Donnerstag, 28. Mai 2015

Rezension - Erica de Bary

Horlemann
Rezension


Erica de Bary                                                                                                         
„Hinter dem Seidenhimmel spannt sich die flockige Nacht wie Zunder“
von Dr. Almut Seiler-Dietrich

Als Erica de Bary 1907 in Berlin-Charlottenburg als Erika Kramer geboren wurde, hatte Deutschland noch für 12 Jahre Kolonien in Afrika und anderswo, Frankreichs Kolonialzeit dauerte in Algerien noch 55 Jahre und in Marokko 50 Jahre und Italiens Kolonialzeit in Libyen noch 44 Jahre an. In diese und andere Länder reisten Erica und Herbert de Bary, 1930 noch während der spanischen Kolonialzeit und 1952 nach Marokko, 1954 nach Algerien. Später wurden sie von Sohn Harald und anderen Reisegefährten begleitet.

"Arabisches Märchen" 
 „Reisen und Schreiben“ gehörte für Erica de Bary, zusammen, seitdem sie zum ersten Mal 1930 nach Spanien zu ihrem Verlobten Herbert de Bary unterwegs war. Ganz luxuriös mit einem „Mercedes-Herrschaftswagen“ und den zukünftigen Schwiegereltern gelangte sie bis nach Tetouan, damals eine spanische Kolonie, heute Nordmarokko.
Für Erika war diese erste Urlaubsreise ein „arabisches Märchen“ und ihre Eindrücke fasste sie im Reisebericht „Spanische Impressionen“ zusammen. Dabei waren ihr die Bevölkerung, die politische Situation der Diktatur, die soziale Realität viel unwichtiger als das, was sie sehen wollte, das „Archaisch-unveränderte“, „urzeitlich“ wirkende Landschaften, maurische Paläste und „Gesichter aus alten arabischen Märchen“ - Klischees, die sogar heute noch in Urlaubsprospekten wirken, wenn „die sinkende Sonne mit ihren letzten Strahlen die afrikanische Erde rot aufleuchten lässt, ehe die Nacht sie in tiefes Dunkel und Schweigen hüllt.“

Reisen und Schreiben
Erica de Barys Leidenschaften waren die Literatur, Schriftstellerei, Kunst und das Reisen, und zwar außerhalb Deutschlands, wie sie freimütig zugibt: „Deutschland war uns unwichtig, Vaterland, Militär, Krieg, das war uns fremd“. Sie konnte es sich leisten die aufkommende Not und den Nationalsozialismus als „kleinbürgerliche und kleinkarierte Deutschtümelei“ zu ignorieren. Allerdings waren diese Ansprüche und die Reisen nur realisierbar, weil Herbert und seine Eltern diese Leidenschaften finanziell unterstützten. 1941 bis 1944 konnte Erica ihrem Mann in das von Deutschland besetzte Frankreich folgen. Er wurde als Adjutant und Dolmetscher nach Paris versetzt und entkam so dem geplanten Russlandfeldzug, auf den seine Einheit vorbereitet wurde. Erica arbeitete für die „Pariser Zeitung“ und lernte Schriftsteller aus verschiedenen afrikanischen Ländern kennen, darunter die späteren Präsidenten von Senegal und Madagaskar, mit denen sie auch nach dem Krieg verbunden blieb und die in ihrem Haus in Frankfurt willkommen waren.

Literaturvermittlerin nach dem Krieg
Zwischen 1949 und 1952 blieb Erica de Bary bei der Familie in Frankfurt und übersetzte in Deutschland unbekannte afrikanische Schriftsteller. Sie wurde eine geschätzte Literaturvermittlerin, die in Zeitungen die deutschen Leser der Nachkriegszeit mit literarischen Skizzen und Geschichten unterhielt. Von ihr übersetzte Theaterstücke wurden bald uraufgeführt.

Leidenschaft Sahara
Während in Europa die meisten Menschen unter den schwierigsten Umständen zu leiden hatten, machten sich Erica und Herbert de Bary bald wieder auf den Weg und reisten.
Am meisten beeindruckt waren sie von der Sahara. Herbert fotografierte die Bilder, die später in den Reisebüchern veröffentlicht wurden. Die libysche Oase Ghadames war ein Traum, der 1957 verwirklicht werden konnte. Es folgten Reisen und Bücher über die südlibysche Oase Ghat, später bis nach Kamerun und immer wieder in das Tassili n’Ajjer auf der algerischen und libyschen Seite zu den bekanntesten Felsmalereien der Sahara. Anfangs waren die Bücher, vor allem „Ghadames, Ghadames“ mehr ein fantasievoller Traum und eiserner Wille die Oase zu erreichen als ein Tatsachenbericht. Die folgenden Reisebücher enthielten Beschreibungen der Menschen und ihrer Tätigkeiten, die sie kennenlernten und durch ihre freundliche Neugier drangen sie tiefer in das Leben der Oasen ein, als heutige Besucher. Ihre Ansprüche waren nicht hoch, sie wollten so einfach wie möglich reisen und dabei möglichst viel sehen, heutigen Backpackern ähnlich. Dabei war es ihnen wichtig, das Ursprüngliche, heute würde man sagen, das Exotische zu finden, das sich allerdings in ihren Augen nicht verändern sollte, so wie es der befreundete Forscher Leo Frobenius in seiner „Kulturgeschichte Afrika“ beschrieb, dessen Verachtung für „zivilisierte, d.h. modern denkende und aufgeklärte Afrikaner“ Erica teilte.  

