Sonntag, 31. Januar 2016

Rezension: Der lange Weg zum Wasser

Rezension

Linda Sue Park

Der lange Weg zum Wasser   

Wie schwer es ist im Süd-Sudan an sauberes Wasser zu gelangen, beschreibt Linda Sue Park in dieser wahren Geschichte.

Salva, der 11jährige Dinka-Junge ist gerade in der Schule, als Schüsse den Unterricht stören. Der Lehrer schickt die Kinder mit nachdrücklichen Worten in den Busch. Sie sollten nicht mehr nach Hause in ihre Dörfer gehen, die von bewaffneten Männern überfallen werden.

Ab 1983 herrscht im Sudan ein Bürgerkrieg, der die überwiegend christliche Bevölkerung im Süden von der islamischen Bevölkerung im Norden unterdrückt und zu größter Not führt.
Salvas Dorf Loun-Ariik wird 1985 überfallen. Er flieht, wie viele andere, aus dem südlichen Sudan. Tausende Schulkinder, Jugendliche, Frauen mit ihren Babys, Mädchen und Männer durchqueren Savanne und Wüste, um über den Nil nach Äthiopien in Sicherheit zu gelangen, die nicht lange währt.

Die Autorin beschreibt den steinigen Weg des 11jährigen, der zuvor ein normales Leben mit seiner Familie führte. Sein Vater hat ein Menge Vieh, Mangel an Lebensmitteln herrscht nicht. Doch nun lernt Salva eine andere, grausame Seite des Lebens kennen. Der kleine Junge ist allein, von seiner Familie getrennt, er fühlt sich einsam und verlassen. Dann trifft er einen gleichaltrigen Freund, doch der wird von einem Löwen getötet. Sein Onkel, den Salva zufällig wiederfindet, wird vor seinen Augen von Räubern erschossen. Salva sieht verdurstete Männer des Flüchtlingszuges und tausende  Menschen, die auf der Flucht vor äthiopischen Soldaten erschossen oder im Fluss von Krokodilen zerfetzt werden.

Doch eines konnte ihm sein Onkel noch mit auf seinen Lebensweg geben: immer einen Schritt nach dem anderen zu gehen - vom Baum zum Fels, vom Fels zum Busch, vom Busch zur Sanddüne usw. An dieses Motto hält sich Salva und es hilft ihm in Flüchtlingslagern in Äthiopien und Kenya zu überleben, 6 Jahre in Äthiopien, 5 Jahre in Kenya.
Salva ist 22 Jahre alt, als Rettung für ihn und andere junge Männer seines Alters naht. Wird er es schaffen, sein zukünftiges Leben in einem anderen Kontinent zu meistern?


Nya, das Nuer-Mädchen lebt 2008 mit ihrer Familie im Südsudan, nun der 54. Staat in Afrika. Dinka- und Nuer-Menschen mögen sich nicht.
Jeden Tag geht Nya zweimal zu Fuß zur Wasserstelle. Sie kann nicht öfter gehen, weil der Weg zum Brunnen zu weit ist. Sie ist auch 11 Jahre alt. Mutter kümmert sich um die Kleinsten. Das Wasser ist schlammig. Während der Trockenzeit muss Nya tief graben, um noch ein paar Schlucke für die Familie aus dem ausgelaugten Boden zu pressen. Es reicht trotzdem nicht für alle, ihre kleine Schwester wäre fast gestorben.
2009 ist es endlich soweit. Ein Brunnen wird gebohrt. Später kommt eine Schule dazu, die neben dem Brunnen gebaut wird. Nya kann es kaum fassen, denn auch sie als Mädchen darf dort zur Schule gehen und sie hat die Zeit dafür.
Etwas abseits steht ein Mann, ein Dinka. Nya, das Nuer-Mädchen bedankt sich bei ihm.

Autorin
Linda Sue Park lebt mit ihrer Familie in Rochester, New York. Sie verfasst Romane, Bilderbücher und Gedichte. Mit ihrem Roman „A Single Shard“ gewann sie die renommierte Newbery Medal.

Fazit:
Dieses Buch erinnert an die prekäre Situation im Sudan. Auch heute ist noch kein Frieden eingekehrt. In der Darfur-Region im Westen leben Tausende Menschen unter unwürdigen Verhältnissen in riesigen Lagern und sind in Europa fast vergessen.
Der Südsudan ist zwar unabhängig, aber der Norden will sich damit nicht abfinden und der Streit um die reichen Ölvorkommen im Süden sind noch nicht beendet und damit auch nicht die Not der Menschen, die nicht nur unter den schweren Kriegen sondern obendrein noch mit schweren Dürreperioden unfassbar viel Leid ertragen müssen.

Die Autorin beschreibt mit großem Einfühlungsvermögen die Wege von Salva und Nya. Sie erinnert damit an die Lage im Sudan und Südsudan, die von Menschenrechtsorganisationen unterstützt, aber fast aus den Schlagzeilen geraten ist.
Ein lesenswertes Buch für Jugendliche ebenso wie für Erwachsene, sehr zu empfehlen, auch im Hinblick auf die Flüchtlinge in Europa, für die eine Mahlzeit mit sauberem Wasser ebenso wichtig ist, wie für die Menschen im Sudan.


Freitag, 29. Januar 2016

NEU: Der lange Weg zum Wasser

Bloomoon

Neuerscheiung

LINDA  SUE  PARK

DER  LANGE  WEG  ZUM  WASSER    

Nyas Aufgabe ist es, für ihre Familie Wasser bei der Wasserstelle zu holen. Sie läuft dafür acht Stunden. Jeden Tag.

