Philipp von Zabern |
Rezension
Paul M. Cobb
Der Kampf ums
Paradies
Eine islamische Geschichte der Kreuzzüge
Die Geschichte der Kreuzzüge ist ein beliebtes Thema, das,
ob in Filmen oder Büchern, immer wieder gern aufgegriffen wird. Sogar in der
heutigen Zeit wird das „mittelalterliche“ Wort Kreuzzug von amerikanischen Präsidenten in den Mund genommen, um
ein Land des Nahen Ostens zu zerstören.
Nun erschien ein Buch des amerikanischen Islamwissenschaftlers
Paul M. Cobb, der sich als Nichtmuslim an das Thema herangewagt hat, um eine
„islamische“ Geschichte der Kreuzzüge zu beschreiben und er bezieht sich auf
„Studien von Menschen, die in der islamischen Welt lebten,… in Gegenden, deren herrschende
Elite und … Mehrheit der Bevölkerung aus Muslimen bestanden.“
Europa aus
islamischer Sicht
Als Einstieg in das Thema beschreibt er das Bild Europas
aus dem Blickwinkel von Harun ibn Yahia, der im 9. Jh. als Gefangener in
Konstantinopel die Freiheit erlangte und bis nach Rom reiste, und des
Geographen Abu Ubayd al-Bakri, der 1070 Rom besuchte und ähnliche Erfahrungen
in seinen Beschreibungen wiedergab, als er in seine Heimat al-Andaluz
zurückkehrte und Vergleiche zwischen dem Christentum und dem Islam der
damaligen Zeit anstellte, die selbstverständlich zu Gunsten des Islam
ausfielen. Der Geograph Ibn Khurradadhbih aus Persien hatte kaufmännische
Interessen, für ihn waren Handelsgüter aus Europa wichtig. Und wieder ein
anderer muslimischer Historiker bezeichnete die Franken als „fernste aller
Feinde von Al-Andaluz“, arabisch Ifrandsch oder Firandsch, ein Ausdruck der
später für alle Kreuzfahrer stand.
Christen im Haus
des Islam
Schon zu Beginn der islamischen Zeitrechnung waren die
Bewohner Syriens, Persiens und der arabischen Halbinsel mit Griechen, Römern,
Christen vertraut. Als sich der Islam ausbreitete, hatten die Christen als
Bekenner der Buchreligion einen Sonderstatus, lebten als „geschützte
Minderheit“ und waren kaum eine Bedrohung für das Haus des Islam. Das änderte
sich erst, als Muslime und Christen zu späteren Zeiten aufeinander trafen.
Am Vorabend der
Kreuzzüge
Daraufhin beschreibt der Autor die verschiedensten
Ereignisse, sei es die Eroberung Siziliens durch die Normannen, den Aufstieg
der Fatimiden, die ersten Rückeroberungsversuche der nordspanischen Könige um
die zersplitterten Taifakönigreiche in Al-Andaluz und die Entwicklung in
Anatolien, in dem sich das Turkvolk der Seldschuken und andere turkmenische
Nomaden ausgebreitet hatten und 1071 bei der Schlacht von Manzikert der
byzantinische Kaiser gefangen genommen wurde. Ebenso klagten zurückkehrende
Pilger von Belästigungen durch die türkischen Seldschuken, die gerade erst zum
Islam übergetreten waren und es an der „arabischen Gastlichkeit“ fehlen ließen.
Als der byzantinische Kaiser Alexios I. Papst Urban II.
um Hilfe gegen die „türkische Bedrohung“ bat, begannen die bekannten Kreuzzüge,
die 1099 mit der Einnahme Jerusalems ihren Höhepunkt erreichten.
Die Kreuzzüge und
ihre Akteure
Die folgenden Kapitel beschreiben die vielen
kriegerischen Auseinandersetzungen und Personen von Alp Arslan bis Saladin und
seine Nachfolger, zwischen Muslimen und Christen. Dabei kam es zu ständigen
Wechseln der Machtverhältnisse im Nahen Osten und an der Levanteküste, die der
Autor manchmal verwirrend detailreich und präzise schildert. Franken kämpften
gegen Herrscher der Stadtstaaten Antiochia, Edessa oder Aleppo, diese wiederum
sahen die Eindringlinge zunächst nicht als Eroberer an. Später einigte man sich
sogar teilweise mit den Franken, um unliebsame muslimische Kontrahenten zu
überfallen.
Geschehnisse in Nordafrika und Andalusien, die meistens
nicht als Kreuzzüge sondern als Teil der Geschichte der islamischen Welt
beschreiben werden, finden Eingang in Cobbs Buch.