Ihren Lebensabend verbrachte die Einhundertjährige schreibend in Frankfurt, so lange es ging in der Cretzschmerstraße, später in einem Wohnstift. Kinder und Enkel Erica de Barys leben bis heute in Irland und Frankfurt.


Autorin
Dr. Almut Seiler-Dietrich beschreibt das Leben der Einhundertjährigen mit einfühlsamen Worten und lässt den Leser am Leben der Schriftstellerin teilhaben. Der erste Teil des Buches beschäftigt sich mit der Kindheit und Jugend Erika Kramers, ihrer Eltern und Großeltern bis sie 1931 ihren Heriberto heiratete.
In den zweiten Teil, über die Reisen Erica de Barys vor allem nach Afrika, fließen ihre eigenen Erfahrungen mit ein und dies ist erkennbar an vielen Details über afrikanische Dichter und Schriftsteller, die sie zum Teil selbst als Literaturwissenschaftlerin für afrikanische Literatur kennengelernt hatte.
Almut Seiler-Dietrich schreibt flüssig und gut lesbar, auch mit kritischen Gedanken. Sie hatte Gelegenheit Erica de Bary persönlich kennen zu lernen und dies macht das interessante Buch noch authentischer.

Fazit
Erica de Bary macht den Eindruck eines verzogenen Kindes. Sogar noch als Erwachsene musste ihr Mann Herbert sie oft genug ermahnen, geduldig und ruhig zu sein, wenn sie mit ihren Forderungen ihren Willen durchzusetzen versuchte, anstatt auf die einheimischen Bewohner der Oasen zu hören. Besonders deutlich wird dies in ihrem Buch „Ghadames, Ghadames“.
Ihre Mutter Elisabeth tat für sie alles, um ihr ein angenehmes Leben zu gestalten, auch unter schwierigsten Umständen, später nutzte Erica es eigennützig und rücksichtslos aus, sogar im Alter hat sie ihrer Mutter nicht verziehen, dass diese zu ihrer Schwester zog, die sich besser um die Mutter kümmerte.

Erica de Bary schien immer im Mittelpunkt stehen zu wollen, ob als Kind oder später als Schriftstellerin und Übersetzerin afrikanischer Dichter. Ihr Mann Herbert, der auf fast allen Reisen dabei war und ihr erst dieses weitgehend sorgenfreie Leben ermöglichte, konnte sie kaum bändigen und oft genug setzte sie wohl auch gegen ihn ihren Willen durch. Ihre Kinder vernachlässigte sie, doch sie waren nachsichtig. Ob Erica ihrem Mann wirklich dankbar war oder alles, was ihr an Gutem zuteil wurde als selbstverständlich forderte, ist schwer in diesem Buch zu erkennen. Vielleicht brauchte es dieses Durchsetzungsvermögen und die egoistischen Eigenschaften, um in den Zeiten mit zwei Weltkriegen und vielen politischen und wirtschaftlichen Änderungen zu überleben, besonders als Frau.



Donnerstag, 21. Mai 2015

Rezension Germaine Tillion - Die gestohlene Unschuld

Germaine Tillion
Rezension


Germaine Tillion - Die gestohlene Unschuld         
Hrsg. Mechthild Gilzmer

In diesen Tagen wird viel über das Ende des zweiten Weltkriegs vor 70 Jahren gesprochen und geschrieben, Überlebende und Prominente reisen zu den Konzentrationslagern. Eines, dieser Lager war das Frauenkonzentrationslager Ravensbrück, rund einhundert Kilometer nördlich von Berlin am Schwedtsee. Hierher wurden von 1939 bis 1945 rund 132000 Frauen und Kinder aus 40 Nationen gebracht, darunter mehrere Tausend Französinnen, die in der „Résistance“ - im Widerstand gegen Deutschland organisiert waren. Germaine Tillion und ihre Mutter Emilie wurden in Paris aufgegriffen  und nacheinander als politische Gefangene nach Ravensbrück gebracht. Während ihre Mutter Emilie (1876-1945), die als Schriftstellerin im Verlag Hachette arbeitete und einige Reiseführer der Guides bleus schrieb, umkam, wurde Germaine im April 1945 befreit.

Herausgeber und Übersetzer
Das vorliegende Buch „Die gestohlene Unschuld - Ein Leben zwischen Résistance und Ethnologie“ wurde von Prof. Mechthild Gilzmer auf Deutsch übersetzt und herausgegeben, die zur Einführung den Essay „Germaine Tillion - ein Jahrhundertleben“ schrieb. Germaine Tillion wurde 101 Jahre alt.
Tzvetan Todorov wählte die zum Teil unveröffentlichten Texte aus und verfasste das ausführliche Nachwort „Germaine Tillion oder die Leidenschaft des Verstehen-Wollens“, in dem er darlegt, wie und warum er die Texte aus dem umfangreichen Nachlass aussuchte.

