DIE TÄNZE DES MAGHREB
Dieses Sachbuch der französischen Ethnologin Viviane Lièvre gibt einen Einblick in ein Thema, das eher selten Eingang in Reiseführer findet, obwohl es zum gesellschaftlichen Leben dazugehört. So ähnlich die Länder des Maghreb sein können, so verschieden sind die Gruppen und Tänzer, die diese Tänze ausführen.
Die ersten fünf Kapitel behandeln die Einführung in die „Stellung des Tanzes in der Kultur des Maghreb"
1. Der islamische Einfluss
2. Der Tanz, Vergnügung oder kollektiver Ritus
3. Der Tanz bei den religiösen Bruderschaften
4. Überlieferung, Folklore,
Erneuerung
Im 5. Kapitel wird Marrakesch, die tanzende Stadt
mit einem Beitrag von Jean – Yves Loude vorgestellt.
Im Vorwort weist die Autorin auf die Gemeinsamkeiten der
Maghrebländer hin, wobei diese eher auf teilweise gemeinsame Geschichte
zurückzuführen sind. Jedes Land, ob Algerien, Marokko oder Tunesien hat zudem
seine eigene Traditionen und Gebräuche, auch bei den Tanzformen und
Musikinstrumenten.
Die Berber, die Urbevölkerung dieser drei Länder kennen
andere Tänze als die Araber, die ihre Tänze von der Arabischen Halbinsel
mitbrachten. Die dritte Gruppe sind die ehemaligen Sklaven, die aus Schwarzafrika
ihre Traditionen auch in der Fremde bewahrten. Eine weitere Gruppe stellen die
mystischen Tänze im Sufismus dar.
Der islamische Einfluss
Das erste Kapitel beschreibt den islamischen Einfluss. Obwohl
sich im Koran kein Verbot auf Tanzen und Musik bezieht, haben Rechtsgelehrte
des Islam Kriterien für bzw. gegen Musik und die Zurschaustellung des Körpers
entwickelt.
Trotzdem haben sich, gerade in den Ländern des Maghreb, die
Musik und traditionelle Tanzformen erhalten.
Ob bei den jährlichen Festen zur Dattelernte, ob bei
Familienfesten, besonders bei Hochzeiten, überall wird musiziert und getanzt.
Bei religiösen Festen des Islam gibt es kaum musikalische
Darbietungen, eher religiöse Gesänge und Rezitationen.
Unterschiede der Tänze zwischen Stadt und Land
Im zweiten Kapitel wird der Unterschied zwischen
Vergnügungen im städtischen Milieu und die Vielfalt an Musik und Tänzen in der
ländlichen Kultur herausgestellt.
Sehr interessant geht die Autorin hier auch auf die
klassische Musik ein, die ein komplettes Orchester erfordert mit Streich- und
Blasinstrumenten (Laute, Flöte, etc. ) und trommeln sowie Chorsängern.
Wie im europäischen Ländern auch hört sich der reiche
Städter in Fes, Tlemcen, Algier oder Tunis ein klassisches Konzert an.
Als klassisch wird die Musik des Malouf bezeichnet,
die durch die schubweise Rückkehr der Andalusier ab dem 10. Jahrhundert bis zum
15. Jahrhundert in den Städten an der Küste ausgebreitet hat. Die Art der Musik
wurde vornehmlich an den Höfen der Kalifen und Emire gespielt. Der dazugehörige
Tanzstil Andalou wird von prächtig gekleideten und kunstvoll frisierten
Tänzerinnen dargeboten. Tücher aus Seide und graziöse Armbewegungen unterstreichen
die Arabesken der schweren Melodie.
In den ländlichen Traditionen zeigt sich die immense Vielfalt
der Musik und Tanzstile der verschiedenen Bevölkerungsgruppen aller drei
Länder. Auch das vorliegende Buch geht verstärkt auf die Vorstellung der Tänze
in diesen Bereich ein. Dabei überwiegen die Tänze der Berber, die den größten
Teil der Bevölkerung im Maghreb ausmachen, wobei die prozentuale Verteilung
unterschiedlich ist. In Tunesien ist der arabische Einfluss am höchsten, nur
noch rund drei Prozent Berber, in Algerien und Marokko ist der Anteil der
Berber wesentlich höher, in Marokko rund sechzig Prozent.
Die Tänze gehen auf die vorislamischen Überlieferungen
zurück. Es sind rituelle Tänze, im Jahresrhythmus aufgeführte Tänze oder
Kampftänze. Es sind Tänze der Magie, zu Hochzeiten oder Geburten,
Fruchtbarkeitstänze, um den Regen herbei zu wünschen. Meistens tanzen Gruppen
von Frauen und Männern getrennt, wobei zum Beispiel bei den Tuareg die Tänzer
von Musikerinnen begleitet werden, die das typische Zupfinstrument Imzad, die
einsaitige Geige der Frauen, spielen.
Tänze der religiösen Bruderschaften
Das dritte Kapitel befasst sich mit den religiösen
Bruderschaften, die aus dem Sufismus im Maghreb ab dem 16. Jahrhundert
hervorgegangen sind. Ihre Tänze führen von einem einfachen Rausch zu einer Form
der ekstatischen Trance, die Hadra genannt wird. Dabei stellen sich die Tänzer
meist in einem Kreis auf, Schulter an Schulter und wiegen im Rhythmus der Musik
vor und zurück.
Im vierten Kapitel geht die Autorin auf die Entwicklung und
den Einfluss der Moderne auf die Tanz- und Musikstile ein, die durch den
algerischen Rai auch in Deutschland bekannt wurden. Das fünfte Kapitel stellt
Marrakesch als eine Stadt vor, in der man jeden Tag tanzen könnte.
Der lexikalische Teil geht auf die einzelnen Tänze speziell
ein, beschreibt, wie getanzt wird, die Aufstellung der Tänzer oder Tänzerinnen
und welche Musikinstrumente dazu verwendet werden, die wiederum auch einzeln
beschrieben werden. Die Beschreibungen stellen die Tanzstile und Tänze vor,
sind aber keine „Gebrauchsanleitung“.
Fazit:
Insgesamt ein interessantes Buch für diejenigen, die die
Länder des Maghreb bereisen und während eines Festivals oder einer privaten
Feier Gelegenheit haben die Tänze und Musikinstrumente näher kennen zu lernen.
Die Beschreibungen der Tänze sind reich bebildert und gehen auf die Hintergründe
ein, die Vorstellung der Musikinstrumente wird mit dazugehörigen Zeichnungen
hervorgehoben.
Die französische Ethnologin Vivian Lièvre bereiste während
ihrer Feldforschung die Länder des Maghreb, besonders Süd-Tunesien. Mit diesem
Buch will sie den Kulturaustausch durch umfassende und verlässliche
Informationen fördern. Insgesamt werden 45 Tänze und 16 Musikinstrumente
beschrieben.
Vivian Lièvre
Die Tänze des Maghreb, Marokko – Algerien –
Tunesien
Paperback, 206 Seiten und zahlreiche Abbildungen
Preis: Euro 16,00
Verlag Otto Lambeck, 2008
Verlag Otto Lambeck, 2008
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