Dienstag, 9. März 2021

Rezension: Warum Bayern ein orientalische Land ist und andere weiß-blaue Geschichten


KLAUS  REICHOLD 
Luftschiffer

WARUM  BAYERN  EIN  ORIENTALISCHES  LAND  IST: und andere weiß-blaue Wahrheiten.  

Auf diesen weiß-blauen Wahrheiten liegt der Schwerpunkt dieses amüsanten Buches mit 174 Seiten. 15 Kapitel, Prolog, Anmerkungen und Lesetipps nebst Register führen den interessierten Leser, er darf auch gern von außerhalb Bayerns sein, durch die doch umfangreiche Geschichte des Freistaates. 

Vorwiegend heiter manchmal kriegerisch, aber nicht zu sehr, verwegen, grantlerisch und traditionell, das ist der Bayer in den Augen der „Anderen“, die trotzdem gern in Bayern wohnen, und das nicht nur wegen der saftigen Wiesen, der Sennerin auf der Alm und des überwiegend weiß-blauen Himmels. 

Dass Bayern einst sogar bis nach Holland und zur Adria reichte, das Haus Wittelsbach mit seinen Königen, Herzögen, Fürsten, Grafen, u.a. und deren Eigenheiten prägend und am längsten (738 Jahre) regierte, wird in lockerem Stil und sehr aufschlussreich erzählt. 

Immer wieder wird ein kurzer „Bayerisch-Kurs“ eingestreut und schwierige Worte werden erklärt, zum Beispiel Auszogne, Obazda, Zwiefache, Grischperl, Zwiderwurzn, Loamsiader, Dablecka, usw..

Was Reisende über Bayern geschrieben haben, findet Platz und auch Bayern sind gern gereist, darunter Therese von Bayern, die 1875 eine Reise nach Algerien (schon von Frankreich besetzt) und Tunesien (noch unter osmanischer Herrschaft), Spanien und Portugal unternahm und „als erste Frau überhaupt … von der Münchener Ludwig-Maximilians-Universität mit der Ehrendoktorwürde ausgezeichnet“ wurde. „Sie brachte sich im Selbststudium elf Sprachen bei und die Grundlagen von Botanik, Ethnologie und Zoologie“, weil Frauen bis dahin an Universitäten in Bayern nicht zugelassen waren, wie uns der Autor berichtet. 

Den größten Bezug zum Orient stellte zweifelsfrei König Ludwig II. her mit dem Interieur seiner Schlösser Linderhof und Neuschwanstein, dem Maurischen Kiosk am Hennenkopf, dem Marokkanischen Haus auf der Stockalpe u.a..

Abwechslungsreich schildert der Klaus Reichold Traditionen und Eigenarten der Bayern. Er geht zum Teil kritisch auf die neuere Geschichte ein, auf München mit seiner „Schicki-Micki-Gesellschaft“ und die Rolle der Frau.

Tatsächlich lebt in Bayern eine Vielzahl „Zuagroaster“, von anderswo Zugezogene meistens einträchtig nebeneinander, wobei auch ein Miteinander nicht zu kurz kommt.

Und der Satz „Außerhalb Bayerns gibt es kein Leben, und falls doch, dann kein solches“ (S. 69) fasst den Inhalt in einem Satz treffend zusammen.

Fazit:
Ein liebevoll geschriebenes und weitreichend recherchiertes Buch über Bayerns Geschichte, Land und Leute, Kultur und Gewohnheiten.
Humorvoll verpackt, ironisch angehaucht, soll der weltoffene Freistaat dem interessierten Leser nähergebracht werden. Man lernt einige Worte Bayerisch, etliches über den Charakter der Leute und vieles selten gelesene, was dieses inhaltsvolle Buch so interessant macht.

Allerdings werden die fränkischen Regionen, die ja immerhin auch zu Bayern gehören, wenn auch noch nicht so lange, ein wenig vernachlässigt (Wein und tatsächlich Orient). Das ist schade, denn auch wenn Franken damals erst kurz zu Bayern gehörte, ist der Dichter Friedrich Rückert (1788-1866), der den ersten Lehrstuhl Orientalistik (1826) an der Friedrich-Alexander-Universität in Erlangen erhielt, zahlreiche persische, arabische u.a. „orientalische“ Texte übersetzte, auf jeden Fall eine Erwähnung in einem „bayerischen“ Buch mit „Orient“ im Titel wert. Und in heutiger Zeit, sollten Professor Hartmut Bobzin, der die neueste Ausgabe des Koran übersetzte (2010) und Professor Mathias Rohe, u.a. Richter für islamisches Recht und Inhaber des Lehrstuhls Bürgerliches Recht, Internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung, beide in Erlangen, um nur zwei Beispiele zu nennen, nicht unerwähnt bleiben. Sie und ihre Kollegen, auch an anderen Universitäten in Bayern, pflegen die sehr wichtigen Beziehungen zum sog. Orient mit den Nah-Ost-Studien, Orientalistik, u.a.  

Ob der Titel so glücklich gewählt ist ? Die „weiß-blauen Wahrheiten“ überwiegen eindeutig und was mein Interesse (Orient) an dem Titel weckte, könnte andere davon abhalten dieses Buch zu erwerben, was allerdings schade wäre.

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