Donata Kinzelbach |
Rezension
Algerien - ein Land holt auf!
Donata Kinzelbach
Algerien ist für Deutsche fast unbekannt oder aber in
negativer Erinnerung. „Kann man dahin fahren? Ist das nicht gefährlich?“ sind
die ersten Fragen, wenn man erzählt, dass man nach Algerien reist. Knapp 30000
Algerier leben in Deutschland, aber sie sind angepasst und fallen kaum auf,
werden womöglich mit Marokkanern oder Türken verwechselt.
In ihrem neuesten Buch gibt die Autorin und Verlegerin
Donata Kinzelbach einen persönlichen Einblick ihrer Aufenthalte in Algier,
wohin sie jährlich zur dortigen Internationalen Buchmesse reist.
Seit fast 30 Jahren führt Frau Kinzelbach den einzigen
Verlag in Deutschland, der sich ausschließlich auf maghrebinische (Algerien,
Marokko, Tunesien) Länder konzentriert.
Namhafte Autoren wie Rachid Bousedra (diverse Titel), Maissa
Bey (Ausgeblendet, Nachts unterm Jasmin), Malika Mokkedem (Suche auf See, Das
Geheimnis der Mutter), Aziz Chouaki (Stern von Algier) und viele mehr schreiben
im Donata Kinzelbach Verlag.
Seit einigen Jahren, vor allem nach dem schrecklichen
schwarzen Jahrzehnt (1989-1999) zeichnen sich Veränderungen in Algerien ab, die
als vorsichtiger Aufbruch bewertet werden können. Diesen Eindruck beschreibt die
Autorin lebhaft und anschaulich in ihren Erlebnissen in Algier, der Hauptstadt
des größten afrikanischen Landes.
Ihr fallen Mokkatassen mit arabischer und englischer
Schrift, made in Germany auf, deutsche Schokolade, eine neue und pünktliche
Metro, viele Buchläden und Literatur in der Berbersprache Tamazight, die erst
2002 zur anerkannten zweiten Landessprache erklärt wurde.
Frauen in Polizeiuniform (vor Jahren undenkbar),
selbsternannte Parkwächter, die sich mangels Parkuhren einen Obulus verdienen,
hervorragend ausgebildete Mediziner, die aber ohne funktionierende Geräte in
den staatlichen Krankenhäusern nicht entsprechend arbeiten können und Jugendliche,
die gut ausgebildet sind und keine Arbeit finden. Sie leben vom illegalen
Handel, mit dem sie dennoch ein „geregeltes Arbeitsleben“ führen, mit sozialen
Kontakten und „Erfolgserlebnissen“, allerdings ohne Sicherheit, Arbeitsrecht,
etc.
Immer wieder kommen die Autoren zu Wort, die das
Alltagsleben in Algerien schildern. So schreibt Aziz Chouaki in seinem Buch „Stern
von Algier“ über die Schwierigkeit mit vierzehn Personen in einer
3-Zimmer-Wohnung leben zu müssen. Dies war das Bild der 1990er Jahre, das sich
nun so verändert hat, dass Algerien heute einer einzigen riesigen Baustelle
gleicht. Überall im Land werden ganze Vororte mit Hilfe chinesischer
Bauarbeiter in rasanter Geschwindigkeit aus dem Boden gestampft und Autobahnen
gebaut.
Weitere Themen sind Alltagserlebnisse am Flughafen, im
Taxi, im Café und während der Buchmessen, Kolonialgeschichte, algerische
Literatur, weibliche Stimmen und Sprachenvielfalt, ergänzt von Farbbildern.
Eine kurze Einführung in die Landeskunde fehlt nicht.
Dieses interessante Buch ist eine Momentaufnahme und eine
Liebeserklärung an die Menschen und das Land Algerien. Vielen Dank dafür, Frau
Kinzelbach!
Algerien - ein
Land holt auf!
Hardcover
110 Seiten mit 47 Farbbildern