Samstag, 14. März 2015

Rezension: Orientbilder - Fotografien 1850 - 1910

Rezension


Orientbilder - Fotografien 1850 - 1910       

Noch bis zum 22. März 2015 werden im BildungsTURM in Konstanz Photographien von Orientbildern gezeigt, die zwischen 1850 und 1910 entstanden. In dieser Zeit begannen nicht nur die Reisenden den Orient zu entdecken sondern auch die Photographie. Waren es zuvor Maler, die Landschaften abbildeten und ihre Phantasien vom Orient auf Leinwand verewigten, so kam Mitte des 19. Jh. die Photographie als neues Instrument hinzu.

Die Ausstellung ist das Resultat einer Projektarbeit von Studenten der Universität Konstanz unter der Leitung von Bernd Stiegler und Felix Thürlemann während der Semester 2014/2015. In diesem Seminar wurde auch der informative Katalog mit aufschlussreichen Beiträgen zusammengestellt.

215 Bilder aus Ägypten, Nordafrika, Palästina und der Türkei zeigen Pyramiden, Obelisken, Landschaften, Menschen mit ihren Berufen und kunstvoll in Szene gesetzte Frauen und Männer in orientalischen Kostümen. Bilder, die der Photograph im Kopf hatte, wurden arrangiert, damit er sie zu Hause besser verkaufen konnte. Im Lauf der Zeit wurde die Phantasie ausschweifender und die Bilder freizügiger.

Bei den Photographien zeigt sich besonders deutlich, welches Bild sich der Photograph vom Orient macht und welche Szenen den Betrachter in Europa interessieren könnten. Der Photograph hat einen unmittelbaren Einfluss auf das Orientbild, den er ausnutzt. Ob dieses Bild realistisch ist oder nicht, steht weniger im Vordergrund als das Schöne, Fremdartige, Andere. Der Gegensatz vom prüden Abendland zum phantasievollen Morgenland, vom überlegenen Kolonialisten zum armen Eseltreiber oder zur exotischen Haremsdame ist gewollt und wird bewusst abgebildet. Nicht wenige Aufnahmen von Personen entstehen denn auch in Ateliers vor einem gemalten Hintergrund mit Minaretten oder Palmen und nicht als „Straßenszenen“. Die Photographen haben sich in den Ländern niedergelassen, um so „ihren“ Orient zu produzieren. Damit trugen sie wesentlich zum Klischee und der Vorstellung bei, die sich der europäische „Daheimgebliebene“ vom Orient machte.

Die Photographien von Städten zeigen ab 1875 bereits Panoramaansichten von Kairo, dem Bosporus und Istanbul.

Nach der Kolonisation der Maghrebländer Algerien, Tunesien und Marokko durch Frankreich wurde das inszenierte Orientbild auch nach Nordafrika getragen. Doch hier entstanden nicht gestellte ethnographische Bilder der unterschiedlichen Volksgruppen, die Landschaftsaufnahmen zeigen römische Aquädukte oder die riesigen Kalkablagerungen des Hammam Meskoutine mit seinen heißen Quellen, was so gar nicht an den Orient erinnert.

Nach 1900, der Tourismus und die Amateurphotographie hat bereits eingesetzt, sehen sich die Professionellen nach neuen Motiven um. Sie sehen sich nun als Künstler und schaffen ein vollends losgelöstes und imaginäres Bild vom Orient, das die Touristen während ihres kurzen Aufenthalts gar nicht zu Gesicht bekommen. Der Künstler kann zwar immer noch nicht in den Harem hineingehen, aber in den Studios entstehen nun Bilder von Akten, Odalisken vor „orientalischem“ Hintergrund mit Kamel, Wüste und Palmen, Haremsszenen, die überall entstanden sein könnten. Die Qualität der Aufnahmen wird besser, aber die Motive werden freizügig bis sexistisch, mit der Wirklichkeit im Orient haben sie nichts mehr zu tun.

Eine Ausstellung, die sich lohnt besucht zu werden. Wenn dies nicht möglich ist, zeigt der interessante Ausstellungskatalog die Aufnahmen in einer guten Zusammenstellung mit begleitendem Text, der zum Nachdenken über die Klischeevorstellungen vom Orient anregt. Ein empfehlenswertes Buch mit ergänzenden Informationen zu den Photographen.

Ausstellung in Konstanz vom 20.02. - 22.03.2015.
Danach wird sie der Kunstsammlung Jena vom 10. Dezember 2016 bis 05. März 2017 gezeigt.

BildungsTURM Konstanz
Kulturzentrum am Münster
Wessenbergstr. 43
Tel. 07531 900-907

Öffnungszeiten
Dienstag - Freitag 10 - 18 Uhr
Samstag - Sonntag 10 - 17 Uhr
Jeden Sonntag 15 Uhr Führung

10.12.2016 - 05.03.2017:
Kunstsammlung Jena
Markt 7
07743 Jena
Museen.Jena.de