Das Buch
Das Buch ist in fünf große Kapitel eingeteilt und Phasen, die das Leben von Germaine Tillion besonders prägten. Jedes dieser Kapitel beginnt mit einem Bild der Ethnologin und einer biographischen Einleitung. Es folgen persönliche Texte, die in Ich-Form erzählt werden.

Als Ethnologin in Algerien
Von 1934 bis 1940 verbringt Germaine Tillion mehrere Jahre in Algerien, damals noch französische Kolonie, und studiert das Leben der Chaoui-Berber im Aurès-Gebirge im Osten des Landes. Sie lebte als beobachtende Wissenschaftlerin mit den Familien. Nachdem diese Vertrauen zu ihr fassten, wurde sie um Rat gebeten und bei Streitigkeiten als Schlichterin hinzugerufen.

Widerstand in Paris und Gefangennahme (1940 - 1943)
Nach ihrer Rückkehr in das besetzte Paris im Jahr 1940 war Germaine Tillion überrascht von der Situation vor Ort. Wegen ihrer Arbeiten und der Entfernungen im Aurès hatte sie keine Muße etliche Kilometer bis zu einem Radio durch die raue Bergwelt zu wandern und so war der Schock groß.
Zwischen 1940 und 1943 organisierte sie, wie im zweiten Kapitel beschrieben, ohne lange zu überlegen den Widerstand. Eine andere Lösung kam für sie nicht in Frage. Sie und ihre Kollegen bildeten die „Widerstandsgruppe des Musée de L’Homme“ in Paris, um Kriegsgefangenen zur Flucht zu verhelfen und Informationen in die befreiten Zonen nach England zu senden, bis sie selbst Opfer eines Verrats wurde. Zuerst war Germaine Tillion im Gefängnis, wo sie sogar ihre Schreibarbeiten aufnehmen und ihre Dissertation fast beenden konnte.

Leben und Sterben im KZ-Ravensbrück
Im dritten Kapitel schildert Germaine Tillion das Leben und Sterben im KZ-Ravensbrück, wohin sie und später ihre Mutter deportiert wurden. Sie beschreibt ihre Ankunft, die Einteilung in Gruppen und das Tragen von Lumpen mit roten (politische Gefangene), grünen (Kriminelle), violetten (Zeugen Jehovas) und schwarzen Dreiecken für „Asoziale“ und weitere Erinnerungen aus dem „kleinen Krankenzimmer der Diphterie-Patientinnen“, da sie selbst daran erkrankt war und die sie als „allererste Erfahrungen“ hervorhebt. Sie schreibt, dass in diesem Krankenzimmer ein Jahr später „dutzendweise Kranke vorsätzlich vergiftet“, in den Jahren vorher „tödliche Spritzen mit Öl oder Evipan“ verabreicht, andere „vor den Augen ihrer Gefährtinnen im Nachthemd aus dem Bett gezogen und auf die andere Seite der Mauer geschleift wurden, wo sich die Krematorien befanden“. Sie hebt aber auch die Solidarität unter den Frauen hervor. Sie selbst gehörte zur Gruppe der „Verfügbaren“, wurde zu Erdarbeiten eingeteilt und verstand es sich zu verstecken. Die „Nacht-und-Nebel“-Häftlinge, zu denen Germain Tillion gehörte, wurden nach Verhandlungen vom schwedischen Roten Kreuz am 23. April 1945 befreit. Dazu schreibt sie: „Dass ich überlebt habe, verdanke ich ganz gewiss vor allem dem Zufall, sodann der Wut, dem Wunsch, die Verbrechen ans Licht zu bringen und nicht zuletzt der Solidarität meiner Freunde“.

Nach dem Krieg
Die Verbrechen ans Licht zu bringen, dafür setzte sich Germaine Tillion nach ihrer Befreiung vor allem ein, zuerst bei Gerichtsprozessen gegen das Wachpersonal in Ravensbrück, später in Algerien, während des Befreiungskrieges der Algerier gegen die französische Kolonialmacht, der gerade begonnen hatte. Sie beschreibt die Abläufe der Prozesse, an denen sie als Beobachterin teilnahm und die Aufseher wiedersah. Dabei empfand sie ein „dumpfes Gefühl“ und fragte sich, ob es Hass oder auch eine Spur Mitleid war.

Wieder in Algerien
Im letzten Kapitel versuchte Germaine Tillion während ihrer Algerienaufenthalte zwischen 1954 und 1957 beide Seiten davon zu überzeugen, dass Folter und Hinrichtungen nur Bombenattentate als Reaktion darauf nach sich ziehen würden. Die ihr damals unbekannten Kämpfer der Befreiungsfront FLN gingen auf ihren Vorschlag ein, die Attentate einzustellen, aber auf der französischen Seite gingen die Folter und Hinrichtungen weiter.  

