Mittwoch, 6. Januar 2016

Rezension: Kopfkissenbuch

Manesse Verlag


SEI  SHONAGON

KOPFKISSENBUCH     (Original: Makura-no-soshi)

Aus dem Japanischen übersetzt und neu herausgegeben von Michael Stein

Ein wunderschön gestaltetes Buch mit einem gelben Einband, den ein Zweig voll roter Blüten ziert. Nimmt man es in die Hand fällt die „Wattierung“ auf, als hielte man ein Kopfkissen.

Tagebuchaufzeichnungen um das Jahr 1000

Alles begann mit zwanzig Bögen Papier, die Sei Shonagon von ihrer Kaiserin Sadako als Geschenk bekam. Die Hofdame schildert das Leben im Kaiserpalast um das Jahr 1000, der friedlichen Heian-Zeit. Jeder Japaner kennt die „freimütigen“ Erzählungen der Hofdame, denn das Kopfkissenbuch gehört zur japanischen Literaturgeschichte und zur Weltliteratur. 1875 wurden die Aufzeichnungen der Dichterin zum ersten Mal in eine europäische Sprache übersetzt.
Sei Shonagons Buch ist eine Art Tagebuch mit mehr oder weniger langen Notizen über ihre Beobachtungen am Kaiserhof. Gleichzeitig notierte sie ihre Gedanken über die Natur, Bäume, Berge, Flüsse, Seen, Wälder, das, was sie gern oder weniger gern mag, was sie erschreckt, was ihr zu Herzen geht, was nicht gut aussieht, Peinliches, Enttäuschendes, was man sich anschauen sollte, über Feste und Feierlichkeiten, ebenso wie die Gepflogenheiten am Hof.
In 325 Abschnitten erfährt der Leser Wissenswertes, Lustiges, Interessantes, Gedichte, Schriften und Erzählungen über die japanische Kultur der damaligen Zeit. Die Abschnitte können in beliebiger Reihenfolge gelesen werden.

Man wünscht sich „Gutes Neues Jahr“

Das Buch beginnt mit einem Eintrag über die Jahreszeiten: „Im Frühling liebe ich die Morgendämmerung, wenn das Licht allmählich wiederkehrt….“ Es folgen Gedanken zu Monaten, die „jeder zu seiner Zeit“ ihre eigenen Reize haben. Zum Beispiel wird am Neujahrstag dem Kaiser viel Glück gewünscht. Man zieht etwas Besonderes an und schminkt sich sorgfältig. Jeder wünscht jedem ein gutes Neues Jahr. „Wie herrlich, wenn alles einmal ganz anders ist als im Alltag“, notiert Sei Shonagon in ihr Kopfkissenbuch.

Das Leben am japanischen Kaiserhof

Kurze und längere, über mehrere Seiten gehende, mit spitzer Feder notierte Eintragungen zeichnen das Leben am Kaiserhof nach. Sei Shonagon lässt ihre Meinung einfließen oder schreibt als Beobachterin Geschichten, die sie mit den Hofangestellten des Kaisers und der Kaiserin erlebt; Legenden, Begegnungen bei Nacht, offizielle Zeremonien oder auch die Geschichte von der Katze und dem Hofhund. Manchmal sind es nur ein paar Worte, ein Satz („18: Schwerter: Am schönsten sind juwelengeschmückte Prachtstücke.“) oder subjektive Gedanken. Wichtig sind der Autorin die Kombinationen der Kleiderfarben, die sie lobt oder kritisiert.  

Zur Unterhaltung am Hof zählten die Kalligraphie, das Flötenspiel und das Verfassen von Stegreifgedichten, worin es zu Wettbewerben, auch mit der Kaiserin kam.

Sei Shonagon und die Entstehung des Kopfkissenbuches

Sehr interessant sind die Ausführungen am Ende des Buches. Hier wird über Sei Shonagun selbst und ihre Familie berichtet. Ihr Vater war bereits Experte für Dichtkunst und erhielt Einladungen zu Dichtwettbewerben am Kaiserhof. Sei Shonagon selbst erlernte ebenfalls die Dichtkunst, sogar die chinesische Literatur war ihr bekannt. Höhepunkt ihres Lebens war der Eintritt in den Dienst am Kaiserpalast als sie knapp dreißig Jahre alt war, später wurde auch ihre Tochter eine Hofdame.

Das Kopfkissenbuch wurde schon zu Lebzeiten Sei Shonagons gelesen und spiegelt den Alltag wieder, für spätere Generationen wurde es eine wertvolle Quelle über die Heian-Zeit. In einem weiteren Kapitel werden der Kaiserhof zu Kyoto, seine Gesellschaft und die Bräuche beschrieben.
Im anschließenden Glossar werden umfangreiche Erklärungen gegeben, die die zahlreichen Anmerkungen im Text unterstützen. Zum besseren Verständnis folgt ein Personenverzeichnis, das die komplizierte Verteilung von Namen und Titeln erklärt. Nach der editorischen Notiz folgt das Inhaltsverzeichnis.

Übersetzer:
Das zum ersten Mal vollständig auf Deutsch vorliegende Kopfkissenbuch wurde von dem Japanologen Michael Stein (geb. 1948) übersetzt. Er promovierte über die Heian-Zeit und lehrt seit 1980 in Tokyo. 1997 erschien sein Buch „Japans Kurtisanen“ über die umfangreiche Kultur- und Sittengeschichte fernöstlicher Erotik und Unterhaltungskunst. Michael Steins Übersetzung „Mond überm Dachfirst“ der modernen Klassikerin Higuchi Ichiyo im Manesse-Verlag, wurde hochgelobt.    

Fazit:
Ein sehr interessantes Buch, das Japanliebhaber immer wieder gern zur Hand nehmen werden, um sich darin zu verlieren. Wer vorher noch nicht so viel über Japan wusste, lernt das Leben am Kaiserhof um das Jahr 1000 kennen, als in Europa kaum jemand schreiben oder lesen konnte. Der feine Einband und die sorgfältige Auswahl der Schrift und des Papiers machen das Buch wertvoll und zu einem besonderen Geschenk.

Sei Shongon
Kopfkissenbuch
384 Seiten, farbige Fadenheftung
Foliengeprägter Feinleinenband mit zweifarbigem Schmucksatz
Format 22 x 22 cm
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