Kiepenheuer & Witsch |
Gero von Randow
Wenn das Volk sich erhebt
Schönheit und Schrecken der Revolution
Gero von Randow geht den Revolutionen auf den Grund. Er
fragt zu Beginn des Buches „...was ist eine Revolution?“ und stellt fest, dass
Revolution ein Begriff ist, „dessen Ränder nicht begrenzt sind, sondern
verlaufen.“ Und „Revolution heißt Umwälzung“.
In 15 Kapiteln wird der Begriff „Revolution“ definiert,
erklärt und über die Formen und Arten von Revolutionen analysiert.
Das Buch befasst sich vor allem mit Revolutionen, bei
denen sich Menschen erheben und
„Geschichte machen“ und weniger mit Umwälzungen der Industrie, Mode, Technik,
Sexualität. Feminismus stellt eher eine Revolution dar, bei der das
Patriarchat, die Männerherrschaft, erschüttert wird und gerade bei der
französischen Revolution von 1789 spielten Frauen eine entscheidende Rolle,
ebenso beim algerischen Unabhängigkeitskrieg (1954-1962) oder bei der
Jasmin-Revolution in Tunesien und in
Ägypten 2011. Leider haben die Frauen nach allen Revolutionen nicht langfristig
ihre Rechte durchsetzen können und kämpfen bis heute um ihre
Gleichberechtigung, überall auf der Welt.
Kernpunkt dieses Buches ist die „Veränderung der
Staatsmacht“, „die eine veränderte Gesellschaft hinterlässt“. Ein gutes
Beispiel dafür ist die Jasmin-Revolution in Tunesien, bei der die Bevölkerung
das diktatorische Regime von Ben Ali hinweggefegt hat und nun eine Demokratie
mit neuer Verfassung aufbaut. Und Revolutionen lassen sich nicht mehr
rückgängig machen, auch wenn sie scheitern.
Wer macht Revolution? Das Volk. Es begehrt auf, lange ist
es geduldig, nimmt Einschränkungen, Repressionen hin, aber dann, eines Tages
ist es soweit, ein Funke (Selbstverbrennung in Tunesien) reicht und das „Fass
ist übergelaufen“. Revolutionen haben den Lauf der Geschichte geändert, das war
ihr „Job“, steht fast am Ende des Buches auf Seite 259.
Im dritten und vierten Kapitel werden die „Helden der
Revolution“ beschrieben, Frauen und Männer, die eine Revolution in Gang
brachten. Bewundernswert ist die Zielstrebigkeit der jungen Frau aus Tunis,
Olfa Riahi, der Afghane Ajmal oder die Russin Nadja Tolokonnikowa in der
heutigen Zeit, der Belgier Victor Serge, die Französin Louise Michel oder der
Deutsche Erich Mühsam im 19. Jahrhundert.
Titel wie „Annäherung,
Die Revolution spricht, Detonation, Dramaturgie, Konterrevolution,
Weltrevolution“ hinterfragen die Anfänge, Bedeutung und Ziele von Revolutionen.
Doch wie heißt es im 13. Kapitel: „war es das wert?“, das ist der Oberbegriff
für die Frage nach dem „Ergebnis einer Revolution.“
Eigene Erlebnisse des Autors fließen in die
Beschreibungen ein und machen das Buch noch authentischer.
Literaturhinweise und ein Register ergänzen das
Geschriebene.
Autor:
Gero von Randow,
geb. 1953, ist als Journalist und Buchautor mehrfach ausgezeichnet worden. 1992
wurde er Wissenschaftsredakteur der Hamburger Wochenzeitung DIE ZEIT. Beim Aufbau der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung
wirkte er von 2001 bis 2003 mit, bevor er als politischer Redakteur zur ZEIT zurückkehrte. Von 2005 bis 2008 war
er Chefredakteur von ZEIT ONLINE, bis
2013 als Korrespondent der ZEIT in
Paris und arbeitet seither als ZEIT-Redakteur
im Ressort Politik.
Fazit:
Wer etwas über die Hintergründe der aktuellen Weltlage
erfahren will, sollte zu diesem aufschlussreichen Titel greifen. Revolutionen
in der Geschichte werden genauso interessant dargestellt, wie die neuesten
Revolutionen sachlich erläutert.
Aus Begegnungen in Tunesien oder Afghanistan oder der
eigenen Teilnahme an den Ereignissen der 1968er Jahre ist ein persönliches,
anschauliches Dokument entstanden.
Sehr gut geschrieben und deshalb empfehlenswert.
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