Ein Jahrhundertleben
In den einhundert Lebensjahren der Forscherin Germaine Tillion passieren zwei Weltkriege und der Unabhängigkeitskrieg Algeriens. Sie erleidet den zweiten Weltkrieg als KZ-Häftling und hat danach noch die Stärke, sich für die Algerier und gegen ihre Verelendung einzusetzen. Im Konzentrationslager überlebt sie so gut es geht und kann ihre schlimme Situation sogar noch in eine Operette verpacken, die 2007 uraufgeführt wird. Sie schreibt mehrere Bücher, hält Vorträge und engagiert sich für Abschaffung der Folter in Algerien und 2004 im Irak, und setzt sich für die Emanzipation der Frauen im Mittelmeerraum ein.


Fazit:
Ein sehr beeindruckendes und bewegendes Buch, das zum Nachdenken anregt. Der Herausgeber Tzvetan Todorov hat die Schriften sortiert und unveröffentlichte Texte so zusammengestellt, dass man die „Fragmente des Lebens“, wie der Titel des französischen Originals lautet, gut lesen kann. Im Anhang werden hauptsächlich die Personen beschrieben, mit denen Germaine Tillion zu tun hatte. 
Sicherlich haben nur wenige Menschen in ihrem Leben diese extremsten Erfahrungen erlitten und sind nicht daran zerbrochen,  sondern haben den Mut aufgebracht und sich weiter für andere Menschen eingesetzt. Sehr empfehlenswert, gerade in der heutigen Zeit.


Termine zum Gedenken an Germaine Tillion
Ganz zu Recht werden die sterblichen Überreste Germaine Tillions am kommenden Mittwoch, 
den 27. Mai 2015 in das Panthéon in Paris zu den „Großen Persönlichkeiten der Nation“ überführt, der 2013 als "Journée nationale de la Résistance", als in Frankreich landesweiter staatlicher Gedenktag, festgelegt wurde.


Am Dienstag, 6. Oktober 2015  findet in Berlin eine Veranstaltung statt, bei der Prof. Dr. Mechthild Gilzmer das Buch „D’une Algérie à l’autre“ von Germaine Tillion vorstellt.
Ort: Stiftung Topographie des Terrors Berlin, Niederkirchnerstraße 8, 10963 Berlin. 18 Uhr


NEUERSCHEINUNG Germaine Tillion - Die gestohlene Unschuld

Germaine Tillion
GERMAINE  TILLION

DIE  GESTOHLENE  UNSCHULD 
Ein Leben zwischen Résistance und Ethnologie

Germaine Tillion (1907–2008) ist eine der bedeutendsten intellektuellen Persönlichkeiten Frankreichs, die maßgeblich an zentralen Ereignissen der deutsch-französischen und der franko-algerischen Geschichte im 20. Jahrhundert beteiligt war. Höhepunkt ihrer Ehrungen wird ihre Überführung am 27. Mai 2015 ins Panthéon sein, dem Tempel für die »Großen der Nation«.

»Die gestohlene Unschuld« versammelt erstmals zentrale Texte von Germaine Tillion, die aus den verschiedenen Phasen ihres Lebens stammen: über ihre Arbeit als Ethnologin in Algerien zwischen 1934 und 1940, über Widerstand, Gefängnisaufenthalt und Deportation, über ihr Engagement in Frankreich nach 1945, über ihre Rückkehr nach Algerien in den 1950er Jahren. (Verlagstext)

Übersetzt, herausgegeben und mit einem einführenden Essay von Mechthild Gilzmer
Ausgewählt und mit einem Nachwort von Tzvetan Todorov


Germain Tillion
Die gestohlene Unschuld
Hardcover mit schwarz-weiß-Bildern
336 Seiten
1. Auflage 2015
Euro 22,00  Buch kaufen

Sonntag, 17. Mai 2015

Internationaler Tourismus - Rezension

Internationaler Tourismus

Rezension


Prof. Dr. ALBRECHT  STEINECKE

INTERNATIONALER  TOURISMUS
Lehrbuch für Studierende und Praktiker

Jahr für Jahr sind Millionen Bundesbürger als Touristen unterwegs und der Urlaub steht an erster Stelle der „Konsumprioritäten“. 7% der Beschäftigten in Deutschland arbeiten im Tourismus. Die frei verfügbare Zeit, die sich durch Teilung von Arbeitszeit und Freizeit ergibt, wird zum Reisen genutzt.
Mit der einsetzenden Industrialisierung im 19. Jahrhundert und dem Bau von Eisenbahnen konnten weiter entfernte Städte oder „Bade“-Plätze schneller erreicht werden als mit der Kutsche. Die Geschichte des Tourismus beginnt.

Wer sich für einen Berufsweg im Tourismus entscheidet, ob als Reiseveranstalter, im Reisebüro oder im Tourismusstudium, sollte sich einen Überblick über die verschiedensten Komponenten des Tourismus verschaffen. Dafür ist dieses Buch gut geeignet. Der langjährige Geschäftsführer des Europäischen Tourismus Instituts, Prof. Dr. Dr. h.c. Albrecht Steinecke, bringt seine Erfahrungen an in- und ausländischen Universitäten in diesem Buch ein, das sich in fünf verschiedenen Kapiteln dem Internationalen Tourismus widmet.

