Freitag, 30. März 2018

Rezension: Wenn das Volk sich erhebt

Kiepenheuer & Witsch
REZENSION   

Gero von Randow

Wenn das Volk sich erhebt     
Schönheit und Schrecken der Revolution

Gero von Randow geht den Revolutionen auf den Grund. Er fragt zu Beginn des Buches „...was ist eine Revolution?“ und stellt fest, dass Revolution ein Begriff ist, „dessen Ränder nicht begrenzt sind, sondern verlaufen.“ Und „Revolution heißt Umwälzung“.
In 15 Kapiteln wird der Begriff „Revolution“ definiert, erklärt und über die Formen und Arten von Revolutionen analysiert.

Das Buch befasst sich vor allem mit Revolutionen, bei denen sich Menschen erheben  und „Geschichte machen“ und weniger mit Umwälzungen der Industrie, Mode, Technik, Sexualität. Feminismus stellt eher eine Revolution dar, bei der das Patriarchat, die Männerherrschaft, erschüttert wird und gerade bei der französischen Revolution von 1789 spielten Frauen eine entscheidende Rolle, ebenso beim algerischen Unabhängigkeitskrieg (1954-1962) oder bei der Jasmin-Revolution in Tunesien und in Ägypten 2011. Leider haben die Frauen nach allen Revolutionen nicht langfristig ihre Rechte durchsetzen können und kämpfen bis heute um ihre Gleichberechtigung, überall auf der Welt.

Kernpunkt dieses Buches ist die „Veränderung der Staatsmacht“, „die eine veränderte Gesellschaft hinterlässt“. Ein gutes Beispiel dafür ist die Jasmin-Revolution in Tunesien, bei der die Bevölkerung das diktatorische Regime von Ben Ali hinweggefegt hat und nun eine Demokratie mit neuer Verfassung aufbaut. Und Revolutionen lassen sich nicht mehr rückgängig machen, auch wenn sie scheitern.

Wer macht Revolution? Das Volk. Es begehrt auf, lange ist es geduldig, nimmt Einschränkungen, Repressionen hin, aber dann, eines Tages ist es soweit, ein Funke (Selbstverbrennung in Tunesien) reicht und das „Fass ist übergelaufen“. Revolutionen haben den Lauf der Geschichte geändert, das war ihr „Job“, steht fast am Ende des Buches auf Seite 259.

Im dritten und vierten Kapitel werden die „Helden der Revolution“ beschrieben, Frauen und Männer, die eine Revolution in Gang brachten. Bewundernswert ist die Zielstrebigkeit der jungen Frau aus Tunis, Olfa Riahi, der Afghane Ajmal oder die Russin Nadja Tolokonnikowa in der heutigen Zeit, der Belgier Victor Serge, die Französin Louise Michel oder der Deutsche Erich Mühsam im 19. Jahrhundert.

Titel wie „Annäherung, Die Revolution spricht, Detonation, Dramaturgie, Konterrevolution, Weltrevolution“ hinterfragen die Anfänge, Bedeutung und Ziele von Revolutionen. Doch wie heißt es im 13. Kapitel: „war es das wert?“, das ist der Oberbegriff für die Frage nach dem „Ergebnis einer Revolution.“

Eigene Erlebnisse des Autors fließen in die Beschreibungen ein und machen das Buch noch authentischer.

Literaturhinweise und ein Register ergänzen das Geschriebene.

Autor:
Gero von Randow, geb. 1953, ist als Journalist und Buchautor mehrfach ausgezeichnet worden. 1992 wurde er Wissenschaftsredakteur der Hamburger Wochenzeitung DIE ZEIT. Beim Aufbau der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung wirkte er von 2001 bis 2003 mit, bevor er als politischer Redakteur zur ZEIT zurückkehrte. Von 2005 bis 2008 war er Chefredakteur von ZEIT ONLINE, bis 2013 als Korrespondent der ZEIT in Paris und arbeitet seither als ZEIT-Redakteur im Ressort Politik.


Fazit:
Wer etwas über die Hintergründe der aktuellen Weltlage erfahren will, sollte zu diesem aufschlussreichen Titel greifen. Revolutionen in der Geschichte werden genauso interessant dargestellt, wie die neuesten Revolutionen sachlich erläutert.
Aus Begegnungen in Tunesien oder Afghanistan oder der eigenen Teilnahme an den Ereignissen der 1968er Jahre ist ein persönliches, anschauliches Dokument entstanden.
Sehr gut geschrieben und deshalb empfehlenswert.


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