Styria Premiuim |
HANS JOACHIM LÖWER
DIE STUNDE DER KURDEN Wie sie den Nahen Osten verändern
Traum vieler
Kurden
In der Geschichte von Türken, Persern und Arabern
unterdrückt, flohen die Kurden in ihre Bergregionen, wo sie bedroht, vertrieben
und vergast wurden. Ihre Region wurde von Großbritannien in der Türkei, Iran
und Irak aufgeteilt, ohne Rücksicht auf
die Unabhängigkeitsforderungen der Kurden. Nun, nach fast 100 Jahren des Kampfes,
gibt es gute Chancen für einen demokratischen Staat Kurdistan, in dem Kurden,
Araber und Turkomanen ungehindert zusammen leben können. Das ist der Traum
vieler, der wohl wahr werden kann. Diesen Eindruck vermittelt der Autor in
seinem Buch mit Beschreibungen der Städte Erbil, Sulaimania, Halabdscha, den
Bergregionen der Peschmerga und Interviews mit den Einwohnern.
Mutige Kurden
Darunter ist ein Mann, der Minen entschärft. Er hat fast
2,4 Millionen Minen ausgegraben und bei Unfällen beide Beine verloren, trotzdem
macht er unverdrossen weiter.
Eine Spionin fing Gespräche des Sicherheitsdienstes und
Verteidigungsministeriums ab und versorgte die Leute vom Widerstand gegen den
Irak Sadam Husseins mit Medikamenten für Kranke und Verletzte. Heute ist sie
Beauftragte für Frauenfragen, lokale Parteivorsitzende, Bürgermeisterin von
Koya und seit 2010 Generaldirektorin einer Abteilung im Innenministerium, die
sich mit Gewalt gegen Frauen, wie Misshandlungen, Ehrenmorde,
Selbstverbrennungen befasst.
Peschmerga verteidigen ihr Land gegen die Terroristen des
Islamischen Staates IS.
Islamische Theologen diskutieren während ihrer Ausbildung
zu Imamen. Der Autor staunt über Sätze wie: „Man darf den Glauben eines anderen
nicht mit Gewalt ändern….“. “Das kommt…von Unwissen und einem schmutzigen
Milieu.“ Und „Wir haben halt das Pech, das wir Muslime geworden sind“,
begleitet von einem kräftigen Lachen (S. 108)
Im Gefängnis wird
gearbeitet
Peschmerga-Truppen verteidigen Berge, Ölfelder, Grenzen
und vor allem ihr Land gegen den IS. Der Irak zerfällt in Regionen mit Kurden,
Sunniten, Schiiten und Minderheiten wie Jesiden und Christen. Die Kurden haben
ihre Chance auf einen eigenen Staat vor 20 Jahren ergriffen und bauen Schulen,
Universitäten, Ölpipelines und Hotels.
Sogar das Gefängnis von Fort Suseh trägt zum Aufbau bei, denn die
Häftlinge - Räuber, Mörder, Kidnapper, Bombenleger, Terroristen und ehemalige
irakische Minister - arbeiten als Schweißer, Elektriker, Schreiner, Gärtner sogar
als Imker. Dem Autor kommt der Besuch im Gefängnis wie eine Show vor, aber es
ist Realität, denn bewaffnete Wachleute begleiten ihn und „haben ihre Augen
überall.“ Freigelassene arbeiten als Friseure oder Restaurantbesitzer.
Giftgas sollte
Kurden vernichten
Während seiner einmonatigen Reise beschreibt Hans-Joachim
Löwer das Land wie es kaum in den Medien Erwähnung findet, nämlich positiv, mit
Menschen, die ehrlich an ein Kurdistan glauben, das seit mehr als 20 Jahren
eine autonome Region ist. 1991 ließen die USA eine Flugverbotszone einrichten, „um
die Kurden vor Angriffen der Streitkräfte des Diktators Sadam Hussein zu schützen“,
der Giftgas einsetzte, um die Kurden zu vernichten.
„Wir sind auf dem
richtigen Weg“
Doch sie sind noch da und entschlossener als je zuvor,
was Zitate, wie diese unterstreichen: „Unser Nationalismus war immer defensiv.“
(S. 15) „Wir haben nie andere Völker angegriffen, sondern immer nur uns selbst
verteidigt. Aber wir lassen nicht zu, dass man uns unsere Rechte nimmt.“ „Wir
sind anders als Araber…“ (S. 23) „Die Freiheit hat ihren Preis“ (S. 47) „Wir
werden eine offene Gesellschaft… Wir sind auf dem richtigen Weg.“ (S.73) „In
Kurdistan ist jeder willkommen, nur die nicht, die Gewalt predigen“ (S. 121).
Es ist zu hoffen und zu wünschen, dass die Kurden in ihrem
berechtigten Bestreben Unterstützung auch aus dem Westen erhalten. Sie selbst
überwinden ihre Differenzen nun in einem Parlament und nicht mehr auf dem
Schlachtfeld.
Autor:
Hans-Joachim Löwer, geb. 1948, ist Autor zahlreicher
Bücher. Er war 16 Jahre Auslandsreporter des Stern und ein Jahr Redakteur für
die deutschsprachige Ausgabe des National Geographic Magazins. Seine Reisen
führten ihn in den Nahen Osten, nach Asien, Afrika und Lateinamerika, wo er in
den 1990er Jahren Selbsthilfegruppen leitete. Rucksacktouren führten ihn 2003 nach
Israel und Palästina.
Fazit:
Dieses Buch überrascht und beeindruckt. Es ist sehr gut
geschrieben. Unterschiedlichste Menschen kommen zu Wort, Bilder bereichern die
Berichte. Neue und unbekannte Informationen aus dem Nahen Osten, der in den
Medien nur als Kriegsschauplatz dargestellt wird.
„Kurdistan ist anders“, hört der Autor immer wieder und
sein Buch vermittelt ein positives Bild von einer Region, deren Menschen so
viel Leid ertragen mussten.
Unbedingt lesenswert und allen empfohlen, die sich für
mehr als nur Schlagzeilen interessieren.
Kompliment an Hans-Joachim Löwer für diesen couragierten
Bericht.
Hans-Joachim Löwer
Die Stunde der
Kurden
Hardcover mit Schutzumschlag
Format 13,5 x 21,5 cm
208 Seiten
1.Auflage Februar 2015