Tourismus - die globale Leitindustrie des 21. Jahrhunderts

Im ersten Kapitel wird Tourismus definiert. Die „globale Leitindustrie des 21. Jahrhunderts“ ist ein Massenphänomen geworden, das alle Länder erfasst. Der internationale Tourismus verzeichnete im Jahr 2013 ein Volumen von 1087 Milliarden Ankünften. Das diese enorme Mobilität nicht nur Vorteile mit sich bringt, ist eine weitere Herausforderung für die am Tourismus Beteiligten.
Die Welttourismusorganisation (UNWTO) definiert den Begriff Tourismus und dazu gehören nicht nur Urlaubsreisen, sondern auch Geschäftsreisen, Pilgerreisen und Verwandtenbesuche.

Die Motoren des touristischen Wachstums

Das zweite Kapitel beschreibt den Beginn des Tourismus mit der Industrialisierung und dem wachsenden Wohlstand, der zu stärkerer Mobilität führt und immer weiter entferntere Ziele erreichbar werden lässt. Sogenannte Push-Faktoren wie Freizeit und weltweite Kommunikation und Pull-Faktoren wie Aufhebung von Reisebeschränkungen und kulturelle Attraktionen in den bereisten Ländern spielen eine wichtige Rolle im Internationalen Tourismus.
Dass einsetzender Tourismus im bereisten Land nicht nur Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze bringt, zeigt der Exkurs „Die Hemmnisse des Wachstums“, gerade, wenn plötzliche Naturkatastrophen oder andere Gründe die  Einnahmen aus dem Tourismus gefährden.

Globale Akteure und Schauplätze des internationalen Tourismus

Im dritten Kapitel wird auf die „Akteure im internationalen Tourismus“ eingegangen, vornehmlich auf Luftverkehrsgesellschaften, Hotelketten, Unternehmen der Freizeit-, Unterhaltungs-, Kulturindustrie und Globale Organisationen und Initiativen.
Das vierte Kapitel beschäftigt sich mit den „Schauplätzen des internationalen Tourismus“, den Reisezielen. Dabei werden als Beispiele die Mittelmeerländer, aber auch die Entwicklungsländer berücksichtigt und die Folgen des Tourismus aufgezeigt. Am Beispiel Chinas und Indiens werden zwei Länder mit einem enormen Potential an Reisenden beschrieben, die sich in Zukunft auf den Weg machen und Europa zu einer Tourismusdestination werden lassen, die zuvor vor allem Outgoing-Tourismus „produzierte“.

Die Zukunft des internationalen Tourismus

Das fünfte Kapitel widmet sich der „Zukunft des internationalen Tourismus“ und den Prognosen zu zukünftigen Entwicklungen im Reiseverkehr. Weitere Herausforderungen sind der Schutz der Natur und Kultur, zunehmende Aufgaben im Krisenmanagement und im Wettbewerb der Reiseziele, Wahrung der Menschenrechte und das betrifft alle, die im Tourismus arbeiten.


In allen Kapiteln werden zu Beginn die Lernziele angegeben, eine Zusammenfassung, weiterführende Lesetipps und Literaturhinweise beenden die Kapitel. Statistiken, vergleichende Tabellen und einige Schwarz-weiß-Bilder veranschaulichen die Zahlen und Beschreibungen. Das umfangreiche Literaturverzeichnis führt weitere Bücher zur Vertiefung des Themas und Internetseiten zu Organisationen, Zeitungsartikel und Beiträgen an. Praktische Beispiele und eine gut zu lesende Schrift runden das übersichtliche Buch ab.

Autor:
Prof. Dr. Dr. h.c. Albrecht Steinecke war Hochschullehrer an der Universität Paderborn. Er lehrte an deutschen und internationalen Universitäten. Seine Arbeitserfahrungen fasste er in mehrere Bücher zum Thema Tourismus zusammen. Erschienen sind unter anderem Kulturtourismus (2007), Themenwelten im Tourismus (2009), Populäre Irrtümer über Reisen und Tourismus (2010) und Destinationsmanagement (2013).

Fazit:
Wer im Tourismus einen Beruf ergreifen möchte, kann sich mit diesem Lehrbuch von verschiedenen Seiten einen Eindruck verschaffen, von der Seite des Reisenden, des Anbieters oder aus der Sicht des bereisten Landes mit seinen positiven und negativen Folgen. Auch bereits im Tourismus tätige Menschen finden sicher den einen oder anderen informativen und weiterführenden Beitrag in diesem Buch.  
Dieses empfehlenswerte Lehrbuch bietet einen sehr interessanten Überblick über den aktuellen Zustand des Internationalen Tourismus und seine Aussichten für die Zukunft. Es wurde 2015 vom BuchAward der Internationalen Tourismusbörse (ITB) in Berlin ausgezeichnet.