Islamische
Geschichte nach den Kreuzzügen
Für viele westliche Historiker ist 1291 mit dem Fall von
Akkon, der letzten Kreuzfahrerbastion, die Epoche der Kreuzzüge beendet. Für muslimische
Chronisten waren die Konfrontationen an den Grenzen im Osten viel bedeutsamer,
die Kreuzzüge der Christen blieben eine Episode in der islamischen Geschichte,
da sie die für den Islam wichtigen Orte wie Mekka oder Medina nicht bedrohten.
Sie hinterließen kaum Eindruck auf die zivilisierte islamische Welt. Franken
blieben auf Zypern und überfielen Ägypten und die mongolischen Il-Khane drangen auf syrisches
Gebiet vor. Ein Höhepunkt der türkischen Ausbreitung war 1453 die Einnahme von
Konstantinopel, dem heutigen Istanbul.
Autor:
Paul M. Cobb wurde 1967 in den USA geboren und ist
Professor für Islamische Geschichte an der Universität Pennsylvania mit
Schwerpunkt Geschichte der Kreuzzüge.
Fazit:
Bevor man in die „Geschichte“ einsteigt, ist es ratsam,
den Epilog zu lesen, um zu verstehen, was der Islamwissenschaftler eigentlich
vermitteln will. Auf die im Klappentext gestellte Frage, ob die Kreuzzüge bis
heute im Zusammenprall der Kulturen nachwirken, gibt er am Ende zur Antwort,
dass die islamische Geschichtsschreibung die „weitverbreitete moderne
Darstellung der Kreuzzüge als Geburtsstunde eines angeblich epochalen
Zusammenpralls zwischen Islam und Christentum“ auch nicht erklären kann.
Im Prolog geht der Autor auf die symbolische Bedeutung
Salah ad-Dins als Kämpfer für den Glauben ein, der im Westen als Saladin
bekannt ist und eine ebenso große Bedeutung hat. Er betont, dass sein Buch „so
gut wie gänzlich“ auf „islamische Originalquellen“ basiert und „die Ereignisse
aus Sicht der mittelalterlichen Muslime selbst“ erzählt werden.
Schade, dass er nicht direkt in den Text schreibt aus
welcher islamischen Quelle er zitiert und wo welcher westliche Kollege zu Wort
kommt. Zu den arabischen und islamischen bekannten Quellen, aus denen Paul M.
Cobb schöpft, kommen keine neuen islamischen Quellen hinzu, sondern er füllt
sein Buch mit Ansichten westlicher Kollegen, die ebenfalls die bekannten
Quellen zitieren. Wo ist also der „neue“ Ansatz, die „neue Seite der
Kreuzzugsgeschichte“, wie es der Klappentext verspricht?
Obwohl der Autor das Buch „Die Kreuzzüge aus arabischer
Sicht“ von 1973 kritisiert, schreibt er fast wörtlich davon ab und übernimmt
ganze Abschnitte des italienischen Übersetzers und Herausgebers Francesco
Gabrieli. Er kritisiert, dass dieser vom Arabischen ins Italienische übersetzte
Text nochmals ins Deutsche bzw. Englische, also zweimal übersetzt wurde.
Zugleich bemerkt er auf Seite 11 seines Buches, dass „die Fülle an Material
fast unerschöpflich ist“ und bisher kaum „als Grundlage einer eigenen
Geschichte dienten“, weil „viele Forscher nicht in der Lage waren, das Material
zu entschlüsseln“. Da stellt sich die Frage, warum er als Professor für
islamische Geschichte mit Schwerpunkt Kreuzzüge nicht „aus dieser Fülle an
Material“ zitiert, sondern aus den bekannten Quellen? Oder verstärkt auf die
Beiträge seiner ägyptischen oder syrischen Kollegen zurückgreift, die er als
Koryphäen auf diesem Gebiet herausstellt, sondern auf europäische oder
amerikanische? Zugleich beantwortet er diese Frage mit „letztlich alles eine
Frage der Perspektive“. (S. 12)
Hierbei vergaß er seinen amerikanisch-afghanischen
Kollegen Tamim Ansary, der das äußerst
interessante Buch „Die unbekannte Mitte der Welt“ 2010 schrieb und ebenfalls
aus islamischer Sicht das Thema Kreuzzüge darin aufschlussreich schilderte.
Zusammengefasst kann man sagen, dass dieses umfangreiche Buch
interessant ist, für Leser, die sich vorher noch nicht über die Kreuzzüge aus
islamischer Sicht informiert haben.