C.H.Beck |
Claudia Ott
Tausendundeine Nacht - Das
glückliche Ende
“Es ist keine
Einsamkeit so einsam wie die des Flüchtlings, welcher abgeschnitten ist von
seiner Heimat und Familie.“ und „Wer klug ist, wird sich Trost verschaffen, indem
er sich in der Fremde Freunde sucht und so das Unglück zu ertragen lernt.“ Bei
diesen Sätzen könnte man glauben, dass sie in den letzten Monaten geschrieben
wurden. Aber sie sind Teil einer längeren Geschichte mit dem Titel „Eine Leiche
im Flussbett“. Darin heißt es weiter: „Betritt
der Unterdrücker einen Ort, so müssen die Bewohner eilends fort.“ Diese Zeilen
sind an Aktualität kaum zu überbieten und doch sind sie Jahrhunderte alt und in
der 888. Nacht Teil der neu entdeckten letzten Erzählungen von Tausendundeine
Nacht - Das glückliche Ende.
Von Tieren und
Menschen
„Schahrasad, du beste Erzählerin aller Zeiten! Lass uns
aufregende Geschichten hören!“ Da erzählte sie von Tieren und Menschen,
Aussprüche, Witze und Schwänke, „Anekdoten von schlagfertigen Blinden,
Schwerhörigen und anderen Versehrten“, Streiche des Schelmen Musabbid oder „Aschabs
Abenteuer mit dem geizigen Gouverneur von Medina.“ Und am Ende jeder Nacht hörte
sie auf. Doch ihre Schwester Dunyasad forderte sie auf weiterzuerzählen. „…wenn
ich dann noch lebe und mich der König verschont?“ bedenkt Schahrasad jedes Mal.
König Schadbacht
und sein Wesir
Wir wissen, dass der König neugierig war und so erzählte
Schahrasad auch „die Geschichte von König Schadbacht (glückliches Geschick) und
seinem Wesir“ im zweiten Teil. Auch dies ist eine Rahmengeschichte und der
Wesir sollte nach dreißig Nächten getötet werden. Doch dieser kannte jede Menge
Geschichten von Händlern, Einbrechern, Kupplern und wahrer Gastfreundschaft,
dem „hässlichen Mann mit der hübschen Frau“ oder den „beiden Gaunern, die sich
gegenseitig betrogen“ mit „indischen Motiven und persischen Protagonisten“, die
er Nacht für Nacht erzählte und so sein Schicksal hinauszögerte, bis ihm der
König glaubte und das Leben schenkte. Allmählich bemerkte auch König
Schahriyar, dass Schahrasad den Tod nicht verdient hat.
Sultan Baybars und
die sechzehn Offiziere
Nun enthält das vorliegende Buch noch einen dritten Teil.
Darin geht es um den mamelukischen Sultan Ruknaddin Baybars al-Bundukani, der
tatsächlich von 1260 bis 1277 in Ägypten herrschte und seine sechzehn
Offiziere, die ihm Geschichten der einfachen Leute erzählen sollten. Inhalt
dieser arabischen Geschichten ist neben anderen „die Tücke der Weiber“ und
genau unter diesem Titel stand das Buch jahrelang unbeachtet in der
Raschit-Efendi Bibliothek in der anatolischen Kleinstadt Kayseri.
Das glückliche
Ende
Im vierten Teil wird das Ende erzählt, doch es ist nicht
irgendein Schluss sondern das lange vergessene glückliche Ende der
Rahmengeschichte von Tausendundeiner Nacht, die im ersten Teil, den die Arabistin
Dr. Claudia Ott von der arabischen Fassung von Muhsin Mahdi neu übersetzte,
fehlt.
Endlich erkennt sich König Schahriyar in einer der
letzten Geschichten selbst und was er getan hat. Er besinnt sich, um wieder auf
den rechten Weg zu gelangen. Seine Hochzeit mit Schahrasad wird zur
Doppelhochzeit, denn Dunyasad, die kleinere Schwester, heiratet den Bruder des
Königs. Ruhe und Frieden kehren ein und der König gab den Chronisten den
Auftrag die vielen Erzählungen aufzuschreiben und in der Schatzkammer aufzubewahren.