Salva flieht aus seinem vom Krieg zerstörten Dorf. Er läuft quer durch Afrika, auf der Suche nach einem sicheren Ort, an dem er bleiben kann, und nach seiner verschollenen Familie.

Zwei fesselnde Stimmen erzählen von Not und Vertreibung – aber auch von Hoffnung und Zukunft in einer Welt, in der sich unerwartete Chancen für die auftun, die nicht aufhören, an das Gute zu glauben.

Der Roman basiert auf einer wahren Geschichte.

Autorin:
Linda Sue Park
hat mit ihrem Roman A Single Shard die renommierte Newbery Medal gewonnen. Als Autorin verfasste sie zahlreiche Romane, einige Bilderbücher und sogar einen Gedichtband. Sie lebt mit ihrer Familie in Rochester, New York, und ist ein großer Fan der New York Mets, sie liebt es das Kreuzworträtsel in der New York Times zu lösen und kocht für ihr Leben gerne.

Linda Sue Park
Der lange Weg zum Wasser    ab 12 Jahren  
Klappenbroschur
128 Seiten
Format 21,5 cm x 14,6 cm
1.Auflage 12. Januar 2016
nur Euro 9,99 inkl. MwSt.    Buch kaufen


zur Information:
Wasser für Südsudan  www.waterforsouthsudan.org 

Mittwoch, 20. Januar 2016

Rezension: Traumbild des Herzens

Manesse
Rezension

DSCHALALUDDIN  RUMI

TRAUMBILD  DES  HERZENS

Wenn Sie Ihrer oder Ihrem Liebsten zum Valentinstag ein außergewöhnliches Buch schenken möchten, greifen Sie zum „Traumbild des Herzens“ mit 100 Lebensweisheiten des mystischen Sufis Dschalaluddin Rumi. Der persische Dichter war ebenso berühmt wie sein Kollege Hafiz, dem Goethe seinen „West-Östlichen Diwan“ widmete.

„Die Liebe schenkt den Teil erst und dann das ganze All.
Die Traube ist erst sauer und dann ein süßer Ball.
Und so ist auch die Regel, Herz, wenn der Lenz sich naht:
Erst meldet sich die Katze, dann sing die Nachtigall.“

Orden der Tanzenden Derwische

Rumi lebte von 1207 bis 1273 und wurde in Balch (im Altertum Hauptstadt von Baktrien, an der iranischen Seidenstraße) an der Nordgrenze des heutigen Afghanistan geboren und musste vor dem Mongolen fliehen. Als junger Gelehrter heiratete er in Anatolien, 1228 ließ sich die Familie in der Seldschukenstadt Konya (Türkei) nieder. Rumi wurde nach dem Tod seines Vaters Hofprediger bei den Seldschuken und Begründer des Ordens der Tanzenden Derwische.

Shamsuddin i-Tabriz, der geliebte Freund

In Konya lernte Rumi den Derwisch (persisch: asketischer Mönch) Shamsuddin (Shams i-Tabriz, Sonne aus Tabriz) kennen, der sich nach einer langen Wanderschaft in Konya niederließ. Rumi fühlte sich so sehr von Shams angezogen, dass er seine Familie und seine Anhänger vernachlässigte, was diese mit großer Eifersucht quittierten. Shams floh nach Damaskus, doch Rumi wollte ohne den lieben Freund nicht sein und schickte seinen Sohn Sultan Waled, um Shams zur Rückkehr zu  bewegen. Shams heiratete das Mädchen Kimiya („Elixier“) aus dem Hause des Rumi, welches er sehr liebte und die mystische Beziehung zu Rumi wurde fortgesetzt. Als Kimiya starb, verschwand auch Shams bald darauf, der wahrscheinlich von eifersüchtigen Anhängern Rumis und mit Hilfe mindestens einem seiner Söhne ermordet wurde. Rumi suchte Shams in Damaskus, doch als er bemerkte, dass der geliebte Freund nie mehr zurückkehren würde, fiel er in tiefe Verzweiflung.

„Sterben aus Liebe“

Seinen Schmerz verarbeitete Rumi in tausenden von Versen, in denen der Geliebte weiterlebte und Rumi den Verlust beklagte. In der persischen und arabischen Dichtung findet das „Sterben aus Liebe“ immer neue Wendungen und oft ist damit auch die „ersehnte Vereinigung mit dem göttlichen Geliebten“ gemeint, die die Mystiker anstreben. Rumi drückte damit nicht nur die Liebe zu Shams und seinen irdischen Nachfolgern aus, sondern meint damit symbolisch die Beziehung des Menschen zu Gott. Ein Mystiker begreift die „Schöpfung mit ihren Erscheinungen als Abglanz und Spiegel innerer Wirklichkeiten, göttlichen Realitäten.“

Mathnawi und Diwan

Nach dem Tod Rumis setzte sein Schüler Husanuddin (Schwerter der Religion) Celebi die Leitung des Ordens fort, dem Rumi sein Werk von 26000 Versen diktierte, ein mystisches Gedicht der Lehren der Sufis mit zahlreichen Erzählungen, die nach Art der „Märchen aus 1001 Nacht“ ineinander verschachtelt sind.

Kaum ein anderer persischer Mystiker verarbeitete die „Fülle des Lebens“, die „Empfindungen von Liebe und Freundschaft“, die „Welt des Werdens und des Seins“, Historisches und Alltagsgeschehnisse wie Rumi in seinen Werken, dem „Mathnawi (Bibel der Sufis) und dem Diwan mit rund 3000 Ghaselen und etwa 2000 Vierzeilern, den Ruba’is. Die Ruba’is sind eine besondere Form persischer Dichtkunst, bei der „gleichklingende Wörter eine  verschiedene Bedeutung“ haben und in Variationen die Aussage der ersten Zeilen in der vierten Zeile wieder zur ersten Zeile zurückgeführt wird.

