Sonntag, 18. März 2018

Rezension: Marrakesch

Bebra
REZENSION

JALID  SEHOULI


MARRAKESCH           

Für die Gründer, die Al Murabitun, war Marrakech schlicht „die Stadt“ - so der Name in ihrer Berbersprache „Tamazirt“. 1070 wurde sie zuerst als Zeltlager von Abu Bakr ibn Umar und seinem Vetter Yusuf ibn Taschfin gegründet, die aus dem Süden heraufzogen. Für den Arzt Jalid Sehouli ist die Begegnung mit der Stadt ein ganz besonderes Erlebnis. Er ist zwar Marokkaner, aber in Berlin geboren  und aufgewachsen. Nur während der Ferien fuhr die Familie mit dem Auto nach Marokko, aber nach Tanger, der Stadt des Vaters. Erst als Erwachsener besucht er auch Marrakech.

Wer sich vorab über den Jalid Sehouli informieren möchte, kann das Buch mit dem Lesen des Porträts am Ende beginnen, das den Lebensweg des Professors beschreibt, der in der Charité arbeitet. Der Titel „Weiterlaufen, wenn es weh tut“ ist auch sein Motto.

Es ist ein sehr persönliches Buch des Autors, der seine Gefühle beschreibt, gegenüber anderen Menschen und der Stadt Marrakech, in die er mehrmals gereist ist. Er schreibt: „Dieses Buch über Marrakech half mir, meiner inneren Stimme einen, meinen Charakter zu geben. Durch dieses Buch, durch mein Schreiben, werden meine stummen Worte sichtbar gemacht, wird den Worten die Kraft gegeben, mit anderen Menschen in Dialog zu treten.“

Abwechselnd werden Kapitel über seine Begegnungen mit anderen Marokkanern in Deutschland und Menschen in Marrakech notiert, so dass sich „viele Geschichten in einer Geschichte“ ergeben und  „eine Geschichte über die Stadt Marrakech, eine Geschichte über die Beziehung zu Menschen und eine Geschichte über mich und mein Herz und meine Seele“ entstehen. Oder auch die Suche nach der besonderen Geschichte der Pastilla, eines der Nationalgerichte Marokkos, das ein befreundeter Koch in Berlin oder einer in Hamburg ganz anders zubereitet als die Restaurants in Marokko selbst. Die Rezepte stehen am Ende des Buches.

Mal reist der Autor allein oder mit seiner Freundin, mal mit seinen Kindern und Brüdern. Immer sind die Eindrücke anders, einmal sind Gefühle eher romantisch, dann wieder steht die Sicherheit (der Kinder) im Vordergrund, und immer wieder zieht es den Arzt zum Djemaa el Fna, dem Versammlungsort der Toten.

Manche Kapitel sind nur eine Seite kurz, ein Gedanke nur. Zitate anderer Besucher über die Stadt fließen ebenso in den Text ein wie Gedichte. Es werden Orte in der Stadt beschrieben, wie der Garten Majorelle, die Koutoubiya-Moschee, der Djemaa el Fna oder die Souks, andere Kapitel beschreiben die Geschichte oder wie man sich am besten beim Handeln verhält.

Im Vordergrund stehen die Gefühle, die Jalid Sehouli zur Stadt entwickelt, wie Sehnsucht, später Liebe. Viele Ratschläge fließen in den Text mit ein, wie zum Beispiel „Schöne Dinge sollten schönen Dingen folgen. Fühlt man eine Sehnsucht, fühlt man einen Wunsch, sollte man diesem folgen und ihn nicht bei dem ersten Hindernis, der ersten Hürde, egal wie unüberwindbar sie zunächst erscheint, loslassen.“ Und diese Sehnsucht ist stark in ihm und er wird immer wieder in die „Perle des Südens“ reisen. Für den Arzt ist dieses Buch eine Herzensangelegenheit und seine Liebeserklärung an Marrakech.

Autor:
Jalid Sehouli wird 1968 in Berlin geboren, seine Eltern stammen auch Nordmarokko. Er studiert Humanmedizin an der Freien Universität Berlin und ist heute Ordinarius an der Charité. Sehouli gehört zu den führenden Krebsspezialisten der Welt. 2016 erschien sein Buch „Und von Tanger fahren die Schiffe nach irgendwo“.

Fazit:
Sein Liebesbekenntnis zur Stadt können wahrscheinlich nur die Leser nachempfinden, denen es genauso geht, vielleicht ist es auch eine andere Stadt, zu der sich der Leser hingezogen fühlt, aber die beschriebenen Gefühle können dieselben sein.
Der Autor fühlt sich so sehr angezogen, dass er sich schon mit ihr identifiziert, „Ich bin Marrakesch“ (S. 107)
Man kann das Buch auch als Ratgeber für Gefühle verstehen. Ob man dafür nach Marrakech fahren muss, bleibt dem Leser überlassen. Es ist auf jeden Fall kein Reiseführer oder Städteführer, obwohl auch die besuchten Riads oder das Hotel Mamounia beschrieben werden. Hier geht es mehr um die Herzenswünsche und Herzenswärme, die die Besucher von den Besuchten zurückerhalten oder beim Besuch empfinden.
Ein Buch für wahre Fans des Autors und der Stadt Marrakech.


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