B.Agada (Touristikmanagerin)

Donnerstag, 7. Mai 2015

NEUERSCHEINUNG Augustinus

Zabern

Neuerscheinung

KLAUS  ROSEN

AUGUSTINUS -  Genie und Heiliger

Augustinus (354–430) ist nicht nur einer der vier spätantiken Kirchenlehrer, sondern auch einer der bedeutendsten Philosophen an der Schwelle zwischen Antike und Mittelalter.

Seine von der Platonischen Philosophie beeinflussten Werke sind noch immer umstritten und gleichzeitig hoch aktuell. Kein geringerer als der emeritierte Papst Benedikt XVI. nutzt Augustinus' Ideenwelt als Inspiration für seine eigenen Werke. In dieser Biographie stellt Klaus Rosen Augustinus jedoch erstmals als historische und nicht als theologische oder philosophische Persönlichkeit in den Vordergrund. Er stellt anschaulich dar, welche historischen Begebenheiten das Handeln und Denken des Augustinus prägten. Indem er den Einfluss der antiken Gesellschaft, der Religionsgesetzte, Augustinus’ Auseinandersetzung mit dem Arianismus oder die Auswirkungen der Eroberung seines Bischofssitzes durch die Vandalen zeigt, fügt Rosen unserem Augustinus-Bild zahlreiche neue Aspekte hinzu. (Verlagstext)

Autor
Klaus Rosen, 1937 geboren,  war bis zu seiner Emeritierung Professor für Alte Geschichte an der Universität Bonn.

Klaus Rosen
Augustinus - Genie und Heiliger
Gebunden mit Schutzumschlag
240 Seiten und 10 schwarz-weiß-Abbildungen
Format 14,5 x 22 cm
1.Auflage 2015
Euro 29,95   Buch kaufen

NEUERSCHEINUNG ERICA DE BARY - Eine Biographie

Horlemann

ALMUT  SEILER - DIETRICH 

ERICA  DE  BARY
"Hinter dem Seidenhimmel spannt sich die flockige Nacht wie Zunder"

Erica de Bary (1907– 2007) hatte von Kindheit an zwei Leidenschaften: Literatur und Reisen, vor allem nach Afrika, wo sie menschliche Begegnungen und kulturelle Entdeckungen suchte, die ihr das »alte Europa« nicht bieten konnte. In den dreißiger Jahren schon reiste sie mit ihrem Mann Herbert de Bary mehrere Wochen durch Spanien, nach Skandinavien, Russland und auf den Balkan. Während des Krieges lebte sie in Paris als Mitarbeiterin der »Pariser Zeitung«, verkehrte in Dichterkreisen, wo sie als »Muse« galt. Dort lernte sie auch afrikanische Politiker kennen, die später hohe Posten in ihren Ländern bekleideten, insbesondere Léopold Sédar Senghor und Jacques Rabemananjara, mit denen sie lebenslange Freundschaften pflegte. Nach dem Krieg vermittelte sie französische Kunst nach Frankfurt am Main, wo sie seit ihrer Heirat zu Hause war. Von 1952 bis 1981 unternahm sie fast jährlich ausgedehnte Reisen in verschiedene afrikanische Länder, bis nach Madagaskar. Mit poetischen Impressionen und kritischen Texten begleitete sie die Entkolonialisierung und den Aufbau der jungen afrikanischen Staaten. Als Autodidaktin, ohne den Hintergrund akademischer Institutionen, verwirklichte sie ihre intellektuellen Träume und lebte ihre Leidenschaften mit Mut und Beharrlichkeit bis ins hohe Alter.

Auszug aus dem Buch:
Die erste Begegnung mit der Sahara 1952 in Marokko war prägend gewesen. Auch wenn Erica später noch ein Dutzend afrikanische Länder mit den unterschiedlichsten Landschaften bereiste: die Wüste blieb ihre Leidenschaft. Die Wüste erfüllte alle Erwartungen. Sie war das Urbild der Erde, und die Oasen darin Horte archaischer Lebensformen, die das Ehepaar aus Deutschland teilte, so weit die Gastgeber es zuließen. So wurden sie über Jahrzehnte hinweg Zeugen des Wandels, den auch diese nur scheinbar unwandelbaren Gesellschaften durchmachten.