Die Auswahl in diesem Büchlein ist in die drei Abschnitte eingeteilt:

Freundschaft und Liebe:
„Ich bin der Staub, Du die Sonne, die mir das Licht zuteilt.
Ich bin vor Kummer krank, Du das Mittel, das mich heilt.
Ich fliege ohne Flügel und Federn zu Dir hin,
der Bernstein Du, ich ein Stroh nur, von deinem Sog ereilt. “

Leben und Lernen:
„Wer mit Wissen und Verstand ausgestattet wurde,
 der gilt als fähig, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten.
Wer aber als hohler Kopf angesehen wird,
 der wird dafür mit Geld vollgestopft. “   

und Musik und Dichtung:
„Deine Vollkommenheit hat meine Liebe entfacht.
Deine Anmut hat mich zum Dichter gemacht.
Es tanzt Dein Traumbild auf der Bühne meines Herzens.
Den schönen Tanz hast Du  mir beigebracht.“

Heiteres, Zartes und Scherzhaftes sowie Leidenschaft und Ekstase lassen sich in einer „sinnlich-erotischen“ und einer „mystischen“ Ebene lesen, die mal fremdartig, mal mitreißend wirkt und den Leser verzaubert. Johann Christoph Bürgel hat die Verse so nachgedichtet, dass sie wie „auf Deutsch verfasst“ klingen und sie in wörtlicher Übersetzung zum Vergleich beigefügt. Die Anmerkungen am Ende des Buches geben Hinweise und Erklärungen zu den Vierzeilern. Ebenso wird der Schlüssel zum Auffinden der Verse in der Ausgabe des persischen Textes von Furuzanfar angegeben.


Johann Christoph Bürgel (geb. 1931) ist Professor emeritus für Islamwissenschaft an der Universität Bern. Für seine Übersetzungen klassischer literarischer Werke aus dem Persischen, Arabischen und Urdu erhielt er 1983 den Rückert-Preis und 1993 den Übersetzerpreis der Stadt Bern. Bürgel ist der Herausgeber der Anthologie „Tausendundeine Welt“ (2007,C.H.Beck) und Übersetzer von Nizami’s „Die Abenteuer des Königs Bahram und seiner sieben Prinzessinnen“ (1997,C.H.Beck). Die „Traumbilder des Herzens“ sind eine Neuausgabe des Manesse-Verlags 2015.


Fazit:
Die „Traumbilder des Herzens“ berühren die Seele. In der heutigen unruhigen Zeit zeigen die Verse der persischen oder arabischen Dichter eine andere Seite, die zu oft übersehen wird oder unbekannt ist und die deutsche Dichter wie Goethe oder Rückert bereits im 18. Jh. zum Nachdichten oder übersetzen inspirierten. Man sollte sich öfter diesem Kunstgenuss einer anderen Kultur zuwenden.

Neben Bürgel hat Friedrich Rückert Rumis Diwan übertragen und besonders gern die Ghaselen nachgedichtet. Dem 150. Todestag Friedrich Rückerts wird am 31. Januar 2016 gedacht.

„Ich sah einen Schelm sitzen auf dem Ross der Erde:
weder Unglaube noch Islam, weder Welt noch Religion!
Weder Recht noch Wahrheit, noch Scharia, noch Gewissheit!
Wer hat in beiden Welten die Kühnheit zu diesem?“




Traumbild des Herzens

Manesse

DSCHALALUDDIN  RUMI         

TRAUMBILD  DES  HERZENS
Hundert Lebensweisheiten islamischer Mystik

Mal leidenschaftlich, mal zärtlich, überschwänglich oder düster, jedoch immer sinnlich und mitreißend umkreist Rumi das Thema der Liebe: Seine Gedichte handeln von Hingabe, Sehnsucht und Entbehrung, von der innigen Verbundenheit mit dem geliebten Menschen und mit Gott.

Dschalaluddin Rumi ist berühmt als Verfasser bilderreicher, ekstatischer religiöser Gedichte, in denen er von seinem leidenschaftlichen Streben nach der Vereinigung mit Gott spricht. Seine Verse sind Ausdruck großer Lebensweisheit und Sinnlichkeit. Beflügelt von seiner außergewöhnlichen, rauschhaften Verbindung mit dem Derwisch Schams - und deren jähem Ende -, besingt Rumi die Freundschaft als Symbol der Beziehung zu Gott und die Liebe als Triebkraft des Universums. Seine große Kunst besteht darin, einen nahezu unerschöpflichen Gedankenreichtum in knappe, klare Worte zu fassen. Voller Fantasie sind seine Bilder, voller Musik ist seine Sprache.

«Traumbild des Herzens» bietet eine exklusive Auswahl aus Rumis «Diwan», dem Meisterwerk der persischen mystischen Lyrik.
  
Autor
Muhammad Dschalaluddin Rumi (1207–1273) ist neben Hafis der bedeutendste persische Dichter. Er verbrachte den Großteil seines Lebens in Anatolien, war Sufi-Prediger und begründete den Orden der Tanzenden Derwische. Seine erotisch-mystische Freundschaft zu dem Wanderderwisch Schams inspirierte ihn zu über dreitausend inbrünstigen Gedichten. (Verlagstext)

Dschalaluddin Rumi        
Traumbild des Herzens
gebunden
Leinen mit Schutzumschlag
Neuausgabe 2015
Euro 19,95 inkl. MwSt.   Buch kaufen


Dienstag, 19. Januar 2016

NEU: Planet Wüste

Knesebeck

NEUERSCHEINUNG

MICHAEL  MARTIN

PLANET  WÜSTE
  
Zwischen 2009 und 2015 bereiste Michael Martin mit seinem Team 40 Mal Wüsten unterschiedlichster Art, ob Sahara oder Polarregion, immer brachte er eindrucksvolle Bilder mit. Aus dieser Sammlung von 300 000 Aufnahmen entstanden ein Bildband, eine Ausstellung, eine Multivisionsshow und Filme.

