Wallstein |
Annemarie Schimmel
(Hrsg: Rudolf Kreutner)
FRIEDRICH RÜCKERT
Lebensbild und Einführung in sein Werk
Ein Philologe beschäftigt sich aus „Liebe zur Sprache“
übersetzend, sprachwissenschaftlich und lehrend mit der Literatur eines Landes,
der Orientalist spezialisiert sich dabei auf Sprachen des Nahen und Fernen
Ostens. Friedrich Rückert tat dies mit 44 Sprachen, darunter Afghanisch,
Altäthiopisch, Koptisch, Berbersprachen, Sanskrit oder Malaiisch! Obwohl er
betonte, dass er eigentlich nur deshalb Orientalist wurde, „weil ein Poet keine
Familie ernähren kann“, und diese Familie war groß. Mit seiner Frau Luise hatte
er 10 Kinder, wovon drei ganz jung starben. Vor allem für sie dichtete er die
„Kindertodtenlieder“.
Am 31. Januar 2016 jährt sich der Todestag des großen
Dichter-Gelehrten zum 150. Mal. Aus diesem Anlass veranstaltet die Friedrich
Rückert Gesellschaft e.V. in Schweinfurt, Erlangen und Coburg Ausstellungen,
Lesungen, Vorträge und Konzerte. Sie verwaltet den immensen Nachlass des
Dichters.
Im Wallstein Verlag wurde das Buch der Islamwissenschaftlerin
Prof. Annemarie Schimmel (1922-2003) „Friedrich
Rückert - Lebensbild und Einführung in sein Werk“ von Rudolf Kreutner, Geschäftsführer
der Friedrich-Rückert-Gesellschaft, neu aufgelegt und nun veröffentlicht.
In dem Buch zeichnet die Autorin im ersten Teil den
Lebensweg dieses bedeutenden Dichters und Orientalisten nach. Er wurde am 16. Mai 1788, ein Jahr vor
der französischen Revolution in Schweinfurt geboren. Zwölf Jahre zuvor erklärte
Amerika seine Unabhängigkeit. Rückert erlebte schon früh unruhige Zeiten mit
der Einnahme Frankens durch Bayern 1806, den deutschen Freiheitskriegen 1812-13,
den Ägyptenfeldzug Napoleons und dessen Eroberungen. Er stellte sich dichtend
und schreibend gegen Napoleon (Geharnischte Sonette 1814). Zuvor hatte er
bereits Hebräisch, Syrisch und Persisch an der Universität in Würzburg
studiert. 1817 unternahm er eine Reise über die Schweiz nach Italien, die fast
ein Jahr dauerte. Über Florenz und Venedig reiste er nach Wien und lernte bei
dem berühmten Orientalisten Joseph von Hammer-Purgstall Arabisch und etwas
Türkisch. Dieser Aufenthalt war für Rückert sehr fruchtbar, denn hier wurde er
in die „Übersetzungen aus dem islamischen Kulturkreis“ eingeführt.
Von 1826 bis 1841 lehrte Friedrich Rückert als
ordentlicher Professor der orientalischen Sprachen an der Universität in
Erlangen, der Lehrstuhl wurde erst 1795 in Paris von dem französischen
Orientalisten Silvestre de Sacy gegründet. Sechs seiner zehn Kinder wurden in
Erlangen geboren. 1838 erschienen seine Werke „Rostam und Suhrab“ aus dem Königsbuch.
Während dieser Zeit musste Rückert mehrere schwere Schicksalsschläge hinnehmen.
Zwei Kinder starben an Scharlach, ebenso starb 1835 seine jüngere Schwester
Maria, im selben Jahr auch seine Mutter.
1859 wurde Friedrich Rückert Ehrenmitglied im „Pegnesischen Blumenorden“ der Nürnberger
Sprach- und Literaturgesellschaft.
Von 1841 bis 1848 lehrte Friedrich Rückert in Berlin,
bevor er sich auf seinem Landgut in Neuses bei Coburg in den Ruhestand begab
und auf dem Goldberg in sein Refugium zurückzog. Seine Dichtungen und
orientalischen Studien setzte er fort.
Am 31. Januar 1866 starb Friedrich Rückert in Neuses bei
Coburg.
