Montag, 20. November 2017

Rezension Jenseits von Afrika

Manesse
REZENSION

TANIA  BLIXEN

JENSEITS  VON  AFRIKA

„Ich hatte eine Farm in Afrika am Fuße der Ngong-Berge.“ Wer kennt ihn nicht, den ersten Satz des Films über das Leben der Baronin von Blixen in Kenia. Auch das vorliegende Buch beginnt damit. Es ist die Übersetzung des dänischen Originals „De afrikanske Farm“ auf Deutsch „Jenseits von Afrika“.

Karen-Tania Dinesen, geboren 1885, wächst in der Nähe von Kopenhagen auf. Mal nennt sie sich Tania, dann wieder Karen. Weil sie ihre Liebe in Dänemark nicht heiraten kann, begnügt sie sich mit dem Zwillingsbruder Bror, reist im Dezember 1913 nach Kenia und wird Anfang 1914 Baronin von Blixen-Finecke. Die Ehe wird 1925 geschieden, aber Karen-Tania betreibt die gekaufte Kaffeefarm weiter. Obwohl die Lage an den Ngong-Bergen eigentlich zu hoch ist, wird Kaffee angebaut und daran festgehalten, mit mal mehr und mal weniger Erfolg. Die vielen Missernten, die verschwenderischen Ausgaben von Ehemann Bror und andere Umstände führen dazu, dass die Farm verkauft werden muss und Karen-Tania Blixen 1931 nach Dänemark zurückkehrt.  

Der 1. Weltkrieg ist ausgebrochen und in Kenia stehen sich Briten und Deutsche gegenüber, doch es sind die einheimischen Afrikaner, die als Kanonenfutter vorgeschickt werden. Doch davon erfährt der Leser nur indirekt.

Im Buch reihen sich Geschichten, die teils in Kenia und teil als Erinnerung in Dänemark verfasst wurden, aneinander. Mal ist man „mitten im Geschehen“, dann merkt man beim Lesen schon den Abstand zu den beschriebenen Ereignissen. Etliche Szenen, die in der Verfilmung groß  dargestellt werden, sind im Buch nur beiläufig erwähnt, wie der große Brand der „Kaffeemühle“.
Vieles andere fehlt im Film, was das Buch sehr lesenswert macht: Da gibt es die Frauen des somalischen Dieners Farah, zu denen sich Tania Blixen besonders hingezogen fühlte, die Auseinandersetzungen der Kikuyu auf der Farm, der Junge Kamante, der nach einem Krankenhausaufenthalt zum Christen wurde und viele andere.
Interessant sind ebenso die Beschreibungen über die Massai, die Kikuyu, die verschiedenen Leute, die zeitweise auf der Farm lebten oder sie besuchten, wie der alte Knudsen, ein Däne, der in Nordschweden als Köhler arbeitete und auf die Idee kam, den Indern in Nairobi Holzkohle zu verkaufen.
Einige Erzählungen sind kurz und wirken eher wie Randnotizen oder flüchtige Gedanken.

Tania Blixen schreibt als Frau ihrer Zeit und gebraucht Ausdrücke, die heute nicht mehr üblich sind (Negermädchen). Für heutige Leser scheinen manche Passagen diskriminierend und rassistisch („Was ich vom Wild gelernt hatte, konnte ich im Umgang mit den Eingeborenen anwenden.“), für die damalige Zeit im ersten Weltkrieg und danach aber normal, denn die Länder Afrikas waren noch fest in weißer Hand mit all ihren negativen kolonialistischen Auswirkungen.

Obwohl sich Tania Blixen sehr für „ihre“ Kikuyu einsetzte und die Massai, Somali („Was mich betrifft, so habe ich die Eingeborenen, die ich in Afrika antraf vom ersten Tage an geliebt.“ … „Die Begegnung mit den dunklen Leuten war für mich ein Erlebnis wie für Kolumbus die Entdeckung Amerikas und in gleicher Weise eine Erweiterung meiner gesamten Welt.“) sowie die anderen Besucher und vorübergehende Gäste der Farm mit Respekt behandelt, findet sie doch keinen rechten Zugang zu ihnen. Sie versucht sich in ihre Mitbewohner und Mitmenschen hineinzuversetzen, um sie besser zu verstehen, was ihr aber kaum gelingt. Doch mit der Zeit „entwickelte sich aus meiner Bekanntschaft mit den Eingeborenen (auf der Farm und bei Jagdexpeditionen) allmählich eine gewohnheitsmäßige, persönliche Beziehung. Wir wurden gute Freunde“ schreibt die Baronin.

Und diese Freundschaft und dadurch der persönlichere Einblick, den ihr die Kenianer gewähren, den Tania Blixen im Buch festhält, macht die Lektüre besonders lesenswert, denn oft weicht der Blick vom Oberflächlichen ab und man erfährt als Leser viel mehr über Land und Leute, Gefühle, Schmerz, Heiterkeit und Tod.

Erst nach über 250 Seiten werden im Kapitel „Gäste auf der Farm“ Weiße vorgestellt. Die Beziehung zu Denys Finch Hatton, die von 1918 bis 1929 dauerte, im Film ein Schwerpunkt, wird im Buch eher beiläufig beschrieben. Erst als er 1931 stirbt, nach zweijähriger Trennung von  Tania Blixen, schreibt sie mehr über ihn und beschreibt die Umstände seiner Beerdigung auf den Ngong-Bergen.
Kaum eine Erwähnung findet ihr Mann Bror.

1931 kehrt Baronin Blixen-Finecke nach Dänemark zurück und bleibt dort bis zu ihrem Tod 1962.  

Am Ende des Buches befinden sich das Inhaltsverzeichnis, eine editorische Notiz und das Nachwort von Ulrike Draesner.

Fazit:
Diese Neuübersetzung von Gisela Peret aus dem Manesse Verlag von 2017 ist einmal mehr ein Buchkunsthandwerk deutscher Qualität, trotz des kleinen, aber handlichen Formats gut zu lesen und passt in jede Handtasche.
Wer sich nach Afrika bzw. nach Kenia träumen will hat mit diesem Buch einen interessanten, aber melancholischen Reisebegleiter des frühen 20. Jahrhunderts, der die Natur und die Situation von damals gut beschreibt.

Sehr empfehlenswert 

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