Donnerstag, 14. Januar 2016

Rezension: Friedrich Rückert


Wallstein
Rezension


Annemarie Schimmel (Hrsg: Rudolf Kreutner)

FRIEDRICH  RÜCKERT
Lebensbild und Einführung in sein Werk

Ein Philologe beschäftigt sich aus „Liebe zur Sprache“ übersetzend, sprachwissenschaftlich und lehrend mit der Literatur eines Landes, der Orientalist spezialisiert sich dabei auf Sprachen des Nahen und Fernen Ostens. Friedrich Rückert tat dies mit 44 Sprachen, darunter Afghanisch, Altäthiopisch, Koptisch, Berbersprachen, Sanskrit oder Malaiisch! Obwohl er betonte, dass er eigentlich nur deshalb Orientalist wurde, „weil ein Poet keine Familie ernähren kann“, und diese Familie war groß. Mit seiner Frau Luise hatte er 10 Kinder, wovon drei ganz jung starben. Vor allem für sie dichtete er die „Kindertodtenlieder“.
Am 31. Januar 2016 jährt sich der Todestag des großen Dichter-Gelehrten zum 150. Mal. Aus diesem Anlass veranstaltet die Friedrich Rückert Gesellschaft e.V. in Schweinfurt, Erlangen und Coburg Ausstellungen, Lesungen, Vorträge und Konzerte. Sie verwaltet den immensen Nachlass des Dichters.

Im Wallstein Verlag wurde das Buch der Islamwissenschaftlerin Prof. Annemarie Schimmel (1922-2003) „Friedrich Rückert - Lebensbild und Einführung in sein Werk“ von Rudolf Kreutner, Geschäftsführer der Friedrich-Rückert-Gesellschaft, neu aufgelegt und nun veröffentlicht.

In dem Buch zeichnet die Autorin im ersten Teil den Lebensweg dieses bedeutenden Dichters und Orientalisten  nach. Er wurde am 16. Mai 1788, ein Jahr vor der französischen Revolution in Schweinfurt geboren. Zwölf Jahre zuvor erklärte Amerika seine Unabhängigkeit. Rückert erlebte schon früh unruhige Zeiten mit der Einnahme Frankens durch Bayern 1806, den deutschen Freiheitskriegen 1812-13, den Ägyptenfeldzug Napoleons und dessen Eroberungen. Er stellte sich dichtend und schreibend gegen Napoleon (Geharnischte Sonette 1814). Zuvor hatte er bereits Hebräisch, Syrisch und Persisch an der Universität in Würzburg studiert. 1817 unternahm er eine Reise über die Schweiz nach Italien, die fast ein Jahr dauerte. Über Florenz und Venedig reiste er nach Wien und lernte bei dem berühmten Orientalisten Joseph von Hammer-Purgstall Arabisch und etwas Türkisch. Dieser Aufenthalt war für Rückert sehr fruchtbar, denn hier wurde er in die „Übersetzungen aus dem islamischen Kulturkreis“ eingeführt.

Von 1826 bis 1841 lehrte Friedrich Rückert als ordentlicher Professor der orientalischen Sprachen an der Universität in Erlangen, der Lehrstuhl wurde erst 1795 in Paris von dem französischen Orientalisten Silvestre de Sacy gegründet. Sechs seiner zehn Kinder wurden in Erlangen geboren. 1838 erschienen seine Werke „Rostam und Suhrab“ aus dem Königsbuch. Während dieser Zeit musste Rückert mehrere schwere Schicksalsschläge hinnehmen. Zwei Kinder starben an Scharlach, ebenso starb 1835 seine jüngere Schwester Maria, im selben Jahr auch seine Mutter.
1859 wurde Friedrich Rückert Ehrenmitglied im  „Pegnesischen Blumenorden“ der Nürnberger Sprach-  und Literaturgesellschaft.

Von 1841 bis 1848 lehrte Friedrich Rückert in Berlin, bevor er sich auf seinem Landgut in Neuses bei Coburg in den Ruhestand begab und auf dem Goldberg in sein Refugium zurückzog. Seine Dichtungen und orientalischen Studien setzte er fort.
Am 31. Januar 1866 starb Friedrich Rückert in Neuses bei Coburg.