Lange Zeit danach herrschte ein anderer gerechter König, der die Erzählungen
fand, sich köstlich amüsierte und Abschriften anfertigen ließ. So gelangten die
aufregenden und spannenden Geschichten aus Tausendundeiner Nacht durch die
Reisenden in alle Welt.
Abenteuerliche
Übertragung der Kayseri-Handschrift
Frau Dr. Ott konnte 2015 erstmals die Kayseri-Handschrift
mit dem glücklichen Ende, die wahrscheinlich zwischen 1400 und 1600 entstanden
ist, in Händen halten. Seit wann diese Handschrift in der 1796 gegründeten Raschit-Efendi-Bibliothek
liegt, ist nicht belegt.
Die Übersetzung stürzte die Arabistin selbst in ein
Abenteuer, das im Nachwort mit Unterstützung von einigen Schwarz-weiß-Bildern
anschaulich und spannend beschrieben ist. Ergänzt werden die interessanten
Ausführungen mit Erläuterungen zur Transkription und Aussprache, einem
umfangreichen Glossar und arabischen Kalligraphien und Ornamenten.
Autorin:
Frau Dr. Claudia Ott, geb. 1968 in Tübingen ist
Arabistin, Übersetzerin, Musikerin und gehört international zu den führenden
Kennern von Tausendundeine Nacht. Sie hat in Tübingen studiert, in Berlin und
Erlangen gelehrt und geforscht und unterrichtet jetzt an der Universität
Göttingen.
Ihre deutsche Erstübersetzung der bisher ältesten
Handschrift von Tausendundeine Nacht, die den Anfang und die ersten 282 Nächte
enthält, wurde von der Kritik gefeiert und schnell zum Bestseller. Für diese
Übersetzung erhielt Frau Ott u. a. den Johann-Friedrich-von-Cotta-Preis. Im
Manesse-Verlag erschien 2012 die aus dem Arabischen erstmals ins Deutsche
übertragene und umfassend kommentierte Ausgabe von Hundertundeine Nacht nach
der andalusischen Handschrift des Aga Khan Museums.
Fazit:
In der heutigen unruhigen Zeit hat man manchmal das Bedürfnis,
in die „heile“ Welt der Märchen zu entfliehen. Die Erzählerin Schahrasad nimmt
den Leser auf phantasievolle Reisen in den östlichen Orient bis nach Samarkand und
China mit.
Nach der Neuübersetzung der ersten Nächte von
Tausendundeine Nacht und der sensationellen Entdeckung einer Handschrift der
davon unabhängigen 101 Nächte, konnten nun die letzten 125 Erzählungen bis zum „glücklichen Ende“ erstmals ins
Deutsche übertragen werden.
Sehr interessant ist das Nachwort, das die aufregende und umfangreiche Übersetzungsarbeit beschreibt. Wieder ist es Frau Dr. Ott gelungen ein lange Zeit verborgenes Originalmanuskript zu bearbeiten, um den Freunden der „Neuen Orientalischen Bibliothek“ des C.H.Beck-Verlags einen vergnüglichen und amüsanten Lesegenuss zu bereiten.
Sehr interessant ist das Nachwort, das die aufregende und umfangreiche Übersetzungsarbeit beschreibt. Wieder ist es Frau Dr. Ott gelungen ein lange Zeit verborgenes Originalmanuskript zu bearbeiten, um den Freunden der „Neuen Orientalischen Bibliothek“ des C.H.Beck-Verlags einen vergnüglichen und amüsanten Lesegenuss zu bereiten.
Wer die Möglichkeit hat eine Lesung oder ein
Erzählkonzert mit Frau Dr. Ott zu erleben, wird verzaubert und beschwingt den
Abend genießen und sollte diese Gelegenheit einer „Live“-Erzählung der Geschichten
aus Tausendundeine Nacht nicht verpassen.