Autorin
Almut Seiler-Dietrich wurde 1947 geboren und wuchs in Weilburg an der Lahn auf. Von 1961 bis 1963 lebte sie mit ihrem Vater, der für die Unesco tätig war, in Léopoldville (Kinshasa), Republik Kongo, wo sie das Gymnasium der Herz-Jesu-Schwestern besuchte.
Das Studium der Romanistik und Slavistik in Gießen, Freiburg und Heidelberg schloss sie 1970 mit einer Examensarbeit über „neoafrikanische Dichtung“ ab. Danach war sie Mitarbeiterin von Janheinz Jahn bis zu dessen Tod 1973.  1974 legte sie das zweite Staatsexamen ab und arbeitete seitdem als Gymnasiallehrerin für Französisch, Russisch und Spanisch. 1975-76 lehrte sie im Auftrag des UNDP Französisch an der Ecole Nationale d’Administration in Niamey, Niger. Zahlreiche Reisen, die längste zehn Wochen lang, führten sie in die verschiedensten afrikanischen Länder. 2004 wurde sie mit einer Monographie über den madagassischen Dichter Jean-Joseph Rabearivelo Promotion von der Goethe-Universität, Frankfurt am Main, zum Dr. phil. promoviert. Sie hat Lehraufträge an den Universitäten Mainz und Frankfurt wahrgenommen und in zahlreichen Institutionen Vorträge gehalten.
Seit 1971 hat sie ca. 120 Artikel in Zeitungen, Zeitschriften und größere Aufsätze in Sammelbänden veröffentlicht und 40 Skripte für Rundfunksendungen geschrieben.
 Sie publizierte mehrere Bücher zum Thema „Afrikanische Literatur“ in französischen und deutschen Verlagen. Webseite: www.afrika-interpretieren.de
(Verlagstext)

Almut Seiler-Dietrich
Erica de Bary - Eine Biographie
Hardcover mit Schutzumschlag
344 Seiten mit zahlreichen schwarz-weiß-Fotos
1.Auflage 2015
Euro 19,90  Buch kaufen


Rezension - Der Kampf ums Paradies

Philipp von Zabern

Rezension

Paul M. Cobb

Der Kampf ums Paradies   
Eine islamische Geschichte der Kreuzzüge

Die Geschichte der Kreuzzüge ist ein beliebtes Thema, das, ob in Filmen oder Büchern, immer wieder gern aufgegriffen wird. Sogar in der heutigen Zeit wird das „mittelalterliche“ Wort Kreuzzug von amerikanischen Präsidenten in den Mund genommen, um ein Land des Nahen Ostens zu zerstören.

Nun erschien ein Buch des amerikanischen Islamwissenschaftlers Paul M. Cobb, der sich als Nichtmuslim an das Thema herangewagt hat, um eine „islamische“ Geschichte der Kreuzzüge zu beschreiben und er bezieht sich auf „Studien von Menschen, die in der islamischen Welt lebten,… in Gegenden, deren herrschende Elite und … Mehrheit der Bevölkerung aus Muslimen bestanden.“

Europa aus islamischer Sicht

Als Einstieg in das Thema beschreibt er das Bild Europas aus dem Blickwinkel von Harun ibn Yahia, der im 9. Jh. als Gefangener in Konstantinopel die Freiheit erlangte und bis nach Rom reiste, und des Geographen Abu Ubayd al-Bakri, der 1070 Rom besuchte und ähnliche Erfahrungen in seinen Beschreibungen wiedergab, als er in seine Heimat al-Andaluz zurückkehrte und Vergleiche zwischen dem Christentum und dem Islam der damaligen Zeit anstellte, die selbstverständlich zu Gunsten des Islam ausfielen. Der Geograph Ibn Khurradadhbih aus Persien hatte kaufmännische Interessen, für ihn waren Handelsgüter aus Europa wichtig. Und wieder ein anderer muslimischer Historiker bezeichnete die Franken als „fernste aller Feinde von Al-Andaluz“, arabisch Ifrandsch oder Firandsch, ein Ausdruck der später für alle Kreuzfahrer stand.

Christen im Haus des Islam

Schon zu Beginn der islamischen Zeitrechnung waren die Bewohner Syriens, Persiens und der arabischen Halbinsel mit Griechen, Römern, Christen vertraut. Als sich der Islam ausbreitete, hatten die Christen als Bekenner der Buchreligion einen Sonderstatus, lebten als „geschützte Minderheit“ und waren kaum eine Bedrohung für das Haus des Islam. Das änderte sich erst, als Muslime und Christen zu späteren Zeiten aufeinander trafen.

Am Vorabend der Kreuzzüge

Daraufhin beschreibt der Autor die verschiedensten Ereignisse, sei es die Eroberung Siziliens durch die Normannen, den Aufstieg der Fatimiden, die ersten Rückeroberungsversuche der nordspanischen Könige um die zersplitterten Taifakönigreiche in Al-Andaluz und die Entwicklung in Anatolien, in dem sich das Turkvolk der Seldschuken und andere turkmenische Nomaden ausgebreitet hatten und 1071 bei der Schlacht von Manzikert der byzantinische Kaiser gefangen genommen wurde. Ebenso klagten zurückkehrende Pilger von Belästigungen durch die türkischen Seldschuken, die gerade erst zum Islam übergetreten waren und es an der „arabischen Gastlichkeit“ fehlen ließen.
Als der byzantinische Kaiser Alexios I. Papst Urban II. um Hilfe gegen die „türkische Bedrohung“ bat, begannen die bekannten Kreuzzüge, die 1099 mit der Einnahme Jerusalems ihren Höhepunkt erreichten.

