Freitag, 21. März 2014

Rezension: Ein paar Tage Licht

Ein paar Tage Licht
Auf dem 1. Platz der zehn besten Krimis im Mai 2014 der ZEIT

OLIVER  BOTTINI

EIN  PAAR  TAGE  LICHT     - Rezension -

2011/2012. Der „arabische Frühling“ ist in aller Munde, die EU und Deutschland schauen gespannt auf Tunesien, Ägypten und Libyen. Und Algerien ? Hier bleibt es ruhig. Der „algerische Frühling“ fand bereits in den 1990er Jahren statt. In diesem „schwarzen Jahrzehnt“, wie es die Algerier nennen, fand ein schmutziger Bürgerkrieg statt mit 200.000 zivilen Opfern und Verschwundenen, von denen man bis heute nichts weiß oder wissen will. Seither haben die Dauereinheitspartei FLN, das Militär und die Geheimdienste die Macht in ihrer Hand.
Der aktuelle algerische Staatspräsident Abdelaziz Bouteflika hielt bis vor kurzem das Land einigermaßen stabil, doch nun finden im April 2014 Präsidentschaftswahlen statt und statt fairem Wahlkampf werden Geheim- und andere Dienste aktiv und schüchtern politische Gegner und die Bevölkerung ein.

Vor diesem Hintergrund spielt der Roman von Oliver Bottini, in dem Ralf Eley, Ermittler des Bundeskriminalamtes in der deutschen Botschaft Algier, einem Fall auf der Spur ist, bei dem der deutsche Rüstungsmanager und zeitweilige Vorstand der Firma Meininger Rau, Peter Richter, entführt wird. Ziemlich schnell wird die Entführung der Al Qaida du Maghreb Islamique (AQMI) zugeschrieben. Aber steckt sie wirklich dahinter oder wird sie nur vorgeschoben, weil es so viel einfacher ist, eine, in Europa und der Welt, bekannte Terrororganisation zu benennen, um von internen Machenschaften abzulenken? Eley weiß bald nicht mehr, wem er trauen kann. Spielt auch seine heimliche Geliebte Amel, die Untersuchungsrichterin, eine zwielichtige Rolle?

Bei seinen diskreten Ermittlungen stößt Ralf Eley immer wieder auf den algerischen General des Verteidigungsministeriums Soudani. Er gehört seit der ersten Stunde der Unabhängigkeit 1962 zur Macht, le pouvoir, wie man in Algerien nur sagt. Hält dieser die Fäden in der Hand?

Auch in Deutschland kommen einige Leute „ins Schwitzen“. Da ist Reinhold Wegner, Vermittler von Waffengeschäften der Firma Meininger Rau. Gerade haben die Algerier zwanzigtausend Gewehre gekauft, die ersten fünftausend sollen in einigen Tagen nach Algerien verschifft werden.
Oder Katharina Prinz, ehemalige Botschafterin in Algier, jetzt im Auswärtigen Amt tätig. Sie war immer gegen die Rüstungsexporte und versuchte Geschäfte mit Algerien zu verhindern, doch ihr Vorgesetzter beugte sich dem Druck der deutschen Behörden. Doch nun liegt er nach einem Schlaganfall im Krankenhaus und Katharina Prinz leitet die Abteilung, und ihr Weg ist frei für eine Karriere. Außerdem kennt sie Minister und Staatssekretäre bis hinauf zum Bundespräsidenten.
Wie sind sie in diesem Fall verstrickt?

Und dann ist da noch die Gruppe der Namenlosen. Zu ihr gehören die Kinder und Enkel der Opfer des schwarzen Jahrzehnts. Ihr Ziel ist die Befreiung der Bevölkerung von all diesen bedrückenden Erinnerungen und den staatlichen Unterdrückern. Doch sie brauchen Waffen zum Kampf gegen die ungleich größere Staatsmacht, um dann in Freiheit und Frieden leben zu können. Haben sie Peter Richter entführt?

Bei einem Zwischenfall in der Kabylei werden Zeugen erschossen, Ralf Eley verfolgt ein Auto, das ihn zum Versteck der Entführer leitet. Endlich findet er Peter Richter, doch in diesem Moment passiert es - Hubschrauber über ihn, dröhnender Lärm, eine Ratissage….

Autor:
Oliver Bottini, wurde 1965 in Nürnberg geboren und ist in München aufgewachsen. Heute lebt er in Berlin. Er studierte Neuere deutsche Literatur, Italianistik und Psychologie in München. Seine Romane wurden mit verschiedenen Preisen ausgezeichnet. Bisher hat er folgende Titel veröffentlicht: „Mord im Zeichen des Zen“, „Im Sommer der Mörder“, „Der kalte Traum“, „Im Auftrag der Väter“.


Fazit:
Ein fesselnder Roman vor einem brandaktuellen Hintergrund. Der Autor, Oliver Bottini, reiste mehrere Male nach Algier und recherchierte sehr gut. Durchaus realistisch ist die Beschreibung der heutigen politischen Zustände Algeriens und der Geschichte des „schwarzen Jahrzehnts“, des Bürgerkriegs, der von 1992 bis 2002 dauerte und vielen Tausend zivilen Algeriern das Leben kostete. Zutreffend sind auch die Darstellungen des Machtapparates inklusive aller Dienste und der Schikanen, unter denen die Bevölkerung immer wieder leiden muss. Alle Vorkommnisse der letzten Jahre werden eingearbeitet, wie die Ermordung der Mönche von Tibhirine oder Entführungen von Geschäftsleuten in der Kabylei. Bis heute wissen viele Familien nichts Genaues über die verschwundenen Väter und Großväter des Bürgerkriegs und sie werden nicht entschädigt.

Einzige Kritikpunkte sind die Hinweise auf die Tuareg, die „Reise nach Tamanrasset“ und das angebliche Treffen mit einem Tuareg-Mittelsmann. Sie spielen für den Verlauf des Romans überhaupt keine Rolle und hätten keiner Erwähnung bedurft. Die algerischen Tuareg leiden vielmehr unter den Machenschaften der AQMI und seiner Ableger Ançar ed-Dine und Mujao, die in Mali aktiv sind. Die dortigen Tuareg kämpfen um ihre Rechte, die ihnen seit 1960 abgesprochen werden. Die algerischen Tuareg sind viel eher am Tourismus interessiert und haben keine Ambitionen, Fremde zu entführen, im Gegenteil, sie haben zur Aufklärung der 2003 Entführten beigetragen.

Sehr gut sind die Erklärungen im Anhang. Zum besseren Verständnis für Leser, die bisher noch nicht so sehr mit der „Innenpolitik“ Algeriens vertraut sind, den Abkürzungen der Waffenkategorien und der deutschen Unternehmen und Behörden, die im Rüstungsgeschäft beteiligt sind, werden Begriffe erklärt, die einzelnen Personen und Orte der Handlung vorgestellt.

Ein absolut empfehlenswerter und hochspannender Kriminalroman aus dem Dumont Buchverlag, der im Februar 2014 erschienen ist. 


Oliver Bottini
Ein paar Tage Licht
Hardcover, 512 Seiten, Höhe x Breite 21,0 x 13,5 cm
1.Auflage 2014
Preis: Euro 19,99   Buch kaufen