Der zweite Teil beschäftigt sich mit den Werken des
Orientalisten und Dichters.
Friedrich Rückerts Zeitgenossen waren u.a. Goethe,
Schiller, Herder, Jean Paul, von Eichendorff und Gustav Schwab (Griechische
Heldensagen). Die „deutsche Literatur hatte ihren Höhepunkt erreicht“. Antoine
Gallands Übersetzung der „Märchen aus 1001 Nacht“ in das Französische löste
Anfang des 18. Jahrhunderts eine Morgenland-Begeisterung aus. Das Bild des
„blinden Hasses gegen den Islam“, das sich gerade, nach 200 Jahren, leider
erneut wiederholt, wurde durch die Aufklärung neu geformt.
Dichter, Maler, Musiker und Reisende lösten eine
verklärende Begeisterung für den romantischen Orient aus. Goethe widmete sich
Hafiz und dem „West-Östlichen Diwan“, Rückerts Antwort
darauf war sein Gedichtband „Östliche Rosen“ (1822) in Form der persischen
Ghaselen nach Hafiz, eigentlich Hadj Shams ad-Din Mohammad Hafez-e Shirazi
(1320-1389).
Friedrich Rückert konnte sich aufgrund seines Talentes
zum Dichten in die Gedichtformen anderer
Sprachen sehr gut hineindenken. Er übersetzte meisterhaft die kompliziertesten
Kompositionen der persischen und arabischen Dichter unter Beibehaltung der
originalen Wortspiele. Besonderen Wert legte Rückert auf die persische und
arabische Versform der Ghaselen. Diese benutzten persische Poeten wie
Hafiz und Dschalalluddin Rumi, deren
Werke er übertrug oder nachdichtete. Aus dem Koran übersetzte er Teile. Er
übersetzte „Sa’adis Bostan“ (Der Duftgarten) von Muscharraf ad-Din Abdullah (um
1190-um 1292), genannt Sa‘adi und das persische Königsbuch „Schahname“ von Firdosi.
1838 und 1839 erschien sein großes Lehrgedicht „Die
Weisheit des Brahmanen“ in sechs Bänden. Eines seiner Meisterwerke ist die
Übertragung und Nachdichtung der „Verwandlungen des Abu Seid von Serug“ oder „Makamen
des Harari“ aus dem Arabischen, von dem Silvestre de Sacy anerkennend bemerkte:
„Dank Ihnen wird nun jemand, der Deutsch kann, nicht mehr Arabisch zu lernen
brauchen, um sich eine rechte Vorstellung zu machen, was es in dieser Art an
orientalischen Werken gibt“.
Friedrich Rückerts Anliegen war die Völkerverständigung
in Ost und West, zu der er mit seinen Übersetzungen und Nachdichtungen
entscheidend beitrug:
„Dass über Bildung Gang
die Menschheit sich verständige,
dazu wirkt jeder Urweltsklang,
den ich verdeutschend bändige.“
Autorin:
Annemarie Schimmel (1922-2003) war eine der bedeutendsten
Islamwissenschaftlerinnen Deutschlands. Sie lehrte in u.a. Bonn, Ankara und
Harvard und erhielt neben anderen 1965 den Friedrich-Rückert-Preis und 1995 den
Friedenspreis des deutschen Buchhandels. Zahlreiche Bücher zum Islamverständnis
sind von ihr erschienen, sie beschäftigte sich auch mit dem Sufismus und gab
2002 eine Einführung in die islamische Mystik heraus.
Fazit:
Das Buch gibt einen sehr interessanten Einblick in die
Welt des Poeten, Philologen und Orientalisten Friedrich Rückert und zeigt, wie
nah der Orient zu seiner Zeit in Europa war. Jeder hatte die Möglichkeit seine
Bücher zu kaufen, doch das Interesse schien sich schon damals in Grenzen zu
halten, wie er beklagte. Wer sich für die Übersetzungen, Nachdichtungen oder
eigenen Werke des Dichter-Gelehrten interessiert, erfährt hier einen guten
Überblick über die Schaffenskraft Friedrich Rückerts. Im Anhang werden Rückerts
Werke und weiterführende Literatur aufgelistet.
Ein lesens- und empfehlenswertes Buch zum Rückert-Jahr
2016.