Das Buch ist soeben im Knesebeck-Verlag erschienen. Ab Ende September beginnt Michael Martin seine Vortragstour mit 150 Terminen. Unter anderem kommt er am 27.Januar nach Fürth, am 27. Februar nach Nürnberg und mehrere Male nach München.

Michael Martin
Planet Wüste
Format 29.0 x 35.0 cm, gebunden mit Schutzumschlag
400 farbige Abbildungen
30 Karten
448 Seiten
Euro 49,90 inkl. MwSt.   Buch kaufen


Donnerstag, 14. Januar 2016

Rezension: Friedrich Rückert


Wallstein
Rezension


Annemarie Schimmel (Hrsg: Rudolf Kreutner)

FRIEDRICH  RÜCKERT
Lebensbild und Einführung in sein Werk

Ein Philologe beschäftigt sich aus „Liebe zur Sprache“ übersetzend, sprachwissenschaftlich und lehrend mit der Literatur eines Landes, der Orientalist spezialisiert sich dabei auf Sprachen des Nahen und Fernen Ostens. Friedrich Rückert tat dies mit 44 Sprachen, darunter Afghanisch, Altäthiopisch, Koptisch, Berbersprachen, Sanskrit oder Malaiisch! Obwohl er betonte, dass er eigentlich nur deshalb Orientalist wurde, „weil ein Poet keine Familie ernähren kann“, und diese Familie war groß. Mit seiner Frau Luise hatte er 10 Kinder, wovon drei ganz jung starben. Vor allem für sie dichtete er die „Kindertodtenlieder“.
Am 31. Januar 2016 jährt sich der Todestag des großen Dichter-Gelehrten zum 150. Mal. Aus diesem Anlass veranstaltet die Friedrich Rückert Gesellschaft e.V. in Schweinfurt, Erlangen und Coburg Ausstellungen, Lesungen, Vorträge und Konzerte. Sie verwaltet den immensen Nachlass des Dichters.

Im Wallstein Verlag wurde das Buch der Islamwissenschaftlerin Prof. Annemarie Schimmel (1922-2003) „Friedrich Rückert - Lebensbild und Einführung in sein Werk“ von Rudolf Kreutner, Geschäftsführer der Friedrich-Rückert-Gesellschaft, neu aufgelegt und nun veröffentlicht.

In dem Buch zeichnet die Autorin im ersten Teil den Lebensweg dieses bedeutenden Dichters und Orientalisten  nach. Er wurde am 16. Mai 1788, ein Jahr vor der französischen Revolution in Schweinfurt geboren. Zwölf Jahre zuvor erklärte Amerika seine Unabhängigkeit. Rückert erlebte schon früh unruhige Zeiten mit der Einnahme Frankens durch Bayern 1806, den deutschen Freiheitskriegen 1812-13, den Ägyptenfeldzug Napoleons und dessen Eroberungen. Er stellte sich dichtend und schreibend gegen Napoleon (Geharnischte Sonette 1814). Zuvor hatte er bereits Hebräisch, Syrisch und Persisch an der Universität in Würzburg studiert. 1817 unternahm er eine Reise über die Schweiz nach Italien, die fast ein Jahr dauerte. Über Florenz und Venedig reiste er nach Wien und lernte bei dem berühmten Orientalisten Joseph von Hammer-Purgstall Arabisch und etwas Türkisch. Dieser Aufenthalt war für Rückert sehr fruchtbar, denn hier wurde er in die „Übersetzungen aus dem islamischen Kulturkreis“ eingeführt.

Von 1826 bis 1841 lehrte Friedrich Rückert als ordentlicher Professor der orientalischen Sprachen an der Universität in Erlangen, der Lehrstuhl wurde erst 1795 in Paris von dem französischen Orientalisten Silvestre de Sacy gegründet. Sechs seiner zehn Kinder wurden in Erlangen geboren. 1838 erschienen seine Werke „Rostam und Suhrab“ aus dem Königsbuch. Während dieser Zeit musste Rückert mehrere schwere Schicksalsschläge hinnehmen. Zwei Kinder starben an Scharlach, ebenso starb 1835 seine jüngere Schwester Maria, im selben Jahr auch seine Mutter.
1859 wurde Friedrich Rückert Ehrenmitglied im  „Pegnesischen Blumenorden“ der Nürnberger Sprach-  und Literaturgesellschaft.

Von 1841 bis 1848 lehrte Friedrich Rückert in Berlin, bevor er sich auf seinem Landgut in Neuses bei Coburg in den Ruhestand begab und auf dem Goldberg in sein Refugium zurückzog. Seine Dichtungen und orientalischen Studien setzte er fort.
Am 31. Januar 1866 starb Friedrich Rückert in Neuses bei Coburg.

