Manesse |
DSCHALALUDDIN RUMI
TRAUMBILD DES HERZENS
Wenn Sie Ihrer
oder Ihrem Liebsten zum Valentinstag ein außergewöhnliches Buch schenken
möchten, greifen Sie zum „Traumbild des Herzens“ mit 100 Lebensweisheiten des
mystischen Sufis Dschalaluddin Rumi. Der persische Dichter war ebenso berühmt
wie sein Kollege Hafiz, dem Goethe seinen „West-Östlichen Diwan“ widmete.
„Die Liebe schenkt den Teil erst und dann das ganze All.
Die Traube ist erst sauer und dann ein süßer Ball.
Und so ist auch die Regel, Herz, wenn der Lenz sich naht:
Erst meldet sich die Katze, dann sing die Nachtigall.“
Orden der
Tanzenden Derwische
Rumi lebte von 1207 bis 1273 und wurde in Balch (im
Altertum Hauptstadt von Baktrien, an der iranischen Seidenstraße) an der
Nordgrenze des heutigen Afghanistan geboren und musste vor dem Mongolen
fliehen. Als junger Gelehrter heiratete er in Anatolien, 1228 ließ sich die
Familie in der Seldschukenstadt Konya (Türkei) nieder. Rumi wurde nach dem Tod
seines Vaters Hofprediger bei den Seldschuken und Begründer des Ordens der Tanzenden
Derwische.
Shamsuddin
i-Tabriz, der geliebte Freund
In Konya lernte Rumi den Derwisch (persisch: asketischer
Mönch) Shamsuddin (Shams i-Tabriz, Sonne aus Tabriz) kennen, der sich nach
einer langen Wanderschaft in Konya niederließ. Rumi fühlte sich so sehr von Shams
angezogen, dass er seine Familie und seine Anhänger vernachlässigte, was diese
mit großer Eifersucht quittierten. Shams floh nach Damaskus, doch Rumi wollte
ohne den lieben Freund nicht sein und schickte seinen Sohn Sultan Waled, um
Shams zur Rückkehr zu bewegen. Shams
heiratete das Mädchen Kimiya („Elixier“) aus dem Hause des Rumi, welches er
sehr liebte und die mystische Beziehung zu Rumi wurde fortgesetzt. Als Kimiya
starb, verschwand auch Shams bald darauf, der wahrscheinlich von eifersüchtigen
Anhängern Rumis und mit Hilfe mindestens einem seiner Söhne ermordet wurde. Rumi
suchte Shams in Damaskus, doch als er bemerkte, dass der geliebte Freund nie
mehr zurückkehren würde, fiel er in tiefe Verzweiflung.
„Sterben aus Liebe“
Seinen Schmerz verarbeitete Rumi in tausenden von Versen,
in denen der Geliebte weiterlebte und Rumi den Verlust beklagte. In der
persischen und arabischen Dichtung findet das „Sterben aus Liebe“ immer neue
Wendungen und oft ist damit auch die „ersehnte Vereinigung mit dem göttlichen
Geliebten“ gemeint, die die Mystiker anstreben. Rumi drückte damit nicht nur
die Liebe zu Shams und seinen irdischen Nachfolgern aus, sondern meint damit
symbolisch die Beziehung des Menschen zu Gott. Ein Mystiker begreift die „Schöpfung
mit ihren Erscheinungen als Abglanz und Spiegel innerer Wirklichkeiten,
göttlichen Realitäten.“
Mathnawi und Diwan
Nach dem Tod Rumis setzte sein Schüler Husanuddin
(Schwerter der Religion) Celebi die Leitung des Ordens fort, dem Rumi sein Werk
von 26000 Versen diktierte, ein mystisches Gedicht der Lehren der Sufis mit
zahlreichen Erzählungen, die nach Art der „Märchen aus 1001 Nacht“ ineinander
verschachtelt sind.
