Mittwoch, 29. April 2015

Rezension - Der Islam, der uns Angst macht

Tahar Ben Jelloun

Der Islam, der uns Angst macht      Rezension

Tahar Ben Jelloun

In seinem neuesten Buch setzt sich Tahar Ben Jelloun, der marokkanische Schriftsteller, einmal mehr mit der Frage auseinander, wie man „den Islam“ am besten erklärt oder darüber aufklärt.

Sieben Worte
Den Text des ersten Teils „Sieben Worte“ schrieb er kurz nach dem Anschlag auf die französische Satirezeitschrift Charlie Hebdo. Zu den sieben Worten Freiheit, Wut, Islam, ein Lächeln, Rache, Unwissenheit, Wiederstand schreibt er seine Gedanken auf, die in der Französischen Zeitung Le1 erschienen.
In den 1970er Jahren verließ Tahar Ben Jelloun seine Heimat Marokko, der Freiheit willen, die er in Frankreich glaubte gefunden zu haben, bis jetzt. Nun wird seine Freiheit der Sicherheit unterworfen und als Nordafrikaner in Frankreich hat er es nicht leicht. Immer begleiten ihn Fragen und Gedanken zum Islam.

Fragen zum Islam
Im zweiten Teil beantwortet er in einem fiktiven Gespräch die Fragen seiner Tochter. „Muss man Angst haben vor dem Islam ? - „Von welchem Islam redest Du ?“, fragt er zurück. Und darum geht es bei allen Diskussionen. Es gibt verschiedene Auslegungen der religiösen Texte, genauso wie es unterschiedliche Ansichten im Christentum gibt.
Sehr interessant sind seine Antworten auf die folgenden Fragen: „Wie wird man zum Djihadisten?“, „Was wissen sie über den Islam?“, „Ist der Islam gewaltsam?“, „Kann ich als Mädchen muslimischer Kultur…Witze über die Religion machen?“, „…Ist der Islam…möglich in einer laizistischen Demokratie wie der Frankreichs?“ oder „Wann wird endlich Schluss sein mit der sogenannten Islamophobie?“.

Im Zeichen des Bösen
In diesem Kapitel denkt sich der Autor in die Person von Mohamed Merah, der 2012 sieben Menschen das Leben nahm. Er beschreibt den Werdegang des jungen Mannes, der sich zwar sehr bemüht und versucht, es allen recht zu machen, aber bald feststellen muss, dass die Franzosen ihn nicht richtig akzeptieren. Er will nicht auffallen, befolgt den Ramadan, will ein guter Muslim sein, aber trotzdem läuft es nicht so, wie er sich sein Leben vorstellt und rutscht ab. Er fühlt sich gedemütigt, missverstanden.

Frankreich hat Angst vor den zurückkehrenden Djihadisten, doch wie kann man verhindern, dass Jugendliche dem „Abenteuer Djihad“ erliegen und sie den Werbern entreißen? Der Autor versucht auch auf diese Frage zu antworten.

Islamischer Staat
Das nächste Kapitel dreht sich um den Islamischen Staat. Am Anfang dieses Kapitels steht Georg W. Bush, der in den Irak einmarschiert ist und die reguläre irakische Armee aufgelöst hat, aus dessen Überbleibseln sich der IS entwickelt hat, finanziert von den Golfstaaten und Saudi-Arabien. Tahar Ben Jelloun beleuchtet die Geschichte der Entstehung des IS, die bereits 1966, lange vor al-Baghdadi begann und durch den Krieg in Syrien den „Durchbruch“ schafft. Was Russland und Europa damit zu tun haben liest sich wie ein Krimi.

Arabischer Frühling
Im Kapitel „Der Arabische Frühling“ zieht der Autor eine durchwachsene Bilanz. Während Tunesien sich zunehmend stabilisiert, von einzelnen Rückschlägen abgesehen, steht Libyen vor einem Scherbenhaufen und Ägypten ist zur Militärdiktatur zurückgekehrt. In Marokko hat der weitsichtige König rechtzeitig Reformen eingeleitet und Algerien hat diese ganzen Ereignisse bereits hinter sich und in den 1990er Jahren schmerzliche Erfahrungen gemacht. Die geplante Tragödie in Syrien geht weiter.

Widerstand
Im letzten Kapitel geht Tahar Ben Jelloun auf die neuesten Anschläge in Paris und Kopenhagen ein.
Am Beispiel Dänemark zeigt er auf, dass dort Demokratie und „absolute Freiheit“ des Einzelnen gelebt wird und arabische Muslime diese Freiheit des Einzelnen nicht kennen und verstehen, weil bei ihnen die Gesamtheit der Umma, der Klan, die Gruppe zählt, aber nicht das eigenverantwortliche Individuum. Er fordert zum Widerstand gegen den Islamismus auf.


Autor
Tahar Ben Jelloun, geb. 1944 in Fès (Nordmarokko), lebt seit den 1970er Jahren in Paris. Er gilt als bedeutendster Vertreter der französischsprachigen Literatur des Maghreb.


Fazit:
Tahar Ben Jelloun beleuchtet die aktuelle Situation in Europa, nach den Anschlägen auf Charlie Hebdo in Paris und auf das Kulturzentrum in Kopenhagen. Er macht sich Gedanken, wie man die verschiedenen Auslegungen des Islam erklären kann und was man heute gegen die Bedrohung von islamistischen Gruppen machen kann.
Das Buch ist unterhaltsam geschrieben durch das gedankliche Zwiegespräch mit der Tochter und regt zum Nachdenken an. Auf jeden Fall empfehlenswert.