Die Kreuzzüge und ihre Akteure

Die folgenden Kapitel beschreiben die vielen kriegerischen Auseinandersetzungen und Personen von Alp Arslan bis Saladin und seine Nachfolger, zwischen Muslimen und Christen. Dabei kam es zu ständigen Wechseln der Machtverhältnisse im Nahen Osten und an der Levanteküste, die der Autor manchmal verwirrend detailreich und präzise schildert. Franken kämpften gegen Herrscher der Stadtstaaten Antiochia, Edessa oder Aleppo, diese wiederum sahen die Eindringlinge zunächst nicht als Eroberer an. Später einigte man sich sogar teilweise mit den Franken, um unliebsame muslimische Kontrahenten zu überfallen.
Geschehnisse in Nordafrika und Andalusien, die meistens nicht als Kreuzzüge sondern als Teil der Geschichte der islamischen Welt beschreiben werden, finden Eingang in Cobbs Buch.

Islamische Geschichte nach den Kreuzzügen

Für viele westliche Historiker ist 1291 mit dem Fall von Akkon, der letzten Kreuzfahrerbastion, die Epoche der Kreuzzüge beendet. Für muslimische Chronisten waren die Konfrontationen an den Grenzen im Osten viel bedeutsamer, die Kreuzzüge der Christen blieben eine Episode in der islamischen Geschichte, da sie die für den Islam wichtigen Orte wie Mekka oder Medina nicht bedrohten. Sie hinterließen kaum Eindruck auf die zivilisierte islamische Welt. Franken blieben auf Zypern und überfielen Ägypten und die  mongolischen Il-Khane drangen auf syrisches Gebiet vor. Ein Höhepunkt der türkischen Ausbreitung war 1453 die Einnahme von Konstantinopel, dem heutigen Istanbul.  

Autor:
Paul M. Cobb wurde 1967 in den USA geboren und ist Professor für Islamische Geschichte an der Universität Pennsylvania mit Schwerpunkt Geschichte der Kreuzzüge.  

Fazit:
Bevor man in die „Geschichte“ einsteigt, ist es ratsam, den Epilog zu lesen, um zu verstehen, was der Islamwissenschaftler eigentlich vermitteln will. Auf die im Klappentext gestellte Frage, ob die Kreuzzüge bis heute im Zusammenprall der Kulturen nachwirken, gibt er am Ende zur Antwort, dass die islamische Geschichtsschreibung die „weitverbreitete moderne Darstellung der Kreuzzüge als Geburtsstunde eines angeblich epochalen Zusammenpralls zwischen Islam und Christentum“ auch nicht erklären kann.
Im Prolog geht der Autor auf die symbolische Bedeutung Salah ad-Dins als Kämpfer für den Glauben ein, der im Westen als Saladin bekannt ist und eine ebenso große Bedeutung hat. Er betont, dass sein Buch „so gut wie gänzlich“ auf „islamische Originalquellen“ basiert und „die Ereignisse aus Sicht der mittelalterlichen Muslime selbst“ erzählt werden.
Schade, dass er nicht direkt in den Text schreibt aus welcher islamischen Quelle er zitiert und wo welcher westliche Kollege zu Wort kommt. Zu den arabischen und islamischen bekannten Quellen, aus denen Paul M. Cobb schöpft, kommen keine neuen islamischen Quellen hinzu, sondern er füllt sein Buch mit Ansichten westlicher Kollegen, die ebenfalls die bekannten Quellen zitieren. Wo ist also der „neue“ Ansatz, die „neue Seite der Kreuzzugsgeschichte“, wie es der Klappentext verspricht?

Obwohl der Autor das Buch „Die Kreuzzüge aus arabischer Sicht“ von 1973 kritisiert, schreibt er fast wörtlich davon ab und übernimmt ganze Abschnitte des italienischen Übersetzers und Herausgebers Francesco Gabrieli. Er kritisiert, dass dieser vom Arabischen ins Italienische übersetzte Text nochmals ins Deutsche bzw. Englische, also zweimal übersetzt wurde. Zugleich bemerkt er auf Seite 11 seines Buches, dass „die Fülle an Material fast unerschöpflich ist“ und bisher kaum „als Grundlage einer eigenen Geschichte dienten“, weil „viele Forscher nicht in der Lage waren, das Material zu entschlüsseln“. Da stellt sich die Frage, warum er als Professor für islamische Geschichte mit Schwerpunkt Kreuzzüge nicht „aus dieser Fülle an Material“ zitiert, sondern aus den bekannten Quellen? Oder verstärkt auf die Beiträge seiner ägyptischen oder syrischen Kollegen zurückgreift, die er als Koryphäen auf diesem Gebiet herausstellt, sondern auf europäische oder amerikanische? Zugleich beantwortet er diese Frage mit „letztlich alles eine Frage der Perspektive“. (S. 12)
Hierbei vergaß er seinen amerikanisch-afghanischen Kollegen  Tamim Ansary, der das äußerst interessante Buch „Die unbekannte Mitte der Welt“ 2010 schrieb und ebenfalls aus islamischer Sicht das Thema Kreuzzüge darin aufschlussreich schilderte.

Zusammengefasst kann man sagen, dass dieses umfangreiche Buch interessant ist, für Leser, die sich vorher noch nicht über die Kreuzzüge aus islamischer Sicht informiert haben.