Kaum ein anderer persischer Mystiker verarbeitete die „Fülle
des Lebens“, die „Empfindungen von Liebe und Freundschaft“, die „Welt des
Werdens und des Seins“, Historisches und Alltagsgeschehnisse wie Rumi in seinen
Werken, dem „Mathnawi (Bibel der Sufis) und dem Diwan mit rund 3000 Ghaselen
und etwa 2000 Vierzeilern, den Ruba’is. Die Ruba’is sind eine besondere Form
persischer Dichtkunst, bei der „gleichklingende Wörter eine verschiedene Bedeutung“ haben und in Variationen
die Aussage der ersten Zeilen in der vierten Zeile wieder zur ersten Zeile
zurückgeführt wird.
Die Auswahl in diesem Büchlein ist in die drei Abschnitte
eingeteilt:
Freundschaft und
Liebe:
„Ich bin der Staub, Du die Sonne, die mir das Licht
zuteilt.
Ich bin vor Kummer krank, Du das Mittel, das mich heilt.
Ich fliege ohne Flügel und Federn zu Dir hin,
der Bernstein Du, ich ein Stroh nur, von deinem Sog
ereilt. “
Leben und Lernen:
„Wer mit Wissen und Verstand ausgestattet wurde,
der gilt als
fähig, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten.
Wer aber als hohler Kopf angesehen wird,
der wird dafür mit
Geld vollgestopft. “
und Musik und
Dichtung:
„Deine Vollkommenheit hat meine Liebe entfacht.
Deine Anmut hat mich zum Dichter gemacht.
Es tanzt Dein Traumbild auf der Bühne meines Herzens.
Den schönen Tanz hast Du
mir beigebracht.“
Heiteres, Zartes und Scherzhaftes sowie Leidenschaft und
Ekstase lassen sich in einer „sinnlich-erotischen“ und einer „mystischen“ Ebene
lesen, die mal fremdartig, mal mitreißend wirkt und den Leser verzaubert. Johann
Christoph Bürgel hat die Verse so nachgedichtet, dass sie wie „auf Deutsch
verfasst“ klingen und sie in wörtlicher Übersetzung zum Vergleich beigefügt.
Die Anmerkungen am Ende des Buches geben Hinweise und Erklärungen zu den Vierzeilern.
Ebenso wird der Schlüssel zum Auffinden der Verse in der Ausgabe des persischen
Textes von Furuzanfar angegeben.
Johann Christoph
Bürgel (geb. 1931) ist Professor emeritus für Islamwissenschaft an der
Universität Bern. Für seine Übersetzungen klassischer literarischer Werke aus
dem Persischen, Arabischen und Urdu erhielt er 1983 den Rückert-Preis und 1993
den Übersetzerpreis der Stadt Bern. Bürgel ist der Herausgeber der Anthologie „Tausendundeine
Welt“ (2007,C.H.Beck) und Übersetzer von Nizami’s „Die Abenteuer des Königs
Bahram und seiner sieben Prinzessinnen“ (1997,C.H.Beck). Die „Traumbilder des
Herzens“ sind eine Neuausgabe des Manesse-Verlags 2015.
Fazit:
Die „Traumbilder des Herzens“ berühren die Seele. In der
heutigen unruhigen Zeit zeigen die Verse der persischen oder arabischen Dichter
eine andere Seite, die zu oft übersehen wird oder unbekannt ist und die
deutsche Dichter wie Goethe oder Rückert bereits im 18. Jh. zum Nachdichten oder
übersetzen inspirierten. Man sollte sich öfter diesem Kunstgenuss einer anderen
Kultur zuwenden.
Neben Bürgel hat Friedrich Rückert Rumis Diwan übertragen
und besonders gern die Ghaselen nachgedichtet. Dem 150. Todestag Friedrich
Rückerts wird am 31. Januar 2016 gedacht.
„Ich sah einen Schelm sitzen auf dem Ross der Erde:
weder Unglaube noch Islam, weder Welt noch Religion!
Weder Recht noch Wahrheit, noch Scharia, noch Gewissheit!
Wer hat in beiden Welten die Kühnheit zu diesem?“