Der zweite Teil beschäftigt sich mit den Werken des Orientalisten und Dichters.
Friedrich Rückerts Zeitgenossen waren u.a. Goethe, Schiller, Herder, Jean Paul, von Eichendorff und Gustav Schwab (Griechische Heldensagen). Die „deutsche Literatur hatte ihren Höhepunkt erreicht“. Antoine Gallands Übersetzung der „Märchen aus 1001 Nacht“ in das Französische löste Anfang des 18. Jahrhunderts eine Morgenland-Begeisterung aus. Das Bild des „blinden Hasses gegen den Islam“, das sich gerade, nach 200 Jahren, leider erneut wiederholt, wurde durch die Aufklärung neu geformt.
Dichter, Maler, Musiker und Reisende lösten eine verklärende Begeisterung für den romantischen Orient aus. Goethe widmete sich
Hafiz und dem „West-Östlichen Diwan“, Rückerts Antwort darauf war sein Gedichtband „Östliche Rosen“ (1822) in Form der persischen Ghaselen nach Hafiz, eigentlich Hadj Shams ad-Din Mohammad Hafez-e Shirazi (1320-1389).

Friedrich Rückert konnte sich aufgrund seines Talentes zum Dichten  in die Gedichtformen anderer Sprachen sehr gut hineindenken. Er übersetzte meisterhaft die kompliziertesten Kompositionen der persischen und arabischen Dichter unter Beibehaltung der originalen Wortspiele. Besonderen Wert legte Rückert auf die persische und arabische Versform der Ghaselen. Diese benutzten persische Poeten wie Hafiz  und Dschalalluddin Rumi, deren Werke er übertrug oder nachdichtete. Aus dem Koran übersetzte er Teile. Er übersetzte „Sa’adis Bostan“ (Der Duftgarten) von Muscharraf ad-Din Abdullah (um 1190-um 1292), genannt Sa‘adi und das persische Königsbuch „Schahname“ von Firdosi.

1838 und 1839 erschien sein großes Lehrgedicht „Die Weisheit des Brahmanen“ in sechs Bänden. Eines seiner Meisterwerke ist die Übertragung und Nachdichtung der „Verwandlungen des Abu Seid von Serug“ oder „Makamen des Harari“ aus dem Arabischen, von dem Silvestre de Sacy anerkennend bemerkte: „Dank Ihnen wird nun jemand, der Deutsch kann, nicht mehr Arabisch zu lernen brauchen, um sich eine rechte Vorstellung zu machen, was es in dieser Art an orientalischen Werken gibt“.

Friedrich Rückerts Anliegen war die Völkerverständigung in Ost und West, zu der er mit seinen Übersetzungen und Nachdichtungen entscheidend beitrug:

„Dass über Bildung Gang
die Menschheit sich verständige,
dazu wirkt jeder Urweltsklang,
den ich verdeutschend bändige.“

Autorin:
Annemarie Schimmel (1922-2003) war eine der bedeutendsten Islamwissenschaftlerinnen Deutschlands. Sie lehrte in u.a. Bonn, Ankara und Harvard und erhielt neben anderen 1965 den Friedrich-Rückert-Preis und 1995 den Friedenspreis des deutschen Buchhandels. Zahlreiche Bücher zum Islamverständnis sind von ihr erschienen, sie beschäftigte sich auch mit dem Sufismus und gab 2002 eine Einführung in die islamische Mystik heraus.

Fazit:
Das Buch gibt einen sehr interessanten Einblick in die Welt des Poeten, Philologen und Orientalisten Friedrich Rückert und zeigt, wie nah der Orient zu seiner Zeit in Europa war. Jeder hatte die Möglichkeit seine Bücher zu kaufen, doch das Interesse schien sich schon damals in Grenzen zu halten, wie er beklagte. Wer sich für die Übersetzungen, Nachdichtungen oder eigenen Werke des Dichter-Gelehrten interessiert, erfährt hier einen guten Überblick über die Schaffenskraft Friedrich Rückerts. Im Anhang werden Rückerts Werke und weiterführende Literatur aufgelistet.
Ein lesens- und empfehlenswertes Buch zum Rückert-Jahr 2016. 


Neu: Der Schwarze Tiger

Kösel Verlag

HANS  STOISSER

DER  SCHWARZE  TIGER
Was wir von Afrika lernen können

In Afrika gibt es keine Tiger. Aber einzelne afrikanische Länder sind drauf und dran, zu Tigern zu werden und Europa als stärksten Wirtschaftsraum der Welt zu überholen.
Afrika boomt. Selbst wenn es nur noch halb so schnell wächst wie in den letzten Jahren wird es die Wirtschaft Europas bis 2050 überholt haben.

„Afrika 3.0“ könnte man das Afrika nennen, in dem sich seine Bewohner  nicht zuallererst als Teil Opfer der Kolonialisierung sehen, sondern als Teil des globalen Dorfes, das sie mitgestalten.

Wie absurd unsere Entwicklungshilfen in Afrika sind, wie veraltet unser Afrika-Bild vom Kontinent der Armut und Katastrophen ist und welche dramatischen Folgen das für Europa hat, zeigt Hans Stoisser anhand verblüffender Fakten und persönlicher Beobachtungen.

Autor
Hans Stoisser studierte Volkswirtschaftslehre und Internationale Beziehungen. Der Gründer und Geschäftsführer der Managementberatung ECOTEC ist seit 30 Jahren auf dem afrikanischen Kontinent als Unternehmer und Berater tätig. Stoisser lebt in Wien. (Verlagstext)


Hans Stoisser
Der Schwarze Tiger
gebunden mit Schutzumschlag,
208 Seiten, Format 13,5 x 21,5 cm
1.Auflage 2015
Nur Euro 17,99 inkl. MwSt.   Buch kaufen

Montag, 11. Januar 2016

Friedrich Rückert

Wallstein

Annemarie Schimmel (Hrsg: Rudolf Kreutner)

FRIEDRICH  RÜCKERT
Lebensbild und Einführung in sein Werk

Zum 150. Todestag von Friedrich Rückert am 31. Januar 2016: Die Neuausgabe von Annemarie Schimmels grundlegender Biographie.

