Orientbilder - Fotografien
1850 - 1910
Noch bis zum 22. März 2015 werden im BildungsTURM in Konstanz
Photographien von Orientbildern gezeigt, die zwischen 1850 und 1910 entstanden.
In dieser Zeit begannen nicht nur die Reisenden den Orient zu entdecken sondern
auch die Photographie. Waren es zuvor Maler, die Landschaften abbildeten und ihre
Phantasien vom Orient auf Leinwand verewigten, so kam Mitte des 19. Jh. die
Photographie als neues Instrument hinzu.
Die Ausstellung ist das Resultat einer Projektarbeit von
Studenten der Universität Konstanz unter der Leitung von Bernd Stiegler und
Felix Thürlemann während der Semester 2014/2015. In diesem Seminar wurde auch
der informative Katalog mit aufschlussreichen Beiträgen zusammengestellt.
215 Bilder aus Ägypten, Nordafrika, Palästina und der
Türkei zeigen Pyramiden, Obelisken, Landschaften, Menschen mit ihren Berufen
und kunstvoll in Szene gesetzte Frauen und Männer in orientalischen Kostümen. Bilder,
die der Photograph im Kopf hatte, wurden arrangiert, damit er sie zu Hause
besser verkaufen konnte. Im Lauf der Zeit wurde die Phantasie ausschweifender
und die Bilder freizügiger.
Bei den Photographien zeigt sich besonders deutlich,
welches Bild sich der Photograph vom Orient macht und welche Szenen den
Betrachter in Europa interessieren könnten. Der Photograph hat einen
unmittelbaren Einfluss auf das Orientbild, den er ausnutzt. Ob dieses Bild
realistisch ist oder nicht, steht weniger im Vordergrund als das Schöne,
Fremdartige, Andere. Der Gegensatz vom prüden Abendland zum phantasievollen
Morgenland, vom überlegenen Kolonialisten zum armen Eseltreiber oder zur exotischen
Haremsdame ist gewollt und wird bewusst abgebildet. Nicht wenige Aufnahmen von
Personen entstehen denn auch in Ateliers vor einem gemalten Hintergrund mit
Minaretten oder Palmen und nicht als „Straßenszenen“. Die Photographen haben
sich in den Ländern niedergelassen, um so „ihren“ Orient zu produzieren. Damit
trugen sie wesentlich zum Klischee und der Vorstellung bei, die sich der
europäische „Daheimgebliebene“ vom Orient machte.
Die Photographien von Städten zeigen ab 1875 bereits
Panoramaansichten von Kairo, dem Bosporus und Istanbul.
Nach der Kolonisation der Maghrebländer Algerien,
Tunesien und Marokko durch Frankreich wurde das inszenierte Orientbild auch
nach Nordafrika getragen. Doch hier entstanden nicht gestellte ethnographische
Bilder der unterschiedlichen Volksgruppen, die Landschaftsaufnahmen zeigen römische
Aquädukte oder die riesigen Kalkablagerungen des Hammam Meskoutine mit seinen
heißen Quellen, was so gar nicht an den Orient erinnert.
Nach 1900, der Tourismus und die Amateurphotographie hat
bereits eingesetzt, sehen sich die Professionellen nach neuen Motiven um. Sie sehen
sich nun als Künstler und schaffen ein vollends losgelöstes und imaginäres Bild
vom Orient, das die Touristen während ihres kurzen Aufenthalts gar nicht zu
Gesicht bekommen. Der Künstler kann zwar immer noch nicht in den Harem hineingehen,
aber in den Studios entstehen nun Bilder von Akten, Odalisken vor „orientalischem“
Hintergrund mit Kamel, Wüste und Palmen, Haremsszenen, die überall entstanden
sein könnten. Die Qualität der Aufnahmen wird besser, aber die Motive werden
freizügig bis sexistisch, mit der Wirklichkeit im Orient haben sie nichts mehr
zu tun.
Eine Ausstellung, die sich lohnt besucht zu werden. Wenn dies
nicht möglich ist, zeigt der interessante Ausstellungskatalog die Aufnahmen in
einer guten Zusammenstellung mit begleitendem Text, der zum Nachdenken über die
Klischeevorstellungen vom Orient anregt. Ein empfehlenswertes Buch mit
ergänzenden Informationen zu den Photographen.
Ausstellung in Konstanz vom 20.02. - 22.03.2015.
Danach wird sie der Kunstsammlung Jena vom 10. Dezember
2016 bis 05. März 2017 gezeigt.
BildungsTURM Konstanz
Kulturzentrum am Münster
Wessenbergstr. 43
Tel. 07531 900-907
Öffnungszeiten
Dienstag - Freitag 10 - 18 Uhr
Samstag - Sonntag 10 - 17 Uhr
Jeden Sonntag 15 Uhr Führung
10.12.2016 - 05.03.2017:
Kunstsammlung Jena
Markt 7
07743 Jena
Museen.Jena.de