Samstag, 14. März 2015

Rezension: Die Stunde der Kurden

Styria Premiuim
Rezension

HANS  JOACHIM  LÖWER


DIE  STUNDE  DER  KURDEN  Wie sie den Nahen Osten verändern                    

 Die Stunde der Kurden, endlich ist sie gekommen. Nach einhundert Jahren Kampf und Unterdrückung haben die Kurden nun die Chance einen neuen Staat Kurdistan aufzubauen und sie tun alles dafür. Der Autor, Hans-Joachim Löwer, bereiste die autonome Region Kurdistan und sein Bericht beeindruckt. In 20 Kapiteln lässt er Frauen und Männer zu Wort kommen, die an einen unabhängigen Staat Kurdistan glauben und den Worten Taten folgen lassen.

Traum vieler Kurden

In der Geschichte von Türken, Persern und Arabern unterdrückt, flohen die Kurden in ihre Bergregionen, wo sie bedroht, vertrieben und vergast wurden. Ihre Region wurde von Großbritannien in der Türkei, Iran und Irak aufgeteilt,  ohne Rücksicht auf die Unabhängigkeitsforderungen der Kurden. Nun, nach fast 100 Jahren des Kampfes, gibt es gute Chancen für einen demokratischen Staat Kurdistan, in dem Kurden, Araber und Turkomanen ungehindert zusammen leben können. Das ist der Traum vieler, der wohl wahr werden kann. Diesen Eindruck vermittelt der Autor in seinem Buch mit Beschreibungen der Städte Erbil, Sulaimania, Halabdscha, den Bergregionen der Peschmerga und Interviews mit den Einwohnern.

Mutige Kurden

Darunter ist ein Mann, der Minen entschärft. Er hat fast 2,4 Millionen Minen ausgegraben und bei Unfällen beide Beine verloren, trotzdem macht er unverdrossen weiter.
Eine Spionin fing Gespräche des Sicherheitsdienstes und Verteidigungsministeriums ab und versorgte die Leute vom Widerstand gegen den Irak Sadam Husseins mit Medikamenten für Kranke und Verletzte. Heute ist sie Beauftragte für Frauenfragen, lokale Parteivorsitzende, Bürgermeisterin von Koya und seit 2010 Generaldirektorin einer Abteilung im Innenministerium, die sich mit Gewalt gegen Frauen, wie Misshandlungen, Ehrenmorde, Selbstverbrennungen befasst.
Peschmerga verteidigen ihr Land gegen die Terroristen des Islamischen Staates IS.
Islamische Theologen diskutieren während ihrer Ausbildung zu Imamen. Der Autor staunt über Sätze wie: „Man darf den Glauben eines anderen nicht mit Gewalt ändern….“. “Das kommt…von Unwissen und einem schmutzigen Milieu.“ Und „Wir haben halt das Pech, das wir Muslime geworden sind“, begleitet von einem kräftigen Lachen (S. 108)

Im Gefängnis wird gearbeitet

Peschmerga-Truppen verteidigen Berge, Ölfelder, Grenzen und vor allem ihr Land gegen den IS. Der Irak zerfällt in Regionen mit Kurden, Sunniten, Schiiten und Minderheiten wie Jesiden und Christen. Die Kurden haben ihre Chance auf einen eigenen Staat vor 20 Jahren ergriffen und bauen Schulen, Universitäten, Ölpipelines und Hotels.  Sogar das Gefängnis von Fort Suseh trägt zum Aufbau bei, denn die Häftlinge - Räuber, Mörder, Kidnapper, Bombenleger, Terroristen und ehemalige irakische Minister - arbeiten als Schweißer, Elektriker, Schreiner, Gärtner sogar als Imker. Dem Autor kommt der Besuch im Gefängnis wie eine Show vor, aber es ist Realität, denn bewaffnete Wachleute begleiten ihn und „haben ihre Augen überall.“ Freigelassene arbeiten als Friseure oder Restaurantbesitzer.

Giftgas sollte Kurden vernichten

Während seiner einmonatigen Reise beschreibt Hans-Joachim Löwer das Land wie es kaum in den Medien Erwähnung findet, nämlich positiv, mit Menschen, die ehrlich an ein Kurdistan glauben, das seit mehr als 20 Jahren eine autonome Region ist. 1991 ließen die USA eine Flugverbotszone einrichten, „um die Kurden vor Angriffen der Streitkräfte des Diktators Sadam Hussein zu schützen“, der Giftgas einsetzte, um die Kurden zu vernichten.

„Wir sind auf dem richtigen Weg“

Doch sie sind noch da und entschlossener als je zuvor, was Zitate, wie diese unterstreichen: „Unser Nationalismus war immer defensiv.“ (S. 15) „Wir haben nie andere Völker angegriffen, sondern immer nur uns selbst verteidigt. Aber wir lassen nicht zu, dass man uns unsere Rechte nimmt.“ „Wir sind anders als Araber…“ (S. 23) „Die Freiheit hat ihren Preis“ (S. 47) „Wir werden eine offene Gesellschaft… Wir sind auf dem richtigen Weg.“ (S.73) „In Kurdistan ist jeder willkommen, nur die nicht, die Gewalt predigen“ (S. 121).

Es ist zu hoffen und zu wünschen, dass die Kurden in ihrem berechtigten Bestreben Unterstützung auch aus dem Westen erhalten. Sie selbst überwinden ihre Differenzen nun in einem Parlament und nicht mehr auf dem Schlachtfeld.


Autor:
Hans-Joachim Löwer, geb. 1948, ist Autor zahlreicher Bücher. Er war 16 Jahre Auslandsreporter des Stern und ein Jahr Redakteur für die deutschsprachige Ausgabe des National Geographic Magazins. Seine Reisen führten ihn in den Nahen Osten, nach Asien, Afrika und Lateinamerika, wo er in den 1990er Jahren Selbsthilfegruppen leitete. Rucksacktouren führten ihn 2003 nach Israel und Palästina.

Fazit:
Dieses Buch überrascht und beeindruckt. Es ist sehr gut geschrieben. Unterschiedlichste Menschen kommen zu Wort, Bilder bereichern die Berichte. Neue und unbekannte Informationen aus dem Nahen Osten, der in den Medien nur als Kriegsschauplatz dargestellt wird.
„Kurdistan ist anders“, hört der Autor immer wieder und sein Buch vermittelt ein positives Bild von einer Region, deren Menschen so viel Leid ertragen mussten.
Unbedingt lesenswert und allen empfohlen, die sich für mehr als nur Schlagzeilen interessieren.
Kompliment an Hans-Joachim Löwer für diesen couragierten Bericht.  


Hans-Joachim Löwer
Die Stunde der Kurden
Hardcover mit Schutzumschlag
Format 13,5 x 21,5 cm
208 Seiten
1.Auflage Februar 2015
Euro 24,99  Buch kaufen