Der zweite Teil beschäftigt sich mit den Werken des Orientalisten und Dichters.
Friedrich Rückerts Zeitgenossen waren u.a. Goethe, Schiller, Herder, Jean Paul, von Eichendorff und Gustav Schwab (Griechische Heldensagen). Die „deutsche Literatur hatte ihren Höhepunkt erreicht“. Antoine Gallands Übersetzung der „Märchen aus 1001 Nacht“ in das Französische löste Anfang des 18. Jahrhunderts eine Morgenland-Begeisterung aus. Das Bild des „blinden Hasses gegen den Islam“, das sich gerade, nach 200 Jahren, leider erneut wiederholt, wurde durch die Aufklärung neu geformt.
Dichter, Maler, Musiker und Reisende lösten eine verklärende Begeisterung für den romantischen Orient aus. Goethe widmete sich
Hafiz und dem „West-Östlichen Diwan“, Rückerts Antwort darauf war sein Gedichtband „Östliche Rosen“ (1822) in Form der persischen Ghaselen nach Hafiz, eigentlich Hadj Shams ad-Din Mohammad Hafez-e Shirazi (1320-1389).

Friedrich Rückert konnte sich aufgrund seines Talentes zum Dichten  in die Gedichtformen anderer Sprachen sehr gut hineindenken. Er übersetzte meisterhaft die kompliziertesten Kompositionen der persischen und arabischen Dichter unter Beibehaltung der originalen Wortspiele. Besonderen Wert legte Rückert auf die persische und arabische Versform der Ghaselen. Diese benutzten persische Poeten wie Hafiz  und Dschalalluddin Rumi, deren Werke er übertrug oder nachdichtete. Aus dem Koran übersetzte er Teile. Er übersetzte „Sa’adis Bostan“ (Der Duftgarten) von Muscharraf ad-Din Abdullah (um 1190-um 1292), genannt Sa‘adi und das persische Königsbuch „Schahname“ von Firdosi.

1838 und 1839 erschien sein großes Lehrgedicht „Die Weisheit des Brahmanen“ in sechs Bänden. Eines seiner Meisterwerke ist die Übertragung und Nachdichtung der „Verwandlungen des Abu Seid von Serug“ oder „Makamen des Harari“ aus dem Arabischen, von dem Silvestre de Sacy anerkennend bemerkte: „Dank Ihnen wird nun jemand, der Deutsch kann, nicht mehr Arabisch zu lernen brauchen, um sich eine rechte Vorstellung zu machen, was es in dieser Art an orientalischen Werken gibt“.

Friedrich Rückerts Anliegen war die Völkerverständigung in Ost und West, zu der er mit seinen Übersetzungen und Nachdichtungen entscheidend beitrug:

„Dass über Bildung Gang
die Menschheit sich verständige,
dazu wirkt jeder Urweltsklang,
den ich verdeutschend bändige.“

Autorin:
Annemarie Schimmel (1922-2003) war eine der bedeutendsten Islamwissenschaftlerinnen Deutschlands. Sie lehrte in u.a. Bonn, Ankara und Harvard und erhielt neben anderen 1965 den Friedrich-Rückert-Preis und 1995 den Friedenspreis des deutschen Buchhandels. Zahlreiche Bücher zum Islamverständnis sind von ihr erschienen, sie beschäftigte sich auch mit dem Sufismus und gab 2002 eine Einführung in die islamische Mystik heraus.

Fazit:
Das Buch gibt einen sehr interessanten Einblick in die Welt des Poeten, Philologen und Orientalisten Friedrich Rückert und zeigt, wie nah der Orient zu seiner Zeit in Europa war. Jeder hatte die Möglichkeit seine Bücher zu kaufen, doch das Interesse schien sich schon damals in Grenzen zu halten, wie er beklagte. Wer sich für die Übersetzungen, Nachdichtungen oder eigenen Werke des Dichter-Gelehrten interessiert, erfährt hier einen guten Überblick über die Schaffenskraft Friedrich Rückerts. Im Anhang werden Rückerts Werke und weiterführende Literatur aufgelistet.
Ein lesens- und empfehlenswertes Buch zum Rückert-Jahr 2016.