS
Rezension

Cluse Krings

Der vierte Spiegel                   

Der letzte Emir der Omayyaden, Abderrahmane ist nach einer abenteuerlichen Flucht aus Damaskus, die im ersten Band ausführlich beschrieben wird, in Ifriqiya (dem heutigen Tunesien) angekommen.
Die Familie seiner Mutter, die als Sklavin nach Syrien an den Hof gebracht wurde, hat ihn und seine Begleiter aufgenommen. Nun lebt er mit ihnen einige Jahre und lernt die Sitten und Gebräuche der Nafsa-Berber kennen.

In Syrien hatten die Abbasiden die Omayyaden vom Kalifenamt und der Macht vertrieben, in dem sie alle Mitglieder der Familie ermordeten, außer Abderrahmane und zwei Brüder, die nicht an dem letzten Bankett teilnahmen, bei dem das Gemetzel stattfand.

Nun erfährt Abderrahmane, dass der Führer der Abbasiden nicht mehr lebt. Er muss sich nicht mehr verstecken. Mit den Amazigh seiner Familie kann er sich nicht recht anfreunden, zu fremd ist ihm die Kultur der Berber in der Nordsahara. Er sendet seinen Diener in das heutige Andalusien, wo dieser die Ankunft des letzten Omayyaden-Emirs vorbereitet.

In Andalusien haben sich schon früher einige Omayyaden niedergelassen und Abderrahmane hofft auf deren Unterstützung bei seiner Ankunft. Die Situation vor Ort ist verwirrend, denn die vielen Gruppen - Goten, Amazigh, Araber, Juden, Christen und Muslime, Sunniten, Schiiten - wollen sich nicht einigen.
Abderrahmane wird von seinem Diener als künftiger Emir von Al Andalus, Befehlshaber der Gläubigen von Al Andalus angekündigt, aber seine Ankunft auf der iberischen Halbinsel verläuft eher ruhig als mit Prunk. Nachts landet das Schiff an der Küste, mit dem er das Mittelmeer überquert und die kleine Karawane mit den Neuankömmlingen und Begleitern macht sich eher heimlich und vorsichtig auf den Weg in das Landesinnere.

Zu verworren ist die Lage und ob alle Gruppen sich zu Abderrahmane hinwenden ist fraglich. Er muss sich auf viele neue Ratgeber verlassen, aber ist sich nicht sicher, ob er auch allen vertrauen kann.
Zwischen dem aktuellen Herrscher Jusuf und seinem General al-Sumail herrschen Spannungen und jeder will regieren. Da kommt Abderrahmane gerade recht, aber dieser hält zunächst nicht viel von Schlachten, sondern bemüht sich mit Verhandlungen die uneinigen Gruppen hinter sich zu sammeln. So werden seine Anhänger auf dem Weg nach Cordoba immer zahlreicher. Seine Begleiter allerdings nutzen die Ankunft des letzten Omayyaden zur Vorbereitung auf eine große Schlacht und mit List wird das Heer von Jusuf geschlagen.

Nach und nach einigt Abderrahmane das Land und verteidigt es gegen erneute Angriffe der Abbasiden, Karolinger und rachsüchtigen Gegnern im eigenen Land.
Nach über 20 Jahren an der Macht zieht Abderrahmane ein gemischtes Resümee. Sein Sohn Hischam I. wird 788 Nachfolger sein auf dem Thron.
Am Ende seiner Regierungszeit lässt er die heute berühmte Moschee von Cordoba bauen, dessen Fertigstellung er nicht mehr erlebt.

Autor:

Cluse Krings, geboren 1959 in Aachen, lebt und arbeitet in Berlin, München und Almeria. Er ist ein deutscher Autor, Theatermann, Ethnologe und Journalist. 2008 veröffentlichte Cluse Krings den ersten Band einer Roman-Biographie über Abd ar-Rahman I., den ersten Emir von Córdoba, unter dem Titel Die vier Spiegel des Emirs von Córdoba. Zwischen 2011 und 2013 erarbeitete er den Soundtrack für das Hörbuch Der Emir von Córdoba mit Musikern aus Berlin, Kairo und Andalusien. 2014 erschienen zeitgleich das Hörbuch und ein Album mit einer Musikauskopplung des Hörbuchs unter dem Titel New Andalusian Music. Seit Mitte der 2010er Jahre nutzte Cluse Krings seine Erfahrungen aus mehr als 20-jähriger Forschung zum aufgeklärten Islam Andalusiens für die Arbeit mit jungen Flüchtlingen. Er hält Vorträge über den Umgang von Therapeuten und Ärzten mit Menschen aus fremden Kulturen. Politisch vertritt er die These, dass die zunehmend ablehnende Haltung gegenüber Flüchtlingen in Teilen der Bevölkerung von Politik und Medien systematisch erzeugt wurde. (Quelle: Wikipedia)


Fazit:
Dass das zweite Buch die Fortsetzung des ersten Bandes ist, erkennt man bereits an der Seitennummerierung, die fortlaufend ist und nach 1158 Seiten endet die Geschichte. Ebenso interessant ist auch die Entstehung, die Cluse Krings im Anhang unter dem Titel „Dichtung und Wahrheit“ auf über 40 Seiten detailliert erläutert. Nach 20jähriger Arbeit liegt nun ein sehr ausführliches Buch vor, das das Leben des letzten Omayyaden-Emirs Abderrahmane I. (ca. 730 - 788) nachzeichnet, von dem man kaum mehr wussste, als das er vor den Abbasiden nach Spanien geflohen war. Und doch fand der Autor bei seinen Recherchen viele historische Quellen und die meisten Personen, die im Buch eine größere Rolle spielen, sind historisch belegt.

Der Autor stellt den Beginn des Mittelalters durch die Beschreibung der Gegebenheiten im 8. Jahrhundert wie Sitten und Gebräuche der Einheimischen, Klima, Vegetation und Landschaft bildhaft vor. Die über Jahrhunderte mündlichen Überlieferungen finden sich, zusammen mit Erkenntnissen durch Ausgrabungen und Forschungen aus neuerer Zeit im Text wieder.
Das ausführliche Glossar und die Literaturhinweise komplettieren die interessante und spannende Biographie.
Das Buch ist eher ein romanhaftes Sachbuch als ein Historienroman, manchmal etwas langatmig, aber durchaus flüssig zu lesen, lehrreich und empfehlenswert.