Der Dichter und Orientalist Friedrich Rückert (1788-1866) war einer der frühesten Vermittler arabischer und persischer Dichtung in Deutschland. Als Gelehrter und Übersetzer nah- und fernöstlicher Lyrik hat er der deutschen Sprache »einen Schatz geschenkt, den keine andere Sprache besitzt« (Annemarie Schimmel).

Auch Rückerts eigenes poetisches Werk ist erstaunlich: Sein (aus dem Nachlass veröffentlichtes) Liedertagebuch ist das größte Poesiewerk des 19. Jahrhunderts. Gustav Mahlers Vertonung der berührenden Kindertotenlieder machte diese Gedichte zum deutschen Kulturerbe.
 Die Islamwissenschaftlerin Annemarie Schimmel hat die Stationen von Rückerts Leben nachgezeichnet und sein Werk für heutige Leser erschlossen.  


Autorin
Annemarie Schimmel (1922-2003) war eine der bedeutendsten Islamwissenschaftlerinnen in Deutschland. Sie lehrte u. a. in Harvard, Ankara und Bonn und wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u. a. dem Friedrich Rückert Preis (1965) und dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels (1995). Veröffentlichungen u. a.: Ein Buch namens Freude. Gedichte von Frauen aus der islamischen Welt (2004); Sufismus. Eine Einführung in die islamische Mystik (2000).

Herausgeber
Rudolf Kreutner, geb. 1954, ist Historiker und Kustos des Rückert-Nachlasses in Schweinfurt sowie Geschäftsführer der Rückert-Gesellschaft. Er hat zahlreiche Beiträge zu Friedrich Rückerts Leben und Werk veröffentlicht. (Verlagstext)


Annemarie Schimmel
Friedrich Rückert
Herausgegeben von Rudolf Kreutner
Hardcover mit Schutzumschlag
16 Abbildungen,
Format 12,5 x 21 cm
158 Seiten
Euro 16,90 inkl. MwSt.   Buch kaufen

Donnerstag, 7. Januar 2016

Rezension: Risiko

Klett-Cotta 
Steffen Kopetzky

RISIKO

Hundert Jahre nach dem 1.  Weltkrieg lässt Steffen Kopetzky in seinem Roman „Risiko“ die Geschichte wieder aufleben.

Deutscher Djihad

Deutschland am Beginn des 1. Weltkriegs. Die Verbindung mit dem Osmanischen Reich verleitet den Archäologen Freiherr Max von Oppenheim zu einem Abenteuer, bei dem sich unter dem Titel „Deutscher Djihad“ die arabischen Länder gegen England erheben sollen. Dazu wird eine geheime Expedition nach Afghanistan organisiert. Mit dabei ist, neben Oskar Niedermayer, dem Leiter der Mission, der Protagonist und fiktive Funkmatrose Sebastian Stichnote, der zur Hauptfigur wird, und dessen Liebe zu Arjona und sein Auftrag ihn vor dem kompletten Verfall in den Opiumwahn doch noch am Leben hält.

Interessante Gestalten und das „Große Spiel“

Der Beginn des Buches lässt auf einen spannenden Verlauf hoffen. Der Journalist der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ), Adolph Zickler, scheint ein Geheimnis mit sich herumzutragen. Der Konsulatsschreiber Amadeus Toth kann ohne seine Bücher nicht sein und welche Rolle spielt der Waffenhändler Helphand ? Wer ist die geheimnisvolle Arjona ?
Der Prolog nimmt das Ende des Romans vorweg, der afghanische Emir Habibullah Khan soll getötet werden. Bis es dann so weit ist, vergehen siebenhundert Seiten, die mal mehr, mal weniger spannend sind. Eingerahmt wird die Handlung vom „Großen Spiel“, das heute unter dem Namen „Risiko“ bekannt ist.

Die Karawane zieht nach Afghanistan

In Konstantinopel treffen sich die Teilnehmer der Afghanistan-Expedition und andere zwielichtige Gestalten. Tatsächlich wurde zu Beginn des ersten Weltkriegs die „Niedermayer-Hentig-Expedition“ durchgeführt und Oskar Niedermayer leitete die Mission, um, gemeinsam mit Persien, Afghanistan und Indien die Kolonialmacht England zu provozieren. Seine Erlebnisse schildert er im 1925 erschienen Buch „Unter der Glutsonne Irans“, aus dem Kopetzky zitiert.  
Endlich, nach über dreihundert Seiten beginnt die Karawane in Richtung Osten durch Wüsten und Berge zu ziehen. Nun driftet der Roman in die Welt der Karl May-Romane ab und die Handlung plätschert vor sich hin. Beschreibungen, Überfälle und Gefühlsregungen werden ausführlich in endlos verschachtelten Sätzen wiedergegeben. Immer wieder wird Stichnote von seinen Zahnschmerzen geplagt. Bis ihm der Zahn, in einem Weiler in Persien, endlich gezogen wird, vergehen etliche Zeit (und Seiten) und er wird opiumsüchtig.  
Die Expedition führt über Aleppo, Bagdad, Teheran, Isfahan nach Herat in Afghanistan und endet mit etlichen Legenden der Paschtunen in Kabul.

Fazit:
Warum der Vater des Schriftstellers Albert Camus, Lucien Camus, ein Kellermeister im französischen Algerien so ausführlich beschrieben wird, ist eher der Attraktivität des Namens Camus geschuldet.
Dass der Leser den britischen Spion Gilbert-Khan als solchen relativ früh „enttarnt“ nimmt leider einige Spannung aus dem Buch.
Der Autor hat sehr viele, fast zu viele Details in dem Buch untergebracht, wobei etliche historische und technische wirklich interessant sind. Der Transport der Funkanlage war wohl auch für Niedermayer tatsächlich ein großes Problem.
Alles in allem ein Abenteuerroman, der anfangs interessant aufgebaut ist und die einzelnen Personen spannend vorstellt. Aber je länger man liest, umso mühsamer werden die Spannungsspitzen erreicht und die Handlung zieht sich in die Länge. Der Autor hat zehn Jahre daran gearbeitet.

Quantität an Seiten bringt nicht unbedingt Qualität mit sich. Das betrifft nicht nur diesen Roman.   

Steffen Kopetzky 
Risiko
731 Seiten, Hardcover
1.Auflage 2015
Euro 24,95  Buch kaufen


Mittwoch, 6. Januar 2016

Rezension: Kopfkissenbuch

Manesse Verlag


SEI  SHONAGON

KOPFKISSENBUCH     (Original: Makura-no-soshi)

Aus dem Japanischen übersetzt und neu herausgegeben von Michael Stein

Ein wunderschön gestaltetes Buch mit einem gelben Einband, den ein Zweig voll roter Blüten ziert. Nimmt man es in die Hand fällt die „Wattierung“ auf, als hielte man ein Kopfkissen.

Tagebuchaufzeichnungen um das Jahr 1000

Alles begann mit zwanzig Bögen Papier, die Sei Shonagon von ihrer Kaiserin Sadako als Geschenk bekam. Die Hofdame schildert das Leben im Kaiserpalast um das Jahr 1000, der friedlichen Heian-Zeit. Jeder Japaner kennt die „freimütigen“ Erzählungen der Hofdame, denn das Kopfkissenbuch gehört zur japanischen Literaturgeschichte und zur Weltliteratur. 1875 wurden die Aufzeichnungen der Dichterin zum ersten Mal in eine europäische Sprache übersetzt.
Sei Shonagons Buch ist eine Art Tagebuch mit mehr oder weniger langen Notizen über ihre Beobachtungen am Kaiserhof. Gleichzeitig notierte sie ihre Gedanken über die Natur, Bäume, Berge, Flüsse, Seen, Wälder, das, was sie gern oder weniger gern mag, was sie erschreckt, was ihr zu Herzen geht, was nicht gut aussieht, Peinliches, Enttäuschendes, was man sich anschauen sollte, über Feste und Feierlichkeiten, ebenso wie die Gepflogenheiten am Hof.
In 325 Abschnitten erfährt der Leser Wissenswertes, Lustiges, Interessantes, Gedichte, Schriften und Erzählungen über die japanische Kultur der damaligen Zeit. Die Abschnitte können in beliebiger Reihenfolge gelesen werden.

Man wünscht sich „Gutes Neues Jahr“

Das Buch beginnt mit einem Eintrag über die Jahreszeiten: „Im Frühling liebe ich die Morgendämmerung, wenn das Licht allmählich wiederkehrt….“ Es folgen Gedanken zu Monaten, die „jeder zu seiner Zeit“ ihre eigenen Reize haben. Zum Beispiel wird am Neujahrstag dem Kaiser viel Glück gewünscht. Man zieht etwas Besonderes an und schminkt sich sorgfältig. Jeder wünscht jedem ein gutes Neues Jahr. „Wie herrlich, wenn alles einmal ganz anders ist als im Alltag“, notiert Sei Shonagon in ihr Kopfkissenbuch.

Das Leben am japanischen Kaiserhof

Kurze und längere, über mehrere Seiten gehende, mit spitzer Feder notierte Eintragungen zeichnen das Leben am Kaiserhof nach. Sei Shonagon lässt ihre Meinung einfließen oder schreibt als Beobachterin Geschichten, die sie mit den Hofangestellten des Kaisers und der Kaiserin erlebt; Legenden, Begegnungen bei Nacht, offizielle Zeremonien oder auch die Geschichte von der Katze und dem Hofhund. Manchmal sind es nur ein paar Worte, ein Satz („18: Schwerter: Am schönsten sind juwelengeschmückte Prachtstücke.“) oder subjektive Gedanken. Wichtig sind der Autorin die Kombinationen der Kleiderfarben, die sie lobt oder kritisiert.  

Zur Unterhaltung am Hof zählten die Kalligraphie, das Flötenspiel und das Verfassen von Stegreifgedichten, worin es zu Wettbewerben, auch mit der Kaiserin kam.

Sei Shonagon und die Entstehung des Kopfkissenbuches

Sehr interessant sind die Ausführungen am Ende des Buches. Hier wird über Sei Shonagun selbst und ihre Familie berichtet. Ihr Vater war bereits Experte für Dichtkunst und erhielt Einladungen zu Dichtwettbewerben am Kaiserhof. Sei Shonagon selbst erlernte ebenfalls die Dichtkunst, sogar die chinesische Literatur war ihr bekannt. Höhepunkt ihres Lebens war der Eintritt in den Dienst am Kaiserpalast als sie knapp dreißig Jahre alt war, später wurde auch ihre Tochter eine Hofdame.

Das Kopfkissenbuch wurde schon zu Lebzeiten Sei Shonagons gelesen und spiegelt den Alltag wieder, für spätere Generationen wurde es eine wertvolle Quelle über die Heian-Zeit. In einem weiteren Kapitel werden der Kaiserhof zu Kyoto, seine Gesellschaft und die Bräuche beschrieben.
Im anschließenden Glossar werden umfangreiche Erklärungen gegeben, die die zahlreichen Anmerkungen im Text unterstützen. Zum besseren Verständnis folgt ein Personenverzeichnis, das die komplizierte Verteilung von Namen und Titeln erklärt. Nach der editorischen Notiz folgt das Inhaltsverzeichnis.

Übersetzer:
Das zum ersten Mal vollständig auf Deutsch vorliegende Kopfkissenbuch wurde von dem Japanologen Michael Stein (geb. 1948) übersetzt. Er promovierte über die Heian-Zeit und lehrt seit 1980 in Tokyo. 1997 erschien sein Buch „Japans Kurtisanen“ über die umfangreiche Kultur- und Sittengeschichte fernöstlicher Erotik und Unterhaltungskunst. Michael Steins Übersetzung „Mond überm Dachfirst“ der modernen Klassikerin Higuchi Ichiyo im Manesse-Verlag, wurde hochgelobt.    

Fazit:
Ein sehr interessantes Buch, das Japanliebhaber immer wieder gern zur Hand nehmen werden, um sich darin zu verlieren. Wer vorher noch nicht so viel über Japan wusste, lernt das Leben am Kaiserhof um das Jahr 1000 kennen, als in Europa kaum jemand schreiben oder lesen konnte. Der feine Einband und die sorgfältige Auswahl der Schrift und des Papiers machen das Buch wertvoll und zu einem besonderen Geschenk.

Sei Shongon
Kopfkissenbuch
384 Seiten, farbige Fadenheftung
Foliengeprägter Feinleinenband mit zweifarbigem Schmucksatz
Format 22 x 22 cm
Euro 59,95   Buch kaufen


Freitag, 1. Januar 2016

Empfehlung: Algerien-ein Land holt auf!

Donata Kinzelbach
Rezension

Algerien - ein Land holt auf!  
Donata Kinzelbach
  
Algerien ist für Deutsche fast unbekannt oder aber in negativer Erinnerung. „Kann man dahin fahren? Ist das nicht gefährlich?“ sind die ersten Fragen, wenn man erzählt, dass man nach Algerien reist. Knapp 30000 Algerier leben in Deutschland, aber sie sind angepasst und fallen kaum auf, werden womöglich mit Marokkanern oder Türken verwechselt.

In ihrem neuesten Buch gibt die Autorin und Verlegerin Donata Kinzelbach einen persönlichen Einblick ihrer Aufenthalte in Algier, wohin sie jährlich zur dortigen Internationalen Buchmesse reist.
Seit fast 30 Jahren führt Frau Kinzelbach den einzigen Verlag in Deutschland, der sich ausschließlich auf maghrebinische (Algerien, Marokko, Tunesien) Länder konzentriert.

Namhafte Autoren wie Rachid Bousedra (diverse Titel), Maissa Bey (Ausgeblendet, Nachts unterm Jasmin), Malika Mokkedem (Suche auf See, Das Geheimnis der Mutter), Aziz Chouaki (Stern von Algier) und viele mehr schreiben im Donata Kinzelbach Verlag.

Seit einigen Jahren, vor allem nach dem schrecklichen schwarzen Jahrzehnt (1989-1999) zeichnen sich Veränderungen in Algerien ab, die als vorsichtiger Aufbruch bewertet werden können. Diesen Eindruck beschreibt die Autorin lebhaft und anschaulich in ihren Erlebnissen in Algier, der Hauptstadt des größten afrikanischen Landes.

Ihr fallen Mokkatassen mit arabischer und englischer Schrift, made in Germany auf, deutsche Schokolade, eine neue und pünktliche Metro, viele Buchläden und Literatur in der Berbersprache Tamazight, die erst 2002 zur anerkannten zweiten Landessprache erklärt wurde.
Frauen in Polizeiuniform (vor Jahren undenkbar), selbsternannte Parkwächter, die sich mangels Parkuhren einen Obulus verdienen, hervorragend ausgebildete Mediziner, die aber ohne funktionierende Geräte in den staatlichen Krankenhäusern nicht entsprechend arbeiten können und Jugendliche, die gut ausgebildet sind und keine Arbeit finden. Sie leben vom illegalen Handel, mit dem sie dennoch ein „geregeltes Arbeitsleben“ führen, mit sozialen Kontakten und „Erfolgserlebnissen“, allerdings ohne Sicherheit, Arbeitsrecht, etc.

Immer wieder kommen die Autoren zu Wort, die das Alltagsleben in Algerien schildern. So schreibt Aziz Chouaki in seinem Buch „Stern von Algier“ über die Schwierigkeit mit vierzehn Personen in einer 3-Zimmer-Wohnung leben zu müssen. Dies war das Bild der 1990er Jahre, das sich nun so verändert hat, dass Algerien heute einer einzigen riesigen Baustelle gleicht. Überall im Land werden ganze Vororte mit Hilfe chinesischer Bauarbeiter in rasanter Geschwindigkeit aus dem Boden gestampft und Autobahnen gebaut.

Weitere Themen sind Alltagserlebnisse am Flughafen, im Taxi, im Café und während der Buchmessen, Kolonialgeschichte, algerische Literatur, weibliche Stimmen und Sprachenvielfalt, ergänzt von Farbbildern. Eine kurze Einführung in die Landeskunde fehlt nicht.

Dieses interessante Buch ist eine Momentaufnahme und eine Liebeserklärung an die Menschen und das Land Algerien. Vielen Dank dafür, Frau Kinzelbach!

 Donata Kinzelbach
Algerien - ein Land holt auf!
Hardcover
110 Seiten mit 47 Farbbildern
nur Euro 17,- inkl. MwSt.    Buch kaufen