Donnerstag, 27. Mai 2021

Rezension: Wir Gotteskinder

Penguin
WIR  GOTTESKINDER

NANA  OFORIATTA  AYIM 
Roman

Maya wünscht sich das Glück, „die Wahrheit durch Worte auf einer Buchseite zu finden“. Sie fragt sich, „warum wir an der Vergangenheit festhalten, warum wir Museen bauen, Bücher schreiben und konservieren?“

Maya wächst in Deutschland und England auf. Ihre Mutter ist Prinzessin Yaa des ghanaischen Königshauses, ihr Vater ist Arzt. In Deutschland geht Maya in den Kindergarten, in England zur Schule und wenn sie ungezogen  ist, droht ihr Vater sie nach Ghana zu schicken, in das Dorf aus dem die Eltern weggegangen sind. Sehnsüchtig warten sie auf eine politische Wendung nach dem Abzug der Kolonialherren.
Die Elterngeneration wurde nach Europa oder Amerika geschickt, um zu studieren und um dann das Land neu aufzubauen, aber der Vater hatte seine Zweifel und so blieb die Familie in Europa.

Eines Tages kommt Mayas Cousin Kojo aus Ghana in die Familie und er geht mit Maya zur Schule. Gleich am ersten Tag  gibt er einem Mitschüler eine Ohrfeige und wehrt sich gegen den „allgemeinen“ Rassismus, während Maya ihn eher hinunterschluckt. Kojo erzählt Maya allerlei Geschichten über ihr Heimatland, das sie kaum kennt und die beiden Kinder treiben einigen Schabernack.
Nach einem heftigen Streit zieht Mayas Vater aus und Kojo, Maya und ihre Mutter gehen nach England. Die Mutter arbeitet in einem Labor, die Jugendlichen gehen in ein Internat. Als die Mutter eine neue Aufgabe übernimmt, reist sie nach Ghana ab. Kojo und Maya kehren nach Deutschland zurück zu Mayas Vater.

Während all dieser Jahre beschäftigen sich Maya und Kojo mit einem „Buch der Geschichten“ ihrer Vorfahren und des Landes. Sie wollen die Geschichte korrigieren und weiterschreiben. Dazu wollen sie in England herausfinden, wie die Engländer es schafften, Ghana als Kolonialisten zu beherrschen, damit die neue Generation junger, gut ausgebildeter bzw. studierter Ghanaer nicht die Fehler ihrer Großväter, Väter und Mütter wiederholen. Kojo bittet Maya die wahre Geschichte weiterzuschreiben, denn sie ist die „Auserwählte“, die Wissen hat von früheren Epochen und „sieht, was andere nicht sehen“. Sie ist das Gotteskind.

Die jungen Ghanaer, die Eltern von Maya und deren Freunde und Verwandte leben in Bonn und London und so pendelt die Familie hin- und her, bis Mayas Mutter endgültig nach Accra zurückkehrt. Kojo folgt bald und Maya beginnt ein Studium.

Das Buch-Projekt nimmt Gestalt an, allerdings als „mythische Geschichte von einem Königreich, einer Nation, die sich reibungslos bildete trotz aller Widerstände, und der eine glorreiche und weltbeherrschende Zukunft vorausgesagt wurde“. 
Maya beschreibt u.a. die wichtigen königlichen Objekte, die „geraubt, verkauft oder verschwunden“ waren, für die nun ein Museum gebaut wird. Zu dem Eröffnungsfestival, werden „alle Führer der Welt“ eingeladen und auch die nächste Wahl steht bevor, bei der Kojo kandidiert.

Maya fliegt nach Accra mit einem Weihnachtsbaum für ihre Mutter im Gepäck. Während eines Festes trifft Maya viele Mitglieder ihrer königlichen Familie, die sie nur als Kind gesehen hat.  Kojo kümmert sich um das entstehende Museum und um die Objekte, deren Geschichte Maya aufschreibt. Nach einem Streit mit Gideon, einem falschen Freund, über den sich Kojo furchtbar aufregt, kommt es zu einem schrecklichen Unglück...

Fazit:
Schon als Kind erfährt die Autorin Ablehnung durch eine Mitschülerin, weil sie erzählt, dass sie die Enkelin des Königs ist und diese ihr nicht glauben will. Eine schwarze Prinzessin, das gibt es doch gar nicht, in Kinderaugen.

Ihre Mutter will den täglichen Rassismus nicht sehen und übergeht ihn durch lautes Auftreten und offensichtlichem Herrschaftsanspruch, in dem sie ihre Einkäufe übertrieben opulent betreibt und den Verkäufern direkt ins Gesicht sagt, dass sie eine Königstochter aus Ghana ist und damit die Verkäufer zu „Boten“ degradiert.

Immer wieder, allerdings mehr zum Ende des Buches, nimmt die Autorin indirekt ein ganz aktuelles Thema auf, die Rückgabe von Museumsstücken, die in ein neu gebautes Museum nach Accra zurückgeführt werden sollen. Auch als sie eine Ausstellung in London vorbereitet, fällt sie dem Rassismus zum Opfer, fast so wie ihr Cousin, denn derselbe, der sich in Ghana eingemischt hat, nimmt ihr nun rücksichtslos die Organisation der Ausstellung aus der Hand mit der Begründung, dass sie dadurch mehr Zeit zum Schreiben hat.

Nana Oforiatta Ayim verpackt den Roman in eine temperamentvolle Schreibweise, die manchmal ein zweites Lesen erfordert. Doch das Buch ist gut zu lesen und zu verstehen. Der Inhalt ist sehr interessant und aktuell.

Ein lesenswertes Buch und sehr zu empfehlen. Es zeigt, wie Weiße bis heute versuchen (Kolonial)-Geschichte nur nach ihrer Vorstellung zu akzeptieren und selbst die Organisation einer Ausstellung kann man Schwarzen nicht überlassen. Sie könnten ja die Wahrheit über die Kolonialmächte zeigen oder ein anderes Bild der ghanaischen